Eine aktualisierte Auswertung der im VBRG e. V. zusammengeschlossenen Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, zeigt: Von den überlangen Verfahrensdauern profitieren vor allem die gewalttätigen AfD-Abgeordneten – wie etwa der AfD-Kreisrat Sven Ebert aus Merseburg (Sachsen-Anhalt). Mehr als fünf Jahre nach dem Angriff auf zwei Studierende an der Universität Halle (Saale) mit Pfefferspray im Frühjahr 2019 stellte das Landgericht Halle (S.) im August 2024 nach einer erstinstanzlichen Verurteilung des einschlägig vorbestraften Ebert gegen Zahlung einer Geldauflage von 2.000 Euro das Strafverfahren gegen ihn ein. „Der Rechtstaat lässt die Betroffenen von gewalttätigen Angriffen und Bedrohungen durch AfD-Funktionär*innen dramatisch im Stich“, kritisiert eine Sprecherin der Mobilen Opferberatung. „Dieser schmutzige Deal zwischen Staatsanwaltschaft, Justiz und Angeklagten konnte nur deshalb stattfinden, weil der Nebenklage keine Rechtsmittel zur Verfügung stehen, um derartige Deals zu verhindern.“ Seit langem fordern die Opferberatungsstellen vom Bundesjustizministerium und der Justizminister*innen-Konferenz, durch entsprechende gesetzliche Regelungen oder Änderungen in den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) endlich dafür sorgen, dass Staatsanwaltschaften ohne explizites Einverständnis von Nebenkläger*innen keine schmutzigen Deals mehr mit Neonazi-Gewalttätern machen können. Bis dahin sind die Justizminister*innen der Länder aufgefordert, von ihrer Weisungsbefugnis gegenüber den Staatsanwaltschaften Gebrauch zu machen, und Deals zu unterbinden.
Zielgruppen: Journalist*innen, demokratisch Engagierte und Rassismusbetroffene
Seit einigen Jahren beobachten die Opferberatungsstellen mit großer Sorge, wie flächendeckend – und keineswegs nur in Ostdeutschland – die Gewaltbereitschaft auch bei Mandatsträger*innen und Funktionär*innen der AfD sowie deren Anhänger*innen zunimmt. Im unabhängigen Monitoring der Opferberatungsstellen zeigt sich: Hauptsächliche Zielgruppen von gewalttätigen Angriffen durch AfD-Funktionär*innen und Mitglieder der rechtsextremen Partei sind aktuell Journalist*innen sowie Menschen, die an Protesten gegen Rechtsextremismus und gegen AfD-Versammlungen teilnehmen. Aber auch von Rassismus Betroffene sowie Abgeordnete und Vertreter*innen demokratischer Parteien sind unmittelbar Bedrohungen ausgesetzt. Umso wichtiger ist es, dass der Rechtsstaat sich auf die Seite der Angegriffenen stellt.
Klassische rechtsextreme Täter-Opfer-Umkehr
Die Täter*innen zeigen vor Gericht in der Regel keine Reue, sondern inszenierten sich als Opfer und berufen sich auf vermeintliche Notwehr.
Etwa im Fall eines Teilnehmers einer Bündnis-Kundgebung gegen einen sogenannten „AfD-Bürgerdialog“ in Köln-Kalk im April 2019, der vom heutigen Vorsitzenden der Jungen Alternative NRW angefahren worden war. Erst mehr als fünf Jahre später, im August 2024 ist das Urteil des Landgericht Köln gegen den JA-Funktionär Felix Cassel wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung nun rechtskräftig geworden. Rechtsanwalt Eberhard Reinicke aus Köln, der den Angegriffenen vertritt, betont: „Für den Betroffenen war die lange Verfahrensdauer eine große Belastung. Durch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln sei nun auch die Feststellung des Landgerichtes Köln rechtskräftig, dass es Felix Cassel „erkennbar daran gelegen gewesen sei, sich als Opfer darzustellen“ und dass diese Darstellung „eine unwahre Schutzbehauptung“ sei. “ Diese Art der Täter-Opfer-Umkehr ist „klassisch für rechtsextreme Gewalttäter“, betont Rechtsanwalt Reinicke.
Fallbeispiele
Beispielfälle aus dem unabhängigen Monitoring der im VBRG zusammengeschlossenen Opferberatungsstellen zeigen die langen Verfahrensdauern und die Gewaltbereitschaft von AfD-Funktionär*innen und Anhänger*innen:
1) Sachsen-Anhalt, September 2024
Knapp fünfeinhalb Jahre nach Pfeffersprayangriff auf Studenten: Einstellung des Verfahrens gegen AfD-Kreistagsabgeordneter mit Geldauflage
Mehr als fünf Jahre nachdem zwei damals 28- und 29-jährige Studenten nach dem Besuch der Universitätsmensa in Halle (Saale) im Frühjahr 2019 von einem AfD-Kreistagsmitglied angegriffen wurden, muss der AfD-Politiker Sven Ebert lediglich eine Geldauflage von 2.000 Euro zahlen und entgeht damit einer erneuten Verurteilung. Das Landgericht Halle (Saale) hatte die ursprünglich für Juli 2024 terminierte Berufungsverhandlung aufgehoben, weil Ebert eine Hotelbuchung für einen Indonesienaufenthalt vorweisen konnte – und das Verfahren gegen den Umzugsunternehmer schließlich im September 2024 gegen Geldzahlung an eine gemeinnützige Organisation eingestellt. In erster Instanz hatte das Amtsgericht Halle (Saale) Sven Ebert im Dezember 2022 dafür noch wegen gefährlicher Körperverletzung zu sechs Monaten Haft auf zwei Jahre Bewährung verurteilt. Der AfD-Kreistagsabgeordnete aus dem Saalekreis hatte die beiden Studenten beleidigt („Verpisst euch aus meiner Stadt!“) und ihnen Pfefferspray direkt ins Gesicht gesprüht. Einige Wochen vor dieser Tat hatten die Geschädigten den AfD-Politiker in der Mensa zur Rede gestellt, weil er sie mit einem T-Shirt der rechtsextremen Identitären Bewegung betreten hatte. Infolge des Angriffs des gewalttätigen AfD-Funktionärs zog einer der Betroffenen aus der Stadt weg.
Quellen: Mobile Opferberatung, 17.3.2023, Tagesspiegel
2) Nordrhein-Westfalen, August 2024
Fünf Jahre nach Pkw-Angriff auf Gegendemonstranten: Verurteilung des Vorsitzenden der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative NRW rechtskräftig
Mehr als fünf Jahre, nachdem der JA-Funktionär Felix Cassel in Köln-Kalk im April 2019 einen antifaschistischen Gegendemonstranten gezielt mit seinem Pkw angefahren hatte, ist dessen Verurteilung zu sieben Monaten Haft auf Bewährung und Geldauflagen rechtskräftig. „Der hat Gas gegeben“, beschrieb der 30-jährige Nebenkläger den Angriff. Der Angeklagte hatte ihn nach einem sogenannten „AfD-Bürgerdialog“ am 7. April 2019 in Köln-Kalk angefahren, als er sich auf dem Heimweg von einem Gegenprotest des „Bündnis gegen Rechts“ befand. Wäre der Betroffene nicht so sportlich gewesen, wären ihm wohl beide Beine gebrochen worden, so der Richter in der mündlichen Urteilsbegründung des Landgerichts Köln im Februar 2024. Das Landgericht Köln bestätigte am 23. Februar 2024 im dritten Anlauf ein früheres Urteil wegen eines Angriffs des derzeitigen Vorsitzenden der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative NRW auf einen Gegendemonstranten. Der verurteilte JA-Funktionär hatte Revision gegen das Urteil eingelegt, die im August 2024 vom Oberlandesgericht Köln als unbegründet zurückgewiesen wurde. Damit ist die Verurteilung von Felix Cassel zu 7 Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie einer Schmerzensgeldzahlung an den Angegriffenen, einer Geldauflage in Höhe von 1.000 Euro und der Prozesskosten der Nebenklage rechtskräftig.
Quelle: Nebenklagevertretung: Blog Rechtsanwalt Eberhard Reinecke
3) Baden-Württemberg, Juli 2024
Nach dreieinhalb Jahren: Zweitinstanzliches Urteil gegen ehemaligen AfD-Kommunalpolitiker nach Messerstichen gegen Ersthelfer
„Ich wollte nur helfen. Bis heute habe ich Alpträume.“ Das sagt ein 63-jähriger Freiburger, der gemeinsam mit seiner 52-jährigen Ehefrau im Juni 2021 spontan zwei Jugendlichen zu Hilfe kam, die am 12. Juni 2021 in Freiburg von einem bewaffneten Mann attackiert wurden, dem ehemaligen Gemeinderatskandidat für die AfD und Coronaleugner Robert H. Ende Juli 2024 bestätigte das Landgericht Freiburg in zweiter Instanz das erstinstanzliche Urteil des Amtsgericht Freiburg. H. wurde wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen à 10 Euro sowie der Übernahme der Kosten der Nebenklage verurteilt. Am 12. Juni 2021 hatte der damals 39-Jährige zwei Jugendliche mit Reizgas attackiert, weil diese ihn als „Fascho“ beschimpft hatten. Das Ehepaar, das die Jugendlichen schützen wollte, besprühte der Angreifer daraufhin ebenfalls mit Reizgas. Der ehemalige AfD-Kandidat verletzte den 63-Jährigen außerdem mit einem Messer im Brustbereich. Die Staatsanwaltschaft Freiburg hatte lediglich den Pfefferspray-Angriff auf die Ersthelfer*innen angeklagt und den Messerstich des ex-AfD-Politikers als Notwehrhandlung gewertet. „Bis heute schmerzt mich der Vorfall“, sagt die 52-Jährige, die vor vielen Jahren aus Peru nach Freiburg kam, „alles Vertrauen ist weg.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da der durch die Neonazi-Verteidigerin Nicole Schneiders vertretene H. Rechtsmittel angekündigt hat.
Quellen: Radio Dreyeckland, 13.8.2024, VBRG Podcast „Vor Ort“ #44 „Gefährliche Normalität“,
SWR, 17.10.2022, Tagesspiegel
4) Nordrhein-Westfalen, Juni 2024
Angriffe auf Gegendemonstrant*innen beim AfD-Parteitag in Essen
Bei antifaschistischen Protestaktionen gegen den AfD-Bundesparteitag in Essen (NRW) wird die stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD-Jugendorganisation Jusos, Patricia Seelig, am 28. Juni 2024 bei einer Blockade unvermittelt von dem AfD-Kommunalpolitiker Stefan Hrdy (67) direkt ins Gesicht gespuckt. Die Angegriffene beschreibt in einem Interview, wie der AfD-Kommunalpolitiker aus seinem Auto ausgestiegen sei und ihr gezielt ins Gesicht gespuckt habe. Die Angegriffene erstattete Strafanzeige gegen den AfD-Kommunalpolitiker aus dem Rhein-Kreis Neuss und bezeichnete den Angriff in einem Interview als „Ausdruck faschistischen Gedankenguts“, das die AfD mit allen Mitteln durchdrücken wolle. Bei einem weiteren Vorfall wird ein Gegendemonstrant Stefan Hrdy in den Unterschenkel gebissen. Eine Videoaufnahme dokumentiert, wie der AfD-Kommunalpolitiker aus dem Rhein-Kreis Neuss auf eine Blockade von Gegendemonstrant*innen trifft, sein Auto verlässt und auf eine Absperrung zugeht. Dabei stellen sich ihm mehrere Demonstrant*innen in den Weg. Bei dem Tumult gehen Demonstrant*innen und Hrdy zu Boden und der AfD-Kommunalpolitiker umklammert das Bein eines Gegendemonstranten und beißt zu. Während der ehemalige Polizeibeamte sich öffentlich als Opfer inszeniert und den Angriff als Notwehr und Reflexhandeln darstellt, bestätigte er im Gespräch mit einem rechtsextremen Influencer den Biss und machte Witze darüber.
Quellen: ZDF, 29.6.2024, SWR, 2.7.2024 , VG Düsseldorf, 19.6.2024
5) Baden-Württemberg, Juni 2024
Gäste einer Shisha-Bar bedroht: Ermittlungen gegen AfD-Landtagsabgeordneten eingestellt
Nach knapp 12-monatigen Ermittlungen stellte die Staatsanwaltschaft Stuttgart die Ermittlungen gegen einen langjährigen AfD-Landtagsabgeordneten in Baden-Württemberg, nach mehreren Vorfällen ein. Weil er u.a. Gäste einer Shisha-Bar mit einer Softair-Waffe bedroht haben soll, hatte die Staatsanwaltschaft in Stuttgart seit Juni 2023 unter anderem wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz, versuchter Körperverletzung und Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gegen den Parlamentarier ermittelt. Bei einer Durchsuchung von dessen Büro im Stuttgarter Landtag wurden am 16. Juni 2023 ein Jagdmesser und Munition sichergestellt. In Privaträumen des Waffenscheinbesitzers stellten Polizisten u.a. 11 Langwaffen, 3 Softair-Waffen und mehr als 1000 Schuss Munition sicher. Der Abgeordnete musste sich deshalb zeitweilig einer Personenkontrolle unterziehen, bevor er das Parlament betreten durfte.
Quellen: u.a. SWR, 4.6.2024, Südwestdeutscher Rundfunk 9.7.23 und 11.7.23; Focus Süddeutsche Zeitung
6) Niedersachsen, Juni 2024
Eingestellte Ermittlungen nach Drohungen gegen Grünen-Abgeordnete
Ein halbes Jahr, nachdem die Landtagsabgeordneten Djenabou Diallo-Hartmann und Eva Viehoff (Bündnis 90/ Die Grünen) Strafanzeige gegen einen AfD-Abgeordneten wegen des Satzes „Die Grünen müssen abgewählt werden. Die muss man niedertreten und dann weg“ erstattet hatten, stellte die die Staatsanwaltschaft Hannover das Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bedrohung ein. Der Landtagsabgeordnete, der sich nach Kritik entschuldigt hatte, war bereits im September 2023 von dem Landtagspräsidium aus dem Parlament verwiesen worden.
Quellen: u.a. NDR, 24.7.2024, NDR
7) Berlin, April 2024
Fast drei Jahre nach rassistischen Angriff auf Schwarze Musikjournalistin: AfD-Bezirksverordneter rechtskräftig verurteilt
Das Landgericht Berlin bestätigte in einer Berufungsverhandlung am 10. April 2024 die Verurteilung des Berliner AfD-Bezirksverordneten Dr. Kai Borrmann wegen Körperverletzung und Beleidigung. Die Musikjournalistin Steph Karl leidet seit dem rassistischen Angriff im August 2021 unter Schlafstörungen, Angst und Panikattacken. Sie war in einem Café in Berlin-Mitte gemeinsam mit einer Freundin von dem AfD-Politiker – Jahrgang 1966, Islamwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter eines AfD-Abgeordneten im Berliner Abgeordnetenhaus – zuerst wiederholt mit dem N-Wort beleidigt worden. Als die Frauen das Café deshalb verließen, verfolgte der AfD-Funktionär die Frauen, schlug die Moderatorin ins Gesicht und biss ihr in den Arm. Borrmann wurde am 14. Februar 2023 in erster Instanz für den Angriff auf die Musikjournalistin vom Amtsgericht Tiergarten wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen á 60 Euro verurteilt. Das Landgericht Berlin bestätigte die Verurteilung in der Berufungsverhandlung im April 2024 und setzte auf Antrag der Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe in Höhe von 200 Tagessätzen à 50 Euro fest.
Quellen: correctiv, 5.3.2024, Tagesspiegel, 13.1.2023, ND, 14.2.2023, Tagesspiegel
8) Bayern, Februar 2024
Angriff auf Journalisten bei einer Veranstaltung unter Schirmherrschaft von AfD-Landtagsabgeordneten
Ein freier Journalist, der über die Gründung einer AfD-nahen „Interessenvertretung kleinbäuerliche Landwirtschaft“ am 4. Februar 2024 in Sammarei (Landkreis Passau) berichten wollte, wird gewaltsam aus dem Saal gedrängt. Anschließend wird er vom Pächter der Gaststätte, dem Passauer AfD-Stadtrat Robert Schregle, so gestoßen, dass er eine Verletzung am Sprunggelenk erlitt. Schirmherr der Veranstaltung war der AfD-Landtagsabgeordnete Ralf Stadler.
Quellen: u.a. Blog radikaltrivial
9) Sachsen-Anhalt, Januar 2024
AfD-Kreistagsabgeordneter tritt junger Frau in den Bauch
Das Landgericht Halle (Saale) bestätigt in zweiter Instanz am 24. Januar 2024 die Verurteilung des AfD-Kreistagsabgeordneten Sven Ebert (54) aus dem Saalekreis nach einem Angriff eine junge Frau wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung und wies dessen Berufung ab. Der AfD-Politiker und ein weiterer Mann hatten die Angegriffene und ihre Begleiterinnen verdächtigt, im Mai 2021 AfD-Wahlplakate beschmiert zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Umzugsunternehmer vorgeworfen, die junge Frau unvermittelt mit Reizgas attackiert, in den Bauch getreten und ins Gesicht geschlagen zu haben. Das Amtsgericht Merseburg erließ gegen den AfD-Kreistagsabgeordneten und Umzugsunternehmer im Sommer 2023 daraufhin einen Strafbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung, nachdem er zur erstinstanzlichen Verhandlung nicht erschien. Ebert hat Revision gegen das Urteil des Landgerichts Halle eingelegt, darüber entscheidet nunmehr das Oberlandesgericht Naumburg. Der AfD-Kreistagsabgeordnete war zuvor im Dezember 2022 wegen eines Pfefferspray-Angriffs auf Studierende der Universität Halle zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Diese Verurteilung hob das Landgericht Halle in zweiter Instanz auf und stellte das Strafverfahren im August 2024 mit einer Geldauflage von 2.000 Euro ein.
Quellen: u.a. Mitteldeutsche Zeitung, 24.1.2024
10) Schleswig-Holstein, Dezember 2023
Mehrjährige Haftstrafe: Antifaschistische Demonstrant*innen durch ehemaliges AfD-Mitglied verletzt
Nach einem Angriff auf vier antifaschistische Demonstrant*innen verurteilte das Landgericht Kiel am 23. Dezember 2023 den jetzt 23-jährigen Angreifer, der zum Tatzeitpunkt AfD-Mitglied war, wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer dreijährigen Haftstrafe. Die antifaschistischen Demonstrant*innen waren teilweise schwer verletzt worden, als das damalige AfD-Mitglied im Oktober 2020 in Henstedt-Ulzburg (Schleswig-Holstein) mit einem tonnenschweren SUV Pick-Up in mehrere Gegendemonstrant*innen hineinfuhr, die zuvor an einer Protestkundgebung gegen eine AfD-Veranstaltung teilgenommen hatten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Quellen: u.a. Podcast „Vor Ort“ #46: Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg
11) Nordrhein-Westfalen, Dezember 2023
Polizist*innen gefährdet: AfD-Ratsherr kurzzeitig festgenommen
Während einer Ratssitzung in Velbert (Nordrhein-Westfalen) nehmen Polizisten am 12. Dezember 2023 einen Kommunalpolitiker der AfD fest. Der AfD-Ratsherr Roman Mrugalla hatte bei einer Verkehrskontrolle in Dortmund im Vorjahr nicht gebremst, sondern war auf einen Polizisten zugefahren, der sich durch einen Sprung zur Seite retten musste. Einen daraufhin erlassenen Strafbefehl wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu 90 Tagessätzen bezahlte der AfD-Mann nicht, daher war eine Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet worden. Zwei Tage nach seiner kurzzeitigen Festnahme bezahlte der Verurteilte schließlich.
Quellen: Westdeutsche Allgemeine Zeitung und Tagesspiegel
12) Thüringen, November 2023
Angriff auf Journalisten bei einer AfD-Veranstaltung
Ein Journalist der Ostthüringer Zeitung (OTZ) wird bei einer AfD-Veranstaltung am 16. November 2023 in Plothen im Saale-Orla-Kreis (Thüringen) von AfD-Anhänger*innen bedroht und geschlagen. Als der Reporter kurze Zeit später in sein Auto steigt und losfahren will, bemerkt er, dass sich in allen vier Reifen Schrauben befanden, die bis zum Kopf versenkt worden waren.
Quellen: u.a. Mitteldeutscher Rundfunk
13) Bayern, November 2023
Berufungsverhandlung gegen neu gewählten AfD-Landtagsabgeordneten verschoben
Eine für den 8. November 2023 terminierte Berufungsverhandlung vor dem Landgericht München gegen den im Herbst 2023 frisch gewählten AfD-Landtagsabgeordneten Rene Dierkes wird kurzfristig abgesagt: Bei dem Rechtsanwalt war bei einer polizeilichen Kontrolle am Rand einer Bündnis-Kundgebung gegen eine AfD-Veranstaltung mit dem damaligen AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Alexander Gauland am 17. September 2021 in Weilheim ein Pfefferspray beschlagnahmt worden. Dierkes war deshalb in erster Instanz im April 2022 wegen Verstoß gegen das Bayerische Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 80 Euro verurteilt worden. Der Beschuldigte legte Rechtsmittel ein. Weil Dierkes eine Woche vor dem Berufungstermin als Abgeordneter der AfD in den bayrischen Landtag einzog, wurde die Hauptverhandlung verschoben. Dierkes hatte im August 2023 Schlagzeilen gemacht, als er auf Facebook ein Kopfgeld auf die Identifizierung einer Antifa-Aktivistin ausgelobt und ein Foto der Betroffenen geteilt hatte.
Quellen: t-online.de; Süddeutsche Zeitung
14) Nordrhein-Westfalen, November 2023
Ehemaliger Mitarbeiter der AfD-Stadtratsfraktion wegen Angriff in erster Instanz verurteilt
Ein ehemaliger Mitarbeiter der AfD-Fraktion im Kölner Stadtrat wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung und Nötigung im November 2023 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 15 Euro verurteilt, weil er ein Jahr zuvor Teilnehmer*innen einer Demonstration in Köln (Nordrhein-Westfalen) angegangen hatte. Der damals 32-Jährige räumte in einem Teilgeständnis ein, er habe geglaubt, dass die Demonstration gegen die AfD gerichtet gewesen sei. Tatsächlich richtete sich der Protest gegen eine Kundgebung einer verschwörungsideologischen Initiative vor der nahegelegenen ARD-Rundfunkratssitzung. Das Urteil des Amtsgerichts ist nicht rechtskräftig.
Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger
15) Brandenburg, September 2023
Angriffe auf Gegendemonstrant*innen und Polizist*innen bei AfD-Kundgebung
Im Verlauf einer AfD-Kundgebung am 13. September 2023 in Luckenwalde (Brandenburg) kommt es zu mehreren Angriffen: Ein AfD-Kundgebungsteilnehmer beleidigt einen Polizisten rassistisch als „dreckigen K*“ und greift dann anschließend einen Polizisten an. Ein AfD-Anhänger schlägt eine Person, die an einer antifaschistischen Gegendemonstration teilnimmt, nachdem er zuvor erfolglos versucht hatte, mit seinem Fahrrad einen Gegendemonstranten umzufahren. Ein anderer Gegendemonstrant wird gezielt mit einem Laserpointer geblendet.
Quellen: u.a. Opferperspektive e.V.
16) Sachsen, September 2023
Ehemaliger Beisitzer im AfD-Landesvorstand wegen rassistische Misshandlungen in der JVA Dresden verurteilt.
Nach rassistischen Misshandlungen u.a. eines tunesischen Häftlings im Juli 2018 in der JVA Dresden bestätigt das Landgericht Dresden am 22. September 2023 das Urteil der ersten Instanz gegen den ehemaligen JVA-Beamten und ehemaligen Beisitzer im AfD-Landesvorstand Sachsen, Daniel Zabel: Er wird u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt zu einer Bewährungsstrafe von 16 Monaten verurteilt. In einer Chatgruppe von JVA-Bediensteten hatten Zabel und weitere Mitangeklagte mit den Misshandlungen geprahlt. Die Chats seien „unverhohlen von Selbstjustiz und menschenverachtender Gesinnung“ getragen, befand das Landgericht. Daniel Zabel, der im September 2018 den Haftbefehl eines Unschuldigen an die Medien geleakt und damit die rassistischen Mobilisierungen in Chemnitz 2018 befeuert hatte, hat gegen das Urteil Revision eingelegt, über die das Oberlandesgericht Dresden entscheiden muss.
Quellen: Sächsische Zeitung, Opferberatung SUPPORT der RAA Sachsen
17) Bayern, August 2023
Landtagswahlkampf: Ermittlungen wegen Verdachts der Körperverletzung gegen AfD-Politiker
Bei einem nicht genehmigten AfD-Infostand im Landtagswahlkampf in Burglengenfeld (Landkreis Schwandorf) kommt es am 19. August 2023 zu einer Auseinandersetzung zwischen AfD-Wahlkämpfern und einer Gruppe von Menschen, die deren Ansichten widersprachen. Die Kriminalpolizei Amberg teilte mit, man ermittele gegen einen AfD-Politiker wegen Verdachts der Körperverletzung.
Quelle: Bayrischer Rundfunk
18) Bayern, August 2023
Nach Angriff auf Journalisten: Haftstrafe für vorbestraften AfD-Aktivisten
Weil er einen Reporter des Bayrischen Rundfunks bei einer Pressekonferenz des bayerischen Gesundheitsministers zur Corona-Impfpolitik auf dem Münchner Marienplatz im August 2022 ins Gesicht geschlagen hatte, wird ein AfD-Aktivist am 7. August 2023 zu einer zehnmonatigen Haftstrafe verurteilt. Der 24-Jährige befand sich bereits wegen mehrerer Straftaten in Haft, unter anderem hatte er bei einer früheren Gerichtsverhandlung den Hitlergruß gezeigt, außerdem beleidigte er Polizisten rassistisch und homophob.
Quellen: Bayrischer Rundfunk, Tagesspiegel
19) Thüringen, Juni 2023
Polizist*innen angegriffen: AfD-Kreistags-Fraktionsvorsitzender verurteilt
Wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Beleidigung verurteilt das Amtsgericht Mühlhausen Ende Juni 2023 den Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Kreistag Unstrut-Hainisch (Thüringen) zu sieben Monaten und einer Woche Haft auf Bewährung. Iven Görbig hatte im Dezember 2021 bei einer Demonstration gegen Covid19-Schutzmaßnahmen in Mühlhausen randaliert. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Quelle: Mitteldeutscher Rundfunk
20) Thüringen, April 2023
Angriff auf Journalisten bei AfD-Kundgebung mit Björn Höcke und Alice Weidel
Ein Reporter der Ostthüringer Zeitung wurde bei einer AfD-Veranstaltung am 29. April 2023 in Erfurt von einem AfD-Anhänger angegriffen. Filmaufnahmen des MDR zeigen, wie der Journalist, der über die AfD-Veranstaltung mit Alice Weidel und dem Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke berichtete, von einem Teilnehmer der AfD-Kundgebung mit erhobener Faust bedrängt und angegriffen wird. Gegen die Angreifer wird wegen versuchter Körperverletzung ermittelt.
Quelle: Ostthüringer Zeitung
20) Brandenburg, April 2023
Angriff auf Gegendemonstranten
Ein antifaschistischer Protestierer wird von einem AfD-Sympathisant am 26. April 2023 am Rand einer AfD-Kundgebung mit 300 Teilnehmenden in Mittenwalde (Landkreis Dahme-Spree) niedergeschlagen, um ihm eine Fahne mit der Aufschrift “FCK AFD” zu entreißen. Der Angreifer raubt die Fahne.
Quelle: Opferperspektive e.V.
21) Niedersachsen, März 2023
Misogynie und Stalking: AfD-Ratspolitiker bleibt im Amt
Weil er seine ehemalige Partnerin misogyn bedroht und gestalkt hatte, wird ein AfD-Lokalpolitiker aus Salzgitter unter anderem wegen Erpressung und versuchter Nötigung i Ende März 2023 in zweiter Instanz vom Landgericht Braunschweig zu einer Freiheitsstrafe von 17 Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Rat der Stadt hat den AfD-Mann aufgefordert, sein Mandat zurückzugeben, was die AfD-Fraktion ablehnte.
Quelle: Braunschweiger Zeitung
22) Bayern, März 2023
AfD-Landtagsabgeordneter postet Video vom Versuch, Person of Colour aus einem Zug zu stoßen
Am 28. März 2023 veröffentlichte der Passauer AfD-Landtagsabgeordnete Ralf Stadler auf seinem Telegram-Kanal ein Video, das er auf einer Zugfahrt von München nach Passau aufgenommen hatte. Stadler bezeichnet darin zwei Fahrgäste of Colour u.a. als „Pack“ und filmt wie er versucht, eine der Personen aus dem Zug zu stoßen. Auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Landtagsabgeordneten Toni Schuberl teilt die Bayerische Staatsregierung im November 2023 mit, dass ein Vorermittlungsverfahren gegen Stadler wegen des Vorfalls eingestellt wurde.
Quellen: Passauer Neue Presse; Bayrischer Landtag Dr. 18/30533 vom 18.11.2023
23) Baden-Württemberg, Januar 2023
Rechtskräftig: Ehemaliger AfD-Stadtrat verurteilt
Das Oberlandesgericht Karlsruhe verwirft die Revision des ehemaligen Freiburger AfD-Stadtrates Dubravko Mandic gegen ein Urteil des Landgerichts Freiburg, das Mandic im Mai 2022 wegen gefährlicher Körperverletzung zu sieben Monaten Haft auf ein Jahr Bewährung verurteilt hatte. Ausgangspunkt war eine Auseinandersetzung von Mandic und einem Begleiter mit zwei nicht-rechten Fahrradfahrern im Mai 2019, die von Mandic verdächtigt wurden, Wahlkampfplakate der Partei beschädigt zu haben. Ein zufällig vorbeikommender Passant wird dabei von dem ehemaligen AfD-Stadtrat mit einem Tier-Abwehrspray ins Gesicht gesprüht.
Quelle: Tagesspiegel
24) Brandenburg, Dezember 2022
Wegen Freiheitsberaubung: Ehemaliger AfD-Kreistagsabgeordneter in erster Instanz verurteilt
Der ehemalige Kreistagsabgeordnete und Panketaler Gemeindevertreter Marcel Donsch wurde im Dezember 2022 vom Amtsgericht Bernau in erster Instanz wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Donsch musste sich verantworten, weil er gemeinsam mit zwei weiteren Angeklagten in Selbstjustiz einen Mann, dem Bekannte der Angeklagten Stalking vorgeworfen hatten, nach den Feststellungen des Gericht entführt und misshandelt hatte. Das Gericht ging davon aus, dass die drei Komplizen den Mann im Jahr 2015 in einen Lieferwagen gezerrt, entkleidet, gefesselt und in einem Waldstück zusammengeschlagen hatten. Der Kommunalpolitiker, der 2015 in die AfD eintrat und 2019 für die Partei in den Kreistag Barnim (Brandenburg) einzog, war seit Frühjahr 2022 Fraktionsvorsitzender der AfD-Abspaltung „Die Konservativen“. Der Verurteilte beschimpfte den Richter. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Berufungsverhandlung am Landgericht Frankfurt/Oder ist noch nicht terminiert.
Quellen: MOZ, 3.1.2023
25) Niedersachsen, November 2022
Geldstrafe nach Angriff: Ehemaliger AfD-Ratsherr verletzt Linken-Bundestagskandidatin
Die Paderborner Bundestagskandidatin der Linken, Martina Schu, wird im September 2021 bei einer Kundgebung so heftig gegen den Kopf geschlagen, dass sie ein Schleudertrauma erlitt. Der Täter, der damalige Soester Ratsherr und Kreistagsabgeordnete der AfD, Mirko Fischer, hatte an einer AfD-Wahlkampfveranstaltung mit Björn Höcke in Paderborn teilgenommen. Dabei ging er zielgerichtet auf Martina Schu zu, die an einer Gegendemonstration teilnahm, und attackierte sie ohne Vorwarnung. Die verletzte Politikerin will sich nicht einschüchtern lassen. Sie warf der AfD und ihren Mandatsträger*innen vor, „ein Klima der Angst schaffen, um Andersdenkende mundtot zu machen.“ Das Paderborner Amtsgericht verurteilte den 51-jährigen AfD-Politiker im November 2022 wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
Quellen: Opferberatung BackUp, Soester Anzeiger, 29.11.2022, Tagesspiegel
Weitere Informationen und Kontakt:
Für den VBRG e.V.: Heike Kleffner, E-Mail: info@verband-brg.de