Schlussworte der Überlebenden im Halle-Prozess | Closing Statements of the Survivors at the Halle Trial
Wir dokumentieren hier die Schlussworte der Überlebenden des rechtsterroristischen antisemitisch, rassistisch und misogyn motivierten Attentats auf die Synagoge und den Kiez Döner in Halle (Saale) an Yom Kippur am 9. Oktober 2019.
We are documenting the closing statements of survivors of the right-wing terrorist, anti-Semitic, racist and misogynist attack on the synagogue and Kiez Döner in Halle (Saale) on Yom Kippur on October 9th, 2019.
„Mindestens ein Mensch ist hier schuldig. Aber Verantwortung trägt die ganze deutsche Gesellschaft.“
Schlusswort von Jeremy Borovitz
Der berühmte amerikanische Rabbiner Abraham Joshua Heschel schrieb im 20. Jahrhundert einmal über seine Arbeit für die Bürgerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten: „In einer freien Gesellschaft sind einige schuldig – aber alle tragen Verantwortung.“ Während dieses Prozesses habe ich zunehmend ein Verständnis dafür entwickelt, was das bedeutet.
Vor dem Anschlag in Halle hatte ich Sorge, auf der Straße die Kippah zu tragen. Seit dem Anschlag in Halle trage ich die Kippah fast überall. Und ich werde jeden Monat mehrfach mit Antisemitismus konfrontiert: meist in Form hasserfüllter Kommentare unter Bezugnahme auf Stereotypen oder Israel oder – am häufigsten – den Widerhall des Nationalsozialismus, gelegentlich auch in Form von offen gezeigter Aggression.
Dabei muss ich sagen – es sind gar nicht diese Bemerkungen, die mir am meisten zu schaffen machen. Ja, es zermürbt mich. Manchmal zehrt es an den Kräften. Aber was mir wirklich keine Ruhe lässt, ist die Tatsache, dass mir nur ein Mal nach einer solchen Bemerkung jemand zu Hilfe gekommen ist.
Ja, natürlich, manchmal ist niemand in der Nähe, der solche Äußerungen hören kann. Aber in den meisten Fällen habe ich doch das Gefühl, dass die Umstehenden so etwas gar nicht wahrnehmen wollen. Sie wollen nicht hineingezogen werden, schließlich ist es nicht ihr Problem. Außerdem ist ja gar nichts passiert. Denn es waren ja nur Worte – niemand wurde körperlich verletzt.
In seinem Schlussvortrag stellte der Staatsanwalt die Frage: Was ist in der Erziehung des Täters schiefgelaufen? Ich möchte das so beantworten: Hat ihm denn jemals jemand deutlich gemacht, dass die Dinge, die er sagte, falsch waren? Ist ihm irgendjemand aus seiner Familie oder seinem Freundeskreis jemals im Hinblick auf seinen Hass, seine menschenverachtenden Überzeugungen entgegengetreten? Gewalt entsteht nicht einfach so aus dem Nichts – sie schwelt im Inneren, baut sich auf. Je mehr dieser Täter mit seinen Bemerkungen durchkam, desto näher kam er der aktiven Umsetzung seiner schrecklichen Ideologie und abscheulichen Überzeugungen.
In meiner Zeugenaussage habe ich mich zum Teil auf das Vorgehen der Polizei an jenem Tag in Halle konzentriert – und zwar deshalb, weil es genau diese ganz normalen Deutschen – Polizeibeamte, Fahrgäste in der U-Bahn oder Besucher in einem Café – sind, die die Verbreitung von Antisemitismus, Rassismus und Hass beenden müssen.
Als an jenem Tag die Polizei kam und uns eher als Verdächtige denn als Opfer behandelte, machte sie aus den Ereignissen dieses Tages einen außerhalb ihrer Vorstellungswelt liegenden Ausreißer. Es war eine Erweiterung einer klassischen deutschen Strategie: „So etwas kann hier nicht passieren.“ – Genau in dem Moment, als es tatsächlich hier passierte. Die bloße Vorstellung des Anschlags an Jom Kippur war für die deutsche Gesellschaft unvorstellbar – vor, während und nach Halle. Dies steht in Verbindung mit der Weigerung der deutschen Gesellschaft, IHRE Verantwortung zu übernehmen.
Mindestens ein Mensch ist hier schuldig. So viel ist offenkundig. Aber Verantwortung trägt die ganze deutsche Gesellschaft. Die Rechtsanwälte, Richter, Polizeibeamten in diesem Gerichtssaal, die Politiker, ja sogar, die Nebenkläger – wir alle sind verantwortlich dafür, eine bessere, gerechtere Gesellschaft aufzubauen. Eine Gesellschaft, die Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Islamfeindlichkeit und Hass nicht nur politisch, sondern jederzeit bekämpft. Jeden Tag, jede Minute müssen wir unsere Stimme erheben: Wann immer wir etwas sehen, wann immer wir etwas hören, müssen wir uns äußern, müssen wir handeln.
Ein weiteres Halle, ein weiteres Hanau können wir nur verhindern, wenn die guten und anständigen Menschen der deutschen Gesellschaft so etwas nicht noch einmal geschehen lassen.
„Du darfst nicht Teil von unserer Gesellschaft sein. Wir schließen dich aus.“
Schlusswort von Conrad Rößler
Hier sind die Worte, die ich gerne dem Angeklagten, den anderen Anwesenden und jedem, der meine Ansichten zum Prozess hören möchte mitgeben will.
Es liegt in der menschlichen Natur zwischen zwei Gruppen zu unterscheiden. Der eigenen und der Fremden. Beide werden ja nach Situation angepasst. Die eigene Gruppe kann die Familie, die Arbeitskollegen, der lokale Sportverein oder der Freundeskreis sein und jeder von uns versucht, seine Gruppe zu unterstützen und zu schützen. Es gibt einem das Gefühl von Sicherheit zu wissen, dass man nicht allein ist.
Du bist viel allein und hast dir von all den Gruppen, die so ziemlich größten ausgesucht. Deine Nationalität und Hautfarbe. Diese Gruppen wolltest du vor allem schützen, was dir fremd ist. Aber das Attribut, eine weiße Hautfarbe oder Deutsch als Muttersprache zu haben, ist genauso bedeutungslos wie Links- oder Rechtshänder zu sein.
Geschlecht, Sexualität, Nationalität nichts davon kann man sich aussuchen, warum misst Du ihnen also Bedeutung bei? Nur die Handlungen eines Menschen lassen Bewertung zu. Und deine Handlungen lassen uns wie folgt urteilen: Du darfst nicht Teil von unserer Gesellschaft sein. Wir schließen dich aus. Wir wollen deinen Hass nicht teilen. Wir trauern geschlossen um die Opfer deiner Ideologie, aber wir lassen uns nicht auf dein Niveau herab. Wir gestehen dir die Rechte zu, die du anderen verweigern willst. Du hast das Recht zu leben. Nur nicht mehr mit uns. Du wirst viel Zeit haben über dich und deine Ideologien zu nachzudenken. Du wirst deine Taten verarbeiten müssen. Ich hoffe ernsthaft, dass du es bereuen wirst, was du getan hast. Dass du es bereuen wirst, nicht mehr Teil von uns sein zu dürfen.
Dieser Prozess hat gezeigt, welche Ideale wir in unserer Gesellschaft leben wollen. Daher danken ich allen, die den Betroffenen ihre Kraft und Zeit geschenkt haben.“
„In diesem Prozess wurden wir ein ums andere Mal enttäuscht.“
Schlusswort von Jessica Wax-Edwards
Was ist der Zweck dieses Prozesses?
Wir haben ein Video, das das Verbrechen beweist, wir haben es gesehen. Ohne den geringsten Zweifel zu lassen hat der Angeklagte eingeräumt, dass er das Verbrechen begangen hat, ja sogar stolz darauf ist.
Da die „Beweislast“ aus der Gleichung gestrichen ist, herrscht in diesem Gerichtssaal ganz offensichtlich ein Gefühl von „Bringen wir es hinter uns“, es geht nicht um weitere Nachforschungen und darum, welche Fragen noch zu beantworten wären.
Doch dieser Prozess hat einen höheren Zweck und eine weiterreichende Bedeutung: die Bedingungen und Hintergründe zu verstehen und zu hinterfragen, die dieses Verbrechen überhaupt möglich gemacht haben – Bedingungen, die, wenn sie nicht thematisiert werden, weitere Verbrechen dieser Art nach sich ziehen.
Als Nebenklägerinnen und Nebenkläger versuchen viele von uns seit dem Tag des Anschlags, das Geschehene zu verstehen. Wir haben uns in aller Tiefe mit den Wurzeln der Online-Radikalisierung auseinandergesetzt, mit der drohenden und wiederauflebenden Präsenz des Rechtsextremismus in Deutschland (und der Welt), dem darin eingebetteten Sexismus, Rassismus und der hegemonialen Männlichkeit, mit allem, was hier eine Rolle spielt.
Wir sind zu unfreiwilligen Expertinnen und Experten für diese Themen geworden – trotz unserer persönlichen Betroffenheit, trotz unserer anderen Verpflichtungen. Arbeit, Studium, Familie, Freunde, von der Pandemie ganz zu schweigen. Es hätte nicht unsere Aufgabe sein sollen. Doch je weiter der Prozess voranschreitet, desto klarer wird, dass die Aufgabe dennoch bei uns verbleibt. Und wir sind müde.
Zu sehen, wie die sogenannten wahren Experten – die Staatsanwaltschaft, Teile der Nebenklagevertretung, die das Thema Ideologie nicht weiter verfolgen wollten, und allen voran Ermittlerinnen und Ermittler wie das BKA – die Möglichkeit an sich vorbeiziehen lassen, zu untersuchen, was hier genau passiert ist, nicht nur das Wie, sondern auch das Warum – es wirkte herablassend, naiv und schmerzlich kurzsichtig.
Wir haben unsere Zeit darauf verwendet, das Verbrechen zu verstehen, während sich beschämenderweise zeigte, wie die Ermittlerinnen und Ermittler die Arbeit auf ihre Kolleginnen und Kollegen abschoben, wie sie behaupteten, für so etwas nicht verantwortlich zu sein und sich weigerten, auch nur einen Deut über ihr eng gestecktes Aufgabenfeld hinaus zu ermitteln. Offensichtliche und deutliche Verbindungen zu anderen Anschlägen wie dem von Christchurch wurden abgetan.
Wenn die Beamten des BKA über ihre Ermittlungsarbeit berichteten und die Fragen des Gerichts beantworteten, war als Grundtenor ein „Ich habe nur Befehle befolgt“ zu hören. Nicht einmal ansatzweise wurde Verantwortung übernommen, die Herangehensweise ließ keinerlei Initiative oder ein breiteres Verständnis durchschimmern. Ich bin mir absolut sicher, dass ihre Passivität und Gleichgültigkeit gegenüber Rechtsextremismus nicht geeignet ist, sich weiteren Verbrechen dieser Art entgegenzustellen; diese Haltung ist bezeichnend für die Ignoranz, die es dieser Art Terror ermöglicht hat, in unserer Gesellschaft zu gedeihen.
Wir haben uns ihre Entschuldigungen, ihre Versäumnisse und ihre unbeholfene Inkompetenz geduldig und schweigend angehört.
Es ist noch milde ausgedrückt, dass uns ihre unverblümte Nachlässigkeit noch mehr Schmerzen zugefügt hat; den deutschen Institutionen sollte dies Anlass zur Scham sein.
In diesem Prozess wurden wir ein ums andere Mal enttäuscht. Enttäuschend war die Unfähigkeit, die rassistische Sprache zu mäßigen, derer sich der Angeklagte bediente und die auch von einigen der Anwälte in diesem Prozess wiederholt wurde, enttäuschend war die gänzlich fehlende Verantwortlichkeit seitens des BKA, enttäuschend war der Ausschluss einiger Stimmen / Nebenklagen, und die jüngste Enttäuschung war der Kampf darum, hoch relevante Sachverständige vor diesem Gericht zu hören. Wir, die Nebenklägerinnen und Nebenkläger, haben unsererseits so viel Druck wie möglich ausgeübt, damit diese Stimmen Gehör finden, und natürlich wurden einige, nämlich die, die sich mit den weiterreichenden Folgen des rechtsextremen Terrors und dem Internet beschäftigen, nicht zugelassen.
Trotz all der Sinnwidrigkeiten, mit denen wir uns herumschlagen mussten, geht es hier nicht um uns. Aber in vielerlei Hinsicht geht es auch nicht wirklich um ihn. Ihn kann man vergessen, und tatsächlich wird er, wenn das Urteil einmal gefällt ist, mit größter Wahrscheinlichkeit vergessen werden – sogar von seinen Online-Freunden. Vielmehr geht es hier um das große Ganze, und das wird willentlich ignoriert.
Dieser Anschlag war nur einer von einer immer länger werdenden Reihe von Angriffen in Deutschland und im Westen. Es ist nur eine von vielen Gewalttaten gegen Minderheiten, die im letzten Jahrzehnt verübt wurden, und genau wie die Anschläge von Christchurch, Oslo und Poway zielte auch dieser darauf ab, bejubelt und nachgeahmt zu werden. Er war zielgerichtet in der Planung, in der Verunglimpfung der Opfer, der Ermittler, des Gerichts. Er richtete sich direkt an eine globale Community, die für ihre toxische Männlichkeit und ihren Rassismus bekannt ist. Es war ein Anschlag wie aus dem Lehrbuch und ein klares Produkt der Imageboard-Kultur. Das Versagen des deutschen Staates, all dies zu erkennen, macht alles noch verwerflicher und ist schlicht und einfach erbärmlich.
Wie kann es sein, dass die zahlreichen Verbindungen zu Christchurch abgetan werden, nur weil der Angeklagte sich zu seiner Ideologie weniger umfangreich äußerte, oder, wie der BKA-Beamte sich ausdrückte:
Hier lässt sich feststellen, dass der Attentäter von Christchurch umfangreich schreibt… Das ist im pre- action report nun nicht der Fall…
Als würde dieselbe rassistische Ideologie weniger Schaden anrichten, wenn sie knapper oder weniger wortgewandt ausgedrückt wird.
Wie kann es sein, dass Ermittler ohne Kenntnisse der Gaming-Kultur eingesetzt wurden, um genau diese zu untersuchen?
Dieser Anschlag wurde weithin als einer der schlimmsten antisemitischen Angriffe der Nachkriegszeit begriffen, und soweit ich das beurteilen kann, bestand die Antwort des BKA darin, unerfahrene Hochschulabsolventen auf den Fall anzusetzen.
Bezüge auf Memes und Insider-Witze wurden nicht verstanden, weil eine oberflächliche Einschätzung laut Vertretern des BKA „ausreichend“ zu sein schien.
Die Inkompetenz des BKA ist so offensichtlich, dass der Angeklagte den Beamten und ihrem mangelnden Verständnis direkt ins Gesicht lachte.
Wie kann ein Mann sein eigenes Waffenarsenal bauen, zwei Menschen umbringen, zahlreiche weitere verletzen und zu ermorden versuchen, ohne dass seine Motivation, das Umfeld, das ihn geprägt hat, minutiös analysiert werden?
Ganz ehrlich: Die Nebenklägerinnen und Nebenkläger und das Recherche-Team, die die Timemap zum Anschlag von Halle zusammengestellt haben, haben bessere Arbeit geleistet – mit ehrenamtlicher Arbeit, Zeit und Ressourcen.
Dieser Prozess hat nur offengelegt, wie veraltet das Verständnis darüber ist, wie Einzelne sich radikalisieren und wie die extreme Rechte sich organisiert – sichtbar daran, wie das Gericht sich darauf fixiert hat, eine persönliche Interaktion außerhalb des Internet zwischen dem Täter und Neonazi-Gruppen aufzuspüren. Als sich nichts dergleichen feststellen ließ, wurden keine weiteren Anstrengungen unternommen, die Community zu verstehen, die den Täter hervorgebracht und ermutigt hat.
Jetzt, wo wir alle unsere Leben in den Online-Raum umsiedeln – wie kann es diesem Saal so unverständlich sein, dass ganze Gemeinschaften und soziale Identitäten ausschließlich online existieren und schon lange vor Corona auf diese Art existiert haben?
Er ist ganz offensichtlich Teil einer Gemeinschaft.
Diese Gemeinschaft hat eine definierte Sprache und Kultur, einen definierten Code. Sie trifft sich regelmäßig online, tauscht Ideen, Wissen und Ressourcen aus und ist gut organisiert. Es ist eine Gemeinschaft, die diesen Mann nach dem Anschlag als einen der ihren erkannt hat. Sie haben eine klare Vorstellung davon, wer dazugehört und wer nicht, und wieder und wieder haben sie bewiesen, dass sie bereit sind, ihren Ansichten Taten folgen zu lassen.
Dieser Prozess hätte die internationalen Netzwerke des Rechtsextremismus aus dem Schatten zerren können, die weiterhin in Deutschland agieren. Der Prozess hätte uns helfen können, als Gesellschaft eine Antwort auf extremistische Gewalt zu finden. Eine Antwort, die über „nie wieder“ hinausgeht. Es passiert, immer und immer und immer wieder, und es sind keine isolierten Einzelfälle, auch wenn sie als solche behandelt werden.
Wir haben hier gesehen, dass sich das System lieber auf das bequeme Bild der Juden als Opfer und des isolierten Neonazis am Rande der Gesellschaft zurückzieht. Schwarze und muslimische Stimmen werden nur widerstrebend gehört, nur widerstrebend werden sie mit derselben Wichtigkeit und derselben Geltung behandelt, wird der Rassismus erkannt, den sie erleben.
Dieser Prozess hätte die Chance sein können, dem Rassismus in unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen. Den rechtsextremen Terror endlich einmal nicht kleinzureden, sondern zuzugeben, dass seine Wurzeln weit über diesen einen Mann, diesen einen Gerichtssaal, dieses Land hinausreichen.
Dieser Prozess war eine Chance, doch wie sich nach vier Monaten herausstellt, wurde diese Chance nicht ergriffen.
„Wer von denen, mit denen ich aufgewachsen bin, wäre auch zu so einer Tat im Stande?“
Schlussstatement von I. B.
Ich habe mich der Nebenklage angeschlossen, weil ich verstehen wollte, wie es zu so einer Tat kommen konnte. Ich wollte verstehen, wie so ein durchschnittlicher Dorfjunge zu einem hasserfüllten Mörder werden konnte.
Als die Richterin mich bei der Zeugenvernehmung gefragt hat, ob ich mit dem Angeklagten verwandt oder verschwägert bin, habe ich geantwortet: „Nicht, dass ich wüsste“.
Denn die Wahrheit ist, unmöglich wäre das nicht. Die Familie von meinem Vater kommt aus dem Osten, viele leben noch da. Ein paar meiner glücklichsten Kindheitserinnerung sind bei Familienbesuchen in Wallendorf bei Merseburg entstanden. Oft habe ich mich während des Prozesses gefragt, ob wir uns vielleicht als Kinder über den Weg gelaufen sind. Die Welt ist ja bekanntlich oft kleiner als man denkt.
Ab meinem 12. Lebensjahr bin ich selber auf dem Land aufgewachsen, in Niedersachsen. Viele der Beschreibungen von dem Umfeld, in dem der Angeklagte aufgewachsen ist, kamen mir extrem bekannt vor.
In einem ähnlichen Umfeld bin auch ich aufgewachsen.
So oft während des Prozesses habe ich mich an meine eigene Jugend erinnert, an die ausgrenzenden Kommentare und Witze, die so alltäglich und normal waren, dass sie einem noch nicht mal mehr aufgefallen sind. Dieser sogenannte Alltagsrassismus hat sich durch alle Gesellschaftsgruppen gezogen, ob Punks, überzeugte Antifa oder bekennende NPD-Wähler: in ihrer Sprache haben sie sich alle nicht sonderlich unterschieden.
Und so habe ich mich während des Prozesses auch oft gefragt, wer von meinen Bekannten und früheren Freunden von damals wohl letztes Jahr vielleicht den Angeklagten unterstützt hat? Hätte einer von ihnen auch hier auf der Anklagebank sitzen können? Wer von denen, mit denen ich aufgewachsen bin, wäre auch zu so einer Tat im Stande? Kenne ich vielleicht den nächsten Attentäter schon? Und folglich: was hätte ich damals besser machen können, um es zu verhindern? Wann habe ich geschwiegen, wenn ich meine Stimme hätte erheben müssen? Habe auch ich stumm schweigend daneben gestanden, während der Nährboden für solche Taten kreiert wurde?
Hätte es überhaupt einen Unterschied gemacht, wenn ich öfters widersprochen hätte? Ich weiß es nicht.
Nach dem Abitur bin ich nach Israel gezogen. Nicht überraschend hat das zum Kontaktabbruch mit vielen geführt und auch Schwierigkeiten für meine Mutter bereitet, die sich plötzlich so vielen antisemitischen Kommentaren ausgesetzt sah, dass sie bestimmte Nachbarn nicht mehr besuchen konnte.
Wenn ich nach Hause fahre, habe ich kaum Kontakt zu jemanden außer meiner Mutter.
Das ist einfach die Realität heutzutage in Deutschland.
Vielleicht ist das ein Fehler, vielleicht sollte ich mich bewusst dem aussetzten und auch entgegensetzten anstatt mich aus Selbstschutz diesem Umfeld zu entziehen? So oft während dieses Prozess habe ich mich gefragt, was das Umfeld des Angeklagten hätte besser machen können, um diese Tat zu verhindern. Ich fragte mich auch, was hätte ich damals besser machen können? Was kann ich jetzt besser machen?
Ich wünschte, ich könnte jetzt hier mit Antworten vor Ihnen stehen. Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich nach diesem langen Prozess verstehen könnte, wie sich der Angeklagte so entwickeln konnte. Ich wünschte, wir hätten seinen point-of-no-return gefunden: den Zeitpunkt, ab dem der Angeklagte soweit seiner Ideologie verfallen war, dass es kein Zurück mehr für ihn gab.
Und seinetwegen hoffe ich, dass er den noch nicht erreicht hat. Seinetwegen hoffe ich, dass er irgendwann fühlen wird, was er getan hat. Viele werden es naiv finden, aber ich hoffe aufrichtig seinetwegen, dass er Reue finden wird, das wünsche ich mir von ganzem Herzen für ihn.
Warum stehe ich dann vor Ihnen, wenn ich doch nur Fragen habe? Weil ich weiß, dass wir nur alle gemeinsam eine Antwort finden können – oder zumindest hoffe ich das.
„Wir glauben, dass die Seelen von beiden Mordopfern – Jana und Kevin – bei diesen Festen des Lichtes uns von Himmel leuchten werden.“
Schlussstatement von Max Privorozki, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Halle
Hohes Gericht, sehr geehrte Damen und Herren,
in den Plädoyers der Bundesanwaltschaft sowie der zahlreichen Nebenkläger wurde bereits Vieles über die abscheuliche Tat sehr zutreffend gesagt. Ich möchte gern Wiederholungen vermeiden, obwohl das nicht einfach ist. Ein Mord ist ein Mord und ein Mörder ist und bleibt ein Mörder.
Für mich persönlich war es wichtig zu verstehen: Worin liegt die Quelle dieses bestialischen Hasses gegen die Juden bei dem Angeklagten? Und: War er wirklich ein Einzeltäter oder hatte er Mitwisser, geistige Unterstützer oder sogar Komplizen?
Ich meine jetzt Antworten zu haben. Es wird behauptet, dass er sich im Internet in anonymen Online-Foren radikalisiert habe und, wie er selbst einmal sagte, im Jahr 2015 verstanden habe, dass man „die weiße Rasse schützen müsse“. Nach meiner Überzeugung liegt der Ursprung für diesen Hass weder im Internet noch in den Ereignissen vor fünf Jahren. Die Quelle ist die Familie des Angeklagten. Sicherlich steht der Mutter und dem Vater ein Zeugenaussageverweigerungsrecht zu. Es ist schade, dass die Eltern, insbesondere die Mutter, von diesem Recht Gebrauch gemacht haben. Somit haben sie möglicherweise verhindert, zumindest bisher, eine detaillierte Aufklärung zu bieten, wie ein Kind in familiärer Umgebung zu einem Mörder voller Hass und Verschwörungsmythen werden konnte. Ich hoffe dennoch, dass der Rechtsweg für die Klärung der Rolle der Eltern und dementsprechend das einschließende Ahnden nicht ausgeschöpft ist.
Der Attentäter wollte in seinem Hassgewand eine „weiße Rasse“ schützen – was auch immer er unter diesem Begriff verstehen möge. Dabei hat er eine unverzeihliche Spur des Leidens hinterlassen.
Es ist wichtig für ihn zu wissen: Die von ihm gehassten deutschen Juden haben für die zwei von ihm ermordeten deutschen Nichtjuden – Jana und Kevin – ein Denkmal auf dem Synagogengelände errichtet und zwei Gedenktafeln an der Mauer vor der deutschen Synagoge und vor dem deutschen Kiez-Döner angebracht, finanziert gemeinsam mit vielen weiteren deutschen Organisationen und Privatpersonen. Er soll wissen, dass sehr viele deutsche Christen, Muslime und Nichtgläubige, deutsche Weiße und deutsche Schwarze, deutsche Kinder, deutsche Frauen und deutsche Männer nach seinem Attentat den deutschen Juden ihre grenzenlose Solidarität geschenkt haben. Ihm soll bewusst sein, dass er weder jemanden geschützt noch etwas Gutes in seinem Leben vollbracht hat. Mehr noch soll ihm klar sein, dass die deutschen und nichtdeutschen Steuerzahler bisher seine Existenz finanziert haben und, wie zu erwarten ist, es auch bis zu seinem Ableben tun werden.
In zwei Tagen beginnt das Chanukka-Fest, das jüdische Lichterfest. Zwei Wochen nach Chanukkabeginn werden alle Christen Weihnachten, auch ein Lichterfest, feiern. Wir freuen uns auf beide Feste und grüßen unsere Freunde. Denn wir, die absolute Mehrheit der Menschen, mögen Licht und Helligkeit und glauben an G‑tt, der diese Welt hell und fröhlich erschaffen hat. Wir glauben auch, dass die Seelen von beiden Mordopfern des Angeklagten – Jana und Kevin – bei diesen Festen des Lichtes uns von Himmel leuchten werden.
Der Angeklagte hat einen anderen Glauben: Er glaubt an die Verschwörungen, an Hass, an Mord. Er glaubt an Dunkelheit und Finsternis. Jedem steht es frei nach seinem Glauben oder seiner Weltanschauung zu leben. Wir haben das Licht gewählt, der Angeklagte die Dunkelheit. So wird er auch in Zukunft in Dunkelheit leben müssen.
„In diesem Gerichtssaal, werde ich beständig daran erinnert, dass Recht und Gerechtigkeit nicht dasselbe sind.“
Schlusswort von Talya Feldman
Mittlerweile haben wir die Plädoyers der Bundesanwaltschaft und einiger Nebenklagevertreterinnen und -Vertreter gehört, von dem Kiez-Döner, aus Wiedersdorf, Kai’s Garage, von denen, die ins Visier genommen und auf der Straße angefahren wurden, aus der Synagoge. Wir alle sind hier, um Gerechtigkeit in ihren verschiedenen Formen zu finden, für diesen Tag, dieses Böse, das wir alle auf unterschiedliche Art erlebt haben.
Ich habe mich der Nebenklage zu diesem Fall angeschlossen, als mir klar wurde, dass die Bundesanwaltschaft nicht beabsichtigt hatte, die jüdischen Überlebenden aus der Synagoge, also die vorsätzlichen Ziele dieses Anschlags, als Opfer von versuchtem Mord in die Anklageschrift aufzunehmen. Zumindest anfangs nicht.
Und jetzt, nachdem dieser Mann monatelang rassistische und antisemitische Ideologien von sich gegeben hat, wurden Aftax I., Ibrahim und Ismet Tekin immer noch nicht als Opfer versuchten Mordes anerkannt – obwohl es offensichtlich ist, dass sie wegen ihrer Hautfarbe zum Ziel wurden, wegen ihrer Herkunft und wegen ihres Glaubens. Es ist unfassbar entmutigend und niederschmetternd, das zu sehen – zu sehen, dass diese Gerechtigkeit sich noch nicht eingestellt hat.
Hier, in diesem Gerichtssaal, werde ich beständig daran erinnert, dass Recht und Gerechtigkeit nicht dasselbe sind. Wir wissen, was dieser Mann getan hat, seine Motive waren von Anfang an klar. Ich hoffe und vertraue darauf, dass sie ihn für den Rest seines Lebens einsperren. Aber er ist das Symptom einer rechtsextremen, „white supremacist“ Ideologie, die unsere Gesellschaft mit rasanter Geschwindigkeit durchdringt, in die Worte unserer Politikerinnen und Politiker und die Mainstream-Medien sickert – nicht nur hier in Deutschland, sondern auf der ganzen Welt. Wie Conrad R., einer meiner Mit-Nebenkläger, gesagt hat: Dieser Mann hat vielleicht an diesem Tag in Halle alleine gehandelt, aber er hat nicht alleine gedacht. Und auch jetzt denkt er nicht allein.
Keine der hasserfüllten Verschwörungstheorien, die dieser Mann von sich gegeben hat, ist neu. Wir haben jede einzelne schon gehört. Und wir wissen, wohin sie führen. Wir wissen, was passiert, wenn diese Propaganda und diese Sprache sich ungehemmt ausbreiten kann. Deutschland weiß es. Ich weiß es.
Den 9. Oktober habe ich überlebt, weil die Gemeinde in Halle so gut reagiert hat, sie und niemand sonst. Im Moment des Anschlags wusste ich, dass wir tun würden, was getan werden muss, um uns gegenseitig Sicherheit zu bieten, und deswegen hatte ich keine Angst.
Aber seit ich diesem Prozess beiwohne, habe ich Angst bekommen. Und ich bin wütend geworden. Wütend über die vielen Zeuginnen und Zeugen, die völlig unbehelligt ihre beiläufigen Einstellungen zum Thema Rassismus von sich geben, wütend über ihre Weigerung, aufzubegehren, wenn herabwürdigende Begriffe gegen Minderheiten benutzt werden, wütend über ihre eigene Beteiligung in Hassgruppen und an der Verbreitung antisemitischen Gedankenguts.
Wütend auf das BKA – das behauptet, es sei nicht seine Aufgabe, den Kontext zu verstehen, die offensichtliche Verbindung zwischen diesem Anschlag und anderen Formen der online und offline stattfindenden Radikalisierung herzustellen und dass damit letztendlich sagt, es glaubt nicht daran, uns alle in Zukunft vor Gewalt dieser Art zu schützen. Dass sie nicht glauben, dass White-Supremacy-Extremisten, die rassistisch und ethnisch motiviert sind, eine tödliche und beständige Bedrohung in unseren Regierungen, unseren Vollzugsbehörden, unserer Zivilgesellschaft sind – weil das nicht zu ihrer Aufgabe gehört. Und ich bin wütend auf die Polizeibeamten, die in ihren Zeugenaussagen achtlos mit rassistischen Beleidigungen und Stereotypen um sich werfen – und unverschämterweise alles aufzählen, was wir, die Überlebenden, falsch gemacht haben, statt die Schuld einzugestehen, die sie selbst daran hatten, dass so etwas passieren konnte. Wir haben nicht darum gebeten, dass uns das passiert. Und diese Wut, diesen Schmerz, diese Trauer können oder sollten wir nicht alleine ertragen. Diesen Schmerz müssen wir und sie alle ertragen.
Jana Karin Lange. Kevin Schwarze. Sagt ihre Namen. Möge der Verlust und der Schmerz ihrer Familien schwer auf euren Herzen und eurem Gewissen lasten.
An dieser Stelle möchte ich mich direkt an die Presse und die Medien wenden. Dieser Mann nutzt den Prozess als Plattform, um Hass zu verbreiten und zu weiterer Gewalt gegen uns alle aufzurufen. Er wird seine letzten Worte hier als Gelegenheit nutzen, andere zu inspirieren, so wie auch er inspiriert wurde. Machen Sie sich nicht zu Komplizen. Zitieren Sie ihn nicht. Nennen Sie seinen Namen nicht. Zeigen Sie sein Gesicht nicht. Wenn Sie es dennoch tun, tragen Sie die Schuld zu einem Kreislauf der Brutalität beizutragen, der hier und jetzt zu Ende sein muss.
Genug ist genug.
„Warum habe ich seit über einem Jahr Alpträume davon, dass er mich töten wollte und alles so schmerzhaft ist?“
Schlusswort von İsmet Tekin
Sehr geehrte Frau Vorsitzende, Bundesanwaltschaft, Damen und Herren … außer einer Person!
Ich bedanke mich heute sehr herzlich bei der Vorsitzenden. Das ist der erste Prozess in meinem Leben und für mich sehr wichtig.
Bei allem Respekt, ich akzeptiere nicht, was die Bundesanwaltschaft gegen mich gesagt hat. Ich frage die Bundesanwaltschaft: Wenn der Feigling mich nicht töten wollte, dann wäre ich sicherlich zu ihm gegangen und hätte ihn gestoppt. Ich hätte dafür gesorgt, dass er nicht hätte weitermachen und auch noch andere Menschen verletzten konnte.
Warum habe ich seit über einem Jahr Alpträume davon, dass er mich töten wollte und alles so schmerzhaft ist? Außerdem war es ein Polizeibeamter, der gesagt hat, er sei seit 1988 Polizeibeamter und dass er über sieben Monate lang schwer dadurch psychisch verletzt war und noch nicht gesund ist.
Wenn ein gelernter Profi vorbereitet zu einem Einsatz kommt – mit kugelsicherer Weste, mit Waffen – und dann so traumatisiert wird: was können wir als Nebenkläger dann noch sagen? Dann brauchen wir kein Wort zu sagen!
Ich danke für Eure Aufmerksamkeit, außer einer Person.
Die Idee des „Nie wieder“ ist schon gebrochen.
Schlusswort einer Überlebenden aus der Synagoge
Es gab zwei Anschläge auf zwei Synagogen in Halle und auf die zu ihnen gehörenden Jüdinnen und Juden. Jeweils am 9. Tag eines Herbstmonats.Der erste war im November 1938, während des Novemberpogroms.Der zweite war im Oktober letzten Jahres am jüdischen Feiertag Jom Kippur. Wegen dieser beiden sind wir hier.
Es gibt eine historische Verbindung zwischen diesen Anschlägen. Die zweite Synagoge steht heutzutage nur, weil die erste Synagoge am 9. November 1938 zerstört wurde. Dies kann man schon daran erkennen, dass ein Friedhof zwischen der Synagoge und der Straße liegt. Synagogen werden nicht neben Friedhöfen errichtet.
Es gibt auch eine ideologische Verbindung zwischen den beiden Anschlägen: Sie heißt Antisemitismus. Zuvörderst betrifft Antisemitismus Jüdinnen und Juden. Seine zentrale Wirkungsweise ist es, Jüd*innen als die Fremden zu markieren. Es gibt Zeiten, in denen sich die Vorstellung, alles für Fremdgehaltene vernichten zu müssen, ausbreitet. Dies ist in Halle geschehen. Es wurden alle und alles angegriffen, was als „fremd“ definiert wurde, dazu gehörte auch der Kiezdöner.
Der Täter hat sogar auf die Kontinuität in der seine Tat steht hingewiesen, als er am Anfang des Livestreams den Holocaust leugnete und sich zu seinem Antisemitismus bekannte.
Während ich in der Synagoge war und versuchte, mich irgendwie zu schützen und zu verstecken, konnte ich nicht wissen, was er sagte. Ich habe den Livestream nicht gesehen. Doch habe ich ihn auch nicht gebraucht, um zu wissen, dass es immer noch Personen gibt, die gerne in einer – nach ihren Maßstäben definierten – homogenen Gesellschaft leben würden. Diese Idee hat Europa im 20. Jahrhundert geprägt. Sie war der Grund dafür, dass Verwandte von mir in die USA fliehen mussten. Dafür kann ich nur dankbar sein; deswegen bin ich am Leben.
L’dor Va’dor ist ein hebräischer Ausdruck, der in der jüdischen Tradition einen hohen Stellenwert hat. Er bedeutet „von Generation zu Generation.“ Als Kind habe ich mir nie vorgestellt, ich müsste als Jüdin selbst irgendwann einmal um mein Leben fürchten. So etwas gehört der Vergangenheit an, – dachte ich. Was ich nicht verstanden habe ist, dass die Vergangenheit ein Teil unserer Gegenwart ist.
L’dor Va’dor wird oft im Sinne von Lernen benutzt. Die ältere Generation lehrt die Jüngere. Wir sind verpflichten, die Vergangenheit weiterzugeben, damit wir die Zukunft besser machen können.
Als ich mehr über das Konzept der Erinnerungskultur gelernt habe, habe ich das mit der Idee von L’dor Va’dorverglichen. Obwohl die Ideen aus zwei verschiedenen Perspektiven stammen, geben beide Antworten auf die Frage: Wie geht eine Gruppe mit den Ereignissen der Vergangenheit um?
Man könnte sagen, dass die KZ-Gedenkstätten konkrete Antworten auf diese Frage aus der Erinnerungskulturperspektive sind.
Als Austauschschülerin und dann im vergangenen Jahr als FSJlerin in einer KZ-Gedenkstätte, lernte ich vieles über diese deutsche Erinnerungskultur. Zwei Sätze hörte ich fast täglich während meiner Arbeit: “Nie wieder” und “Nie vergessen.”
“Nie wieder” – nie wieder soll Deutschland zur Diktatur werden. Nie wieder soll ein Völkermord geschehen. Nie wieder sollen Menschen, die nicht zur “Volksgemeinschaft” gehören, in Lager eingesperrt werden. Und vor allem sollen nie wieder Jüd*innen und andere Minderheiten um ihre Leben fürchten.
Die Idee des „Nie wieder“ ist schon gebrochen.
Als ich im Januar 2020 bei der Gedenkstunde des Bundestages zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus teilgenommen habe, sagte Bundespräsident Dr. Frank-Walter Steinmeier etwas Bemerkenswertes in seiner Rede:
“Meine Sorge ist, dass wir [Deutsche] die Vergangenheit inzwischen besser verstehen als die Gegenwart. Wir dachten, der alte Ungeist würde mit der Zeit vergehen. Aber nein: Die bösen Geister der Vergangenheit zeigen sich heute in neuem Gewand.”
Zwei Anschläge gehören jetzt zur Vergangenheit. 75 Jahren trennen sie, aber sie sind durch eine auf Hass gegründete Ideologie verbunden.
Nach dem Anschlag habe ich viele Fragen gehabt. In der Zwischenzeit wurden einige beantwortet, aber ich habe noch viele und eine davon lautet: Wie viele Menschen müssen sterben und wie viele Menschen müssen um ihr Leben fürchten, bevor die Mehrheitsgesellschaft versteht, dass Hass auf Minderheiten nicht verschwunden ist?
Unmittelbar nach dem Krieg gab es schon wieder Diskriminierung gegen Jüd*innen! Aber nach dem Krieg gab es auch Jüd*innen, die wieder leben und feiern und genießen wollten, nachdem sie aus dem Leben und der Welt gerissen worden waren.
Für das Judentum ist die Vergangenheit und die Erinnerung daran wichtig. Viele jüdische Feiertage erzählen, was in der Vergangenheit geschehen ist; die Zichronot, Hebräisch für Erinnerungen, bleiben mit uns. Wir müssen uns erinnern, egal ob es etwas Gutes oder Schlechtes ist, damit die zukünftigen Generationen davon lernen können.
Aber es gibt einen großen Unterschied zwischen der deutschen Erinnerungskultur und dem Verständnis von Zichronot imJudentum. Dieser Unterschied ist nicht nur einer von tausenden Jahren, sondern hauptsächlich einer der zeitlichen Perspektive. Deutsche Erinnerungskultur versucht an die Vergangenheit zu erinnern. Die Idee von Zichronot betrifft gleichzeitig die Vergangenheit und die Zukunft. Deswegen sagen wir uns jedes Jahr an Yom HaShoah, dem Holocaust Gedenktag, Yizkor.
Die Bedeutung von Yizkor ist: „Man wird erinnern.“ Das Wort ist etymologisch mit Zichronot verwandt. Aber Yizkor ist grammatikalisch ein Wort der Zukunft und nicht der Vergangenheit, weil es im Futur steht. Es ist ein Versprechen, das jedes Jahr erneuert werden muss. Es ist wie ein Weckruf, der regelmäßig ertönt, damit wir es uns nicht zu bequem machen und anfangen zu vergessen.
Die Idee scheint wie ein Paradox, weil sie gleichzeitig Zeit trennt und Zeit vereint. Genau deshalb hat sie solch eine Wirkung. Erinnerung funktioniert nur wenn man sich erlaubt, die Schreie der Vergangenheit, der Gegenwart und auch der Zukunft zu hören. Keine Zeit existiert für sich ohne den Einfluss der anderen.
Ich bin jung und habe mein ganzes Leben vor mir. Ich kann nicht vergessen, was während des Anschlags passierte. Der Anschlag wird ein Teil meiner Erinnerungen bleiben. Solange ich am Leben bin, kann ich darüber schreiben, was ich erlebt habe. Aber ich leihe meine Stimme nicht nur den sechs Millionen, die nicht mehr sprechen können, sondern auch den Opfern und Überlebenden, die nach dem Kriegsende nicht ernst genommen wurden. Dies kann ich nur tun, weil ich überlebt habe.
Das Schweigen zu Antisemitismus und Rechtsextremismus muss gebrochen werden. Dazu muss die Mehrheitsgesellschaft beitragen.
Zwei Anschläge sind schon zu viel. Lassen Sie es nicht mehr sein.
„Was aus dem Elend jenes Tages erwuchs, ist Solidarität.“
Schlusswort von Naomi Henkel-Guembel
„Es gibt eine Bedeutung jenseits der Absurdität“ – ich wünschte, diese Worte wären meine – aber es sind die von Rabbiner Abraham Joshua Heschel, einem der vielen großen jüdischen Denker und Rabbiner, die aus Deutschland fliehen mussten, um der Shoah zu entkommen. Jemand, der zu einem vehementen Kämpfer für die Menschenrechte wurde. Diese Worte – sie wurden schließlich zu meinen.
Was an diesem Tag, am 9. Oktober 2019 geschah, ist unverständlich. Es ist nicht verständlich, nicht für Sie, Senat. Nicht für uns die Betroffenen. Und nicht für die Familien der Verstorbenen. Nicht einmal für den Typen dort drüben. Oder um es anders zu sagen: Was an jenem Tag geschah, ist absurd – es widerspricht jeglicher Vernunft oder dem gesunden Menschenverstand.
Niemand, aber auch wirklich niemand, sollte um sein Leben fürchten – weder aufgrund von Hautfarbe, Herkunft, Identität, Glaubens oder wen diese Person liebt. Und in der Phantasie der Angeklagten wären wir alle ohnehin tot – und doch sind wir noch am Leben.
Wir. Wir sind am Leben. Und wir trauern um die verlorenen Leben von Kevin Schwarze und Jana Karin Lange. Diese verlorenen Leben – sie sind Teil der Narben, die wir von diesem Tag mit uns tragen.
Aber was tun wenn die Absurdität weitergeht? Wie eine Spirale windet sich die Absurdität immer tiefer und tiefer und die Zahl der Fragen wird immer größer und größer. Die Ereignisse von jenem Tag – sie prägen nun unseren Blick auf die Welt von jetzt an. Wie wir in den Zeugenaussagen gehört haben, hat jeder von uns diesen Tag anders erlebt – und doch haben wir alle gemeinsam, dass dieser Tag uns geprägt hat. Er hat uns gekennzeichnet. Und das tut er bis heute.
„Wie konnte es nur zu diesem Angriff kommen?
Wie konnte es überhaupt einen Zweifel daran geben, dass ich Opfer eines Mordversuchs war?
Wie kann ich von hier aus weitermachen?
Kann ich diesen Ort wirklich „mein Zuhause“ nennen?
Wie kann weniger als fünf Monate später ein weiterer Anschlag stattfinden, der neun Menschen das Leben kostete – ist die Kontinuität des Hasses und Rassismus nicht offensichtlich?
Wie kommt es, dass mein Schmerz nicht gesehen wird?“
Diese Fragen. Das sind nur einige wenige ausgewählte Fragen. Einigen von Ihnen werden sie vielleicht bekannt vorkommen. Wir sollten nicht nur danach streben, Antworten auf diese Fragen allein zu finden, sondern darüber hinaus nach Bedeutung suchen. Nach einem Sinn.
Aber wie macht man das?
רַ֡ק הִשָּׁ֣מֶר לְךָ֩ וּשְׁמֹ֨ר נַפְשְׁךָ֜ מְאֹ֗ד פֶּן-תִּשְׁכַּּ֨ח אֶת-הַדְּבָרִ֜ים אֲשֶׁר-רָא֣וּ עֵינֶ֗יךָ וּפֶן-יָס֙וּרוּ֙ מִלְּבָ֣בְךָ֔ כֹּ֖ל יְמֵ֣י חַיֶּ֑יךָ וְהוֹדַעְתָָּ֥ם לְבָנֶ֖יךָ וְלִבְנֵ֥י בָנֶֽיךָ׃
„(…) Hüte Dich und pass gut auf Dich auf, damit Du die Dinge, die deine Augen gesehen haben, nicht vergisst und sie Dir nicht aus deinem Herzen Zeit Deines Lebens; vielmehr teile sie mit deinen Kindern und deinen Kindeskindern.
(Deuteronomium 4,9)“.
Ich zitiere hier diesen Vers aus der Torah, weil ich der Meinung bin, dass er allgemein wahr ist – unabhängig davon, woran Sie glauben, woher Sie kommen und wirklich unabhängig von jeglichen biographischen Merkmalen. Wir alle tragen die Verantwortung, nicht zu vergessen.
Nicht zu vergessen, was in diesem Gerichtssaal im Zuge unseres Strebens nach Gerechtigkeit geschehen ist. Und für diejenigen, die diesen Tag miterlebt haben sind es die Ereignisse, die uns hier in diesem Saal haben versammeln lassen.
Jedoch muss man, um nicht zu vergessen, ihnen eine Bedeutung geben. Man muss einen Sinn finden.
Dieser Vers. Er zeigt im Wesentlichen, warum ich mich entschlossen habe, Nebenklägerin zu werden: Aus einem Gefühl der Verantwortung heraus – gegenüber der Marginalisierten der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft. Gegenüber meinen Großeltern, die zu eingeschüchtert waren, um ihr Recht einzufordern. Gegenüber den Menschen in meinen Communities und außerhalb von ihnen: Ich möchte, dass sie es wagen, Gerechtigkeit ein zu fordern, wo es Gerechtigkeit bedarf.
Es war zunächst nicht klar, ob die 50 Personen, die an diesem Tag mit mir in der Synagoge waren, ob wir, als Opfer eines Mordversuchs betrachtet werden würden. Über Monate waren wir in der Schwebe und in dieser Ungewissheit. Jetzt sind es Ismet Tekin und Aftax I., die sich in dieser Ungewissheit befinden – auch wenn die Beweise offensichtlich sind. Es zu bezweifeln, erscheint absurd, jenseits aller Vernunft, wie Illil Friedman, Onur Özata und Ismet Tekin selbst während des Prozesses und in ihren Schlusserklärungen immer wieder dargelegt haben.
Ich bin jedoch auch aus einem Gefühl der Verantwortung mir selbst gegenüber der Nebenklage beigetreten – ich möchte nicht, dass die Ereignisse des 9. Oktober 2019 über mich herrschen. Und mein Leben diktieren. Vielmehr wollte ich alle Facetten des Angriffs verstehen und wissen, was ihn ermöglicht hat – all das, um zu heilen. Ich möchte meinen Teil dazu beitragen, das Narrativ dessen, was an diesem Tag geschah, mitzugestalten.
Ich habe deshalb an fast allen Verhandlungsterminen teilgenommen. Ich habe dadurch gesehen, wie Rassismus, Xenophobie und Antisemitismus sich hier, in diesem Gerichtssaal, abgespielt haben. All diese unverblümten und offensichtlichen Äußerungen, aber auch die kleinen Handlungen, Interaktionen und Wortwechsel.
Diese Momente. Sie waren schmerzhaft, qualvoll und Kräfte zerrend. Nicht selten hinterließen sie ein Gefühl der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit. Sie weckten Erinnerungen an diesen Tag. Und die Frage, ob sich die ganze Mühe überhaupt lohnt. An solchen Tagen konnte man mich sehen, wie ich dem Verfahren zuhörte, während ich meine Seele mit den Worten des Buches Esh Kodesh, das heilige Feuer, von Rabbi Kalonymus Kalman Shapira beruhigte, der versuchte, in Zeiten großen Elends im Warschauer Ghetto bei seinen Anhängern Hoffnung zu wecken.
„Im Angesicht von Tod und Trauer habe ich die Kraft gefunden, Glückseligkeit zu finden und habe auch andere zur Freude inspiriert. Als andere meine Fassung und Seligkeit trotz so großer Schwierigkeiten beobachteten, fanden auch sie durch mein Beispiel innere Stärke angesichts ihrer eigenen Schwierigkeiten. Diese innere Stärkung wird selbst die Wirkung haben, Böses in Gutes zu verwandeln“.
– R‘ Kalonymus Kalman Shapira, Esh Kodesh, Predigt vom 21. September 1940.
Auch wenn wir unterschiedlichen Umständen befanden, so komme ich doch immer wieder auf diese Worte zurück. Diese Worte – sie treffen nicht nur auf mich zu, sondern sie spiegeln vielmehr die Stärke, die Entfaltung und die Solidarität wider, die viele der Mitkläger in den vergangenen Monaten an den Tag gelegt haben. Allen Widrigkeiten zum Trotz.
Wir haben einander zugehört und sind näher zusammengerückt. Wir haben Allianzen gebildet und stehen füreinander ein.
Was aus dem Elend jenes Tages erwuchs, ist Solidarität.
Wir lernen immer noch, wie wir mit diesen Narben leben können – an manchen Tagen gelingt es uns besser als an anderen.
Dieser Lern- und Heilungsprozess – er wird mit diesem Gerichtsprozess nicht zu Ende sein. Ich möchte bei dieser Gelegenheit meinen guten Freundin und Mitklägerin, Talya Feldman, zitieren:
„Einige von uns hatten die Chance, unserem Angreifer vor Gericht gegenüberzutreten, andere nicht. Einige von uns haben sich dafür entschieden, direkt mit diesem Übel zu sprechen, und einige haben sich dafür entschieden, auf unterschiedliche Weise zu sprechen – durch Familie, durch Musik, durch Schreiben, durch Kunst. (…) Einige von uns haben Gerechtigkeit in ihren verschiedenen Facetten gefunden, und einige von uns kämpfen immer noch für diese Facetten.
Die Gewalt, deren Zeuge wir geworden sind, sie lastet auf unseren Herzen, aber auch auf unseren Gemeinschaften und auf unserem Land.
Aber wir sind hier, wir bleiben hier, und wir werden weitermachen“.
Ich möchte da enden, wo ich begonnen habe:
„Es gibt einen Sinn jenseits der Absurdität. Seid Euch sicher, dass jede kleine Tat zählt, dass jedes Wort Kraft hat und dass wir alle unseren Teil dazu beitragen können, die Welt zu verbessern, trotz aller Absurditäten, aller Frustrationen und aller Enttäuschungen. Und vor allem denkt daran, dass der Sinn des Lebens darin besteht, das Leben so zu leben, als wäre es ein Kunstwerk“.
Diese Worte waren einst Heschels, doch nun wurden sie zu meinen.
Und ich hoffe aufrichtig, dass sie auch zu Ihren werden.
Dass sie zu Ihren werden – während wir versuchen dieses Böse in etwas Gutes zu wandeln und uns weiterhin für eine gerechtere und offene Gesellschaft einsetzen.
„Deutschland hat ein Antisemitismus- und Rassismusproblem.“
Schlusswort von Christina Feist
Hoher Senat, liebe Nebenkläger und Nebenklägerinnen, sehr geehrte Damen und Herren,
Erlauben Sie mir einen kleinen Rückblick: Ich habe in den letzten fünf Monaten seit Prozessbeginn immer wieder Nachrichten über Social Media erhalten. Am Anfang und über den Sommer hin, waren das Nachrichten, die die Ereignisse des 9. Oktober 2019 verharmlosten, meine Wahrnehmung und Einschätzung der aktuellen politischen Situation in Deutschland in Frage stellten. Es waren aber auch ehrlich erstaunte Nachfragen von Menschen, die in Deutschland leben und einfach nicht glauben können, dass es um die Demokratie und die offene Gesellschaft in diesem Land wirklich so schlimm bestellt ist. Das sind Menschen, die nicht wahrhaben wollen, dass rechte Ideologien in Deutschland nach wie vor Verbreitung finden, dass Antisemitismus und Rassismus auch nach der Shoah noch immer tief in dieser Gesellschaft verwurzelt sind. Vor wenigen Wochen dann, erhielt ich die erste offen antisemitische und frauenfeindliche Hassnachricht. Aus „Was wollt ihr eigentlich, euch Juden ist doch eh nichts passiert?“ wurde ganz schnell „Fick dich, scheiß Jüdin“. Im Juli, nach dem ersten Verhandlungstag, hatte mir eine Userin auf Facebook die Frage gestellt, ob es denn in Deutschland wirklich so schlimm sei? Diese Frage möchte ich heute noch einmal beantworten: „Ja, ist es.“
Deutschland hat ein Antisemitismus- und Rassismusproblem. Das ist eine Realität, die wir nicht länger verweigern können. Das ist eine Erkenntnis, die spätestens dieser Prozess gebracht hat. Obwohl es diese rechten Ideologien nun schon lange gibt, wird deren Existenz dennoch immer wieder in Frage gestellt und deren Gefahr und Ausmaß verharmlost.
Auch das immer wiederkehrende Narrativ vom sogenannten armen irren Einzeltäter wurde in diesem Prozess ein für alle mal widerlegt. Allerdings nicht durch die Aussagen der Beamten und Beamtinnen des Bundeskriminalamts (BKA) und der Polizei, sondern durch die geladenen Sachverständigen Karolin Schwarze, Journalistin; Benjamin Steinitz, Vorsitzender der Recherche- und Informationsstelle für Antisemitismus; und Matthias Quent, Gründungsdirektor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft in Jena.
Anfang September hatte ich in meiner Zeugenaussage darüber gesprochen, dass ich wegen des Umgangs der Polizei mit uns Betroffenen am Tag des Attentats selbst, jegliches Vertrauen in Deutschland und den Rechtsstaat verloren habe. Daran hat sich im Verlauf dieses Prozesses bisher auch nichts geändert.
Der unglaubliche Unwille, mit dem die meisten der geladenen PolizeibeamtInnen sowie MitarbeiterInnen des BKA hier in den Zeugenstand getreten sind; und deren erschreckendes Unwissen hinsichtlich online Radikalisierung, das hier zu Tage getreten ist, haben mir die Hoffnung genommen, dass es auch besser oder zumindest anders geht.
Ich habe in den letzten Monaten sowohl hier im Gerichtssaal als auch davor immer wieder über Verantwortung gesprochen. Der Anspruch, dass Sie, hohes Gericht, wie auch Sie alle, die Sie in diesem Saal sitzen, stellvertretend für Deutschland – und zwar für PolitikerInnen und Gesellschaft – Verantwortung übernehmen, ist fast schon unverhältnismäßig. Aber eben nur fast.
Denn genau so wie wir, sind auch Sie ein Teil Deutschlands. Wir, die Betroffenen, die Nebenkläger und Nebenklägerinnen in diesem Prozess, haben es auf uns genommen, trotz Trauma, trotz Müdigkeit und Erschöpfung, auszusprechen, was die Mehrheit da draußen nicht wahrhaben will: Der Angeklagte ist kein Einzeltäter.
Das Attentat vom 9. Oktober 2019 war kein Einzelfall. Antisemitismus, Rassismus und Frauenfeindlichkeit sind keine neuen Erscheinungen und erst recht keine Missverständnisse, sondern Teil einer rechtsradikalen Ideologie, die die Demokratie fortwährend gefährdet.
Wer sich diesen Realitäten nicht stellt, bagatellisiert Gefahr und Ausmaß rechter Ideologie. Wer diese Realitäten weiterhin stur verneint, verharmlost die Niederträchtigkeit eines Attentats, wie dem in Halle, und verhöhnt damit in letzter Konsequenz auch die Betroffenen und Hinterbliebenen. So kann es nicht weiter gehen.
„Bei dem Attentat hat es mich als Jüdin getroffen. Aber die vom Angeklagten repräsentierte Gesinnung trifft mich auch als Migrantin, als Frau und als Teil der deutschen Gesellschaft (…).“
Schlusswort von Anastassia Pletoukhina
Sehr geehrte Damen und Herren,
Verehrte Richterinnen und Richter,
Anwältinnen und Anwälte der Nebenklage
Betroffene
Sehr geehrte Vertreter _innen der Öffentlichkeit
Seit dem 9. Oktober 2019 habe ich verschiede Phasen des persönlichen Zustandes, öffentlichen Verhaltens und Vertrauens in unsere Demokratie und meiner Einstellung zu dem kollektivierenden Begriff „WIR“ durchlaufen.
Die erste Phase war durch das Überleben gekennzeichnet. Wir haben den Anschlag überlebt und haben noch Monate danach das Adrenalin in unseren Adern gespürt, das immer wieder mich persönlich dazu getrieben hat, lauthals zu schreien: „Uns zermürbst du nicht, verfluchter Antisemitismus“, „Uns kriegst du nicht klein“ „Wir gehen stärker daraus, als wir davor waren“, „und nein! Wir haben keine Angst“- haben wir und auch ich laut in jedes uns vorgehalte Mikrophon fast wie ein Mantra immer wieder gesagt. Dann im persönlichen Setting unter einander waren es die gängigen Fragen: „Und, wie sieht es aus mit den Panikattacken? Ist es immer noch schwer in engen Plätzen zu sein? Kannst du inzwischen wieder gut schlafen? Hast du schon eine gute Therapeutin oder Therapeuten gefunden? Passt du denn auf dich gut auf?“ Zusammen haben wir geschwiegen und gelegentlich zusammen schweigend geweint.
Doch dann traten andere Phasen ein. Ein emotionales Tief, Realisierung dessen, was mit uns geschehen ist, Wiedereingliederung in den Alltag, die immer noch schrittweise vorangeht, Reaktionen der Nächsten und der Öffentlichkeit.
Ich habe es beobachtet, wie für einige Betroffene und auch für mich es persönlich schwer wurde, mit Freund_innen und auch mit den Eltern über die Geschehnisse vom 9. Oktober zu reden. Alle haben so unterschiedliche Gefühle gehabt, mit denen wir dann doch jeweils alleine waren. Ich suche immer noch Worte für meine Gefühlslage und wie sie sich in meinem Alltag manifestiert.
Doch am meisten verstörend fand ich den Versuch vieler meiner Bekannten so zu tun, als ob der Anschlag sich nicht ereignet hätte oder er nicht etwas war, was Menschen mit echtem Leben, echten Plänen für die Zukunft betroffen hätte. Als ob er nicht Personen betroffen hätte, die sie persönlich kennen. Irgendwann wurde mir klar, dass es die Angst ist, die diese Menschen stumm macht. Angst zu fühlen, Angst zu fragen, Angst zu hinterfrage: sich, die eigene Familiengeschichte, die Gesellschaft und das berühmte „Nie wieder“. „Ist das „Nie Wieder“ doch zu einem „Schon Wieder“ mutiert, während wir geschlafen haben?
Auch ich habe Angst vor dieser und vor allem vor der letzten Frage. Ich bin aber schon geübt, um genau diese Angst zu artikulieren. Ich habe eine Sprache dafür und Erfahrung sie zu benutzen. Ich weiß diese Fragen an mein Umfeld und die Gesellschaft zu stellen. Nun ist es an der Zeit, dass auch anderen diese Sprache für sich finden, sich ihren Ängsten stellen und es lernen, diese zu artikulieren, bevor sie zu Verleugnung und Hass mutieren.
Die Gruppe der Überlebenden des Anschlags auf die Synagoge ist im vergangenen Jahr medial und gesellschaftlich sowohl in Deutschland, aber auch darüber hinaus sehr aktiv und präsent gewesen. Auch ich habe dieses Sprachrohr genutzt, um genau über die soeben erwähnten Ängste zu sprechen. Doch nicht nur zu reden ist mir wichtig, sondern nach Handlungsansätzen zu suchen und Vorschläge zu machen, wie wir das Schulsystem optimieren können, wie die Polizei sich noch bessern kann, was von der Politik zu erwarten wäre. Es waren uns allen unterschiedliche Themen wichtig, doch eines hatten wir gemeinsam: die Wahrnehmung des Unrechtes zu verstärken, das sowohl uns als Juden und Jüdinnen widerfahren ist, aber auch uns als Migrant_innen, Frauen, Personen, die von Rassismus betroffen sind und als Mitgliedern der Gesellschaft, in der es möglich war. Für mich persönlich reihte sich dieses Ereignis in bereits seit Jahren bestehende Muster des rechten Terrors, das in Wellen mal aggressiver mal subtiler doch immer in meiner Wahrnehmung präsent war. Sowohl für mich als Jüdin aber auch für eine Person mit einem unmissverständlich slawisch klingenden Namen.
Ja, wir sind leider Expert_innen in Fragen Benachteiligung und Ausgrenzung. Wir haben als Bürger_innen dieser Gesellschaft schon 1000 Mal überlegt, was sich ändern kann, doch wer hörte uns wirklich zu?
Und doch schien der Anschlag vom 9.Oktober ein Wendepunkt zu sein. Leider wurde die Brisanz des rechten Terrors erst durch den Anschlag in Hanau vom 19.2.2020 wirklich deutlich und konnte nicht mehr auf die Einzelfälle reduziert werden.
Ich bin zwar Sozialwissenschaftlerin, aber auch sehr praktisch orientierte Sozialpädagogin und die wichtigsten Fragen sind für mich immer: Und jetzt? Was machen wir damit? Wie wenden wir die Erfahrung an, welche Schlüsse ziehen wir daraus und machen unsere Gesellschaft zu einem gerechteren Miteinander?
Dieser Prozess ist für mich eine Möglichkeit, geschlossen gegen die Unmenschlichkeit aufzustehen; eine Gelegenheit, einige verantwortungstragenden Systeme des Staates zu Empathie aufzufordern, gegen die Objektivierung der Betroffenen entgegenzuwirken, Kontinuität der Gewalt, des Wegschauens und des Relativierens auf allen gesellschaftlichen Ebenen aufzuzeigen.
Mir als in Deutschland lebende Person ist es bei dem Prozess nicht nur die Verurteilung des Angeklagten wichtig, sondern auch die Aufdeckung von strukturellen Schieflagen und Schwachstellen, die Sensibilisierung der Öffentlichkeit für die Alltäglichkeit des Antisemitismus, Rassismus, Chauvinismus und vor allem für den leider allgegenwärtigen Mangel an Empathie für einander, Mangel an Kritikfähigkeit und Reflexionsvermögen über das eigene Handeln, und beständige Angst zu fühlen und mitzufühlen, die eigene Familiengeschichte zu reflektieren. Ein ständiger Versuch sich hinter politisch korrekten Aussagen zu verbarrikadieren und just im selben Moment sie zu verraten, indem nicht entsprechend gehandelt wird.
Ja, es ist schmerzhaft, aber da müssen wir als Gesellschaft durch, wenn wir unsere demokratischen Werte erhalten wollen.
Wir sprachen von Erinnerungskultur, Lippenbekenntnissen der Politik und Dominanz der Gehorsamkeit der Obrigkeit gegenüber, die häufig an Stelle des Mitgefühls dem Individuum tritt.
Diese Erscheinungen sind maximal entfernt von dem Menschen und vom „Sehen“ eines Menschen. Dabei haben wir im Laufen des Prozesses feststellen können, wie komplex die Biografie eines Menschen ist und wie viele Ereignisse, Personen und Umstände dazu führen, dass einer zur derartigen Handlung greift, die im Zentrum dieses Prozesses steht. Ich bin Biografieforscherin und betrachte die Biografien der Einzelnen als eine individuelle Entwicklung im Kontext der Gesellschaft in der die Biografieträger_in lebt, sich bewegt und handelt. Eine Biografie kann ein Lackmusstreifen für die gesellschaftlichen Entwicklungen sein und uns genau zeigen, woran wir in der Gesellschaft in der wir leben, sind. Jede Biografie ist wichtig und auch die vom Angeklagten hat Regelmäßigkeiten aufgezeigt, die seine Handlung, seine Entwicklung, aber auch Einflüsse von außen und die Rahmenbedingungen erklären, die letztendlich zum Attentat führten. Die Rahmenbedingungen und die strukturellen Einflüsse sind aus meiner Sicht genau die Stellen, an denen wir gesellschaftlich ansetzen können und müssen.
Ich werde regelmäßig gefragt, was es für mich als Person mit einer jüdischen Biografie bedeutet jüdisch zu sein. Es bedeutet für mich jeden Tag mich zu entscheiden nach dem jüdischen Gesetz zu leben und im öffentlichen Raum als Jüdin aufzutreten. Ich entscheide mich jeden Tag Jüdin zu sein, was schöne Traditionen und eine starke Gemeinschaft bedeutet, aber auch diversen Ausprägungen von Ressentiments und Hass entgegenzutreten.
Mehrfach wurden die Nebenkläger_innen nach ihren Aussagen im Gericht gefragt, ob sie denn auch weiterhin in Deutschland leben bleiben möchten. Die Frage richtete sich dabei in erster Linie an jüdische Nebenkläger_innen, so als ob es nur für die Juden und Jüdinnen eine Frage der Möglichkeit ist. Beinahe eine Erwartung, dass sie es sich noch einmal überlegen. Oder die Angst, dass sie es sich noch einmal überlegen? Die berühmten gepackten Koffer.
Ich habe von diesem Prozess erwartet, dass er berührt. Menschen, die ihn entweder eng verfolgen oder auch nur ab und zu etwas in den Nachrichten oder auf Social Media mitbekommen, zum Mitfühlen und Nachdenken bringt, in welcher Gesellschaft wir leben, und welche Verantwortung jede und jeder von uns in dieser und für diese trägt.
Bei dem Attentat hat es mich als Jüdin getroffen. Aber die vom Angeklagten repräsentierte Gesinnung trifft mich auch als Migrantin, als Frau und als Teil der deutschen Gesellschaft, die so vielfältig und divers ist, dass jede und jeder von uns irgend einer Minderheit gehören kann, die unter Umständen für Benachteiligung markiert werden kann. Fragen wir dann alle Angehörige der Gesellschaft: „Wollt ihr nach dem Attentat in Deutschland bleiben“?
Ich spreche für mich und sage: Ja, ich will hier in diesem Land bleiben. Ich stelle aber einige Bedingungen. Und sie lauten: Zuhören, Ernstnehmen, reflektieren, Fehler bekennen und im Sinne der Demokratie handeln. Doch in erster Linie den Menschen sehen und keine Angst vor dem Mitfühlen haben.
“At least one man is guilty. But all of German society is responsible.”
Closing Statement by Jeremy Borovitz
The famed 20th century American Rabbi Abraham Joshua Heschel once wrote, in response to his work in the Civil Rights movement in the United States: “In a free society, some are guilty, but all are responsible.” Over the course of this trial, I have begun to feel this more and more.
Before Halle, I was afraid to walk down the street with a Kippah. After Halle, I walk mostly everywhere with a Kippah. And at least a few times a month, I am confronted with an anti-Semitic incident. Mostly it comes in the form of hateful comments, related to stereotypes or Israel or, most popularly, echoes of the Nazi past. Occasionally it comes in the form of shows of aggression.
And I have to say—it is not the comments that bother me the most. Yes, they wear me down. It is sometimes exhausting. But what bothers me most is on only one occasion has anyone else come to my defense after one of these comments.
Sure, sometimes there is no one around to hear them. But most of the time, I get the feeling that they don’t want to hear them. They don’t want to get involved. It isn’t their problem. And besides, nothing happened anyway. It was just words, no one got physically injured.
The prosecutor asked in his closing statement the question: where in the perpetrator’s education did he go wrong? My answer is: did anyone ever tell him that the things he was saying were wrong? Did anyone of his family, his friends, confront him on his hatred, on his vitriolic beliefs? Violence doesn’t appear out of nowhere. It simmers inside, it builds, and the more this perpetrator was able to get away with his comments, the closer he came to acting on his horrific ideology and beliefs.
In my testimony, I often focused on the actions of the police that day in Halle. And that is because it is the average German citizen—the policemen as well as the passenger on the ubahn or the pedestrian at the cafe—who are the ones who need to stop the spread of antisemitism, racism, and hatred.
When the police came in that day and treated us more like suspects than as victims, they isolated the events of that day into an aberration. It was an extension of a classic German strategy—’it couldn’t happen here’—in the exact moment that it WAS happening here. The whole concept of the attack on Yom Kippur was inconceivable to German society before Halle, during Halle, and after Halle. And this is tied to German society’s refusal to accept THEIR responsibility.
At least one man is guilty. This much is clear. But all of German society is responsible. The lawyers, the judges, the police in this courtroom, the politicians, even my fellow coplaintiffs—we are all responsible to create a better and more just society. A society that combats antisemitism, racism, xenophobia, islamophobia, and hatred not on a political basis but on an hourly basis. Every day, every moment, we must speak out. If we see something, if we hear something, we must say something, we must do something.
The only thing that will prevent another Halle, another Hanau, is for the good and decent people of German society to refuse to allow it to happen.
“You cannot be part of our society. We exclude you.”
Closing words by Conrad Rößler
This is what I would like to say to the defendant, to the other people present here and to anyone who would like to hear my views on the trial.
It is human nature to distinguish between two groups. Our own group and other people who are outside our circle. Both groups are adjusted depending on the situation. Our own group can be our family, work colleagues, the local sports club or our circle of friends and each of us tries to support and protect our own group. Knowing we are not alone gives us a sense of security.
You are on your own a lot and have chosen what are perhaps the largest of all the groups: that of your nationality and skin colour. You wanted to protect these groups from everything that you find foreign. But the attribute of having white skin or German as your mother tongue is just as meaningless as being left-handed or right-handed.
Gender, sexuality, nationality – none of these can be chosen, so why do you attach importance to them? The only thing that can be judged is how someone acts. And your actions allow us to make the following judgement: You cannot be part of our society. We exclude you. We do not want to share your hatred. We are united in mourning the victims of your ideology, but we will not descend to your level. We recognise rights for you that you want to deny to other people. You have the right to live. Just not with us anymore. You will have a lot of time to reflect on yourself and your ideologies. You will have to come to terms with your deeds. I sincerely hope that you will regret what you have done. That you will regret no longer being allowed to be part of us.
This trial has shown which ideals we want to live out in our society. For that reason, I would like to thank everyone who has given their time and energy to the people affected.”
“In this trial, we have been disappointed time and again.”
Closing Statement by Jessica Wax-Edwards
What is the purpose of this trial?
We have video evidence of the crime, we watched it. The defendant has acknowledged without a doubt that he is the perpetrator of the crime and even takes pride in it.
With much of this ‘burden of proof’ removed from the equation, there is a palpable attitude in this courtroom of ‘let’s tie this up’ rather than probing further and identifying which questions are still to be answered.
But this trial has a greater purpose and bigger meaning. To understand and challenge the conditions and contexts that made this act possible, conditions that will, unless addressed, continue to engender further crimes of this nature.
As co-plaintiffs many of us have been trying to understand this event since the day it happened. For our part, we’ve dug deep into the root of online radicalisation, the looming and once again growing presence of far right extremism in Germany (and globally), the embedded sexism, racism and hegemonic masculinity that all comes into play here.
We have become involuntary experts on these topics – despite the personal impact, despite our other commitments. jobs, study, family, friends, not to mention a global pandemic. This shouldn’t have fallen to us. But as the trial goes on it is clear that it has. And we are exhausted.
To see the so-called actual experts – the prosecution, those co-plaintiff lawyers who didn’t want to investigate the ideology any further and worst of all the criminal investigators such as the BKA,– neglect the opportunity to properly assess what happened here – the why as well as the how – has felt dismissive, naïve and painfully short-sighted.
While we spent our time trying to understand the crime, it was shameful to observe the criminal investigators who passed the buck to their colleagues, claimed they weren’t responsible for such things and refused to investigate anything beyond their narrowly prescribed remit. Obvious and clear associations with other attacks like Christchurch were diminished.
Listening to the agents of the BKA report on their investigation and respond to questions from the court was reminiscent of “Ich habe nur Befehle befolgt”. Not an ounce of responsibility assumed, not a hint of initiative or broader understanding conveyed by their approach. There is no doubt in my mind that their passivity and indifference towards right wing extremism will do nothing to prevent further crimes of this nature and is highly indicative of the ignorance that has enabled this type of terror to flourish in our society.
We’ve patiently and silently sat through their excuses, their shortcomings, their bumbling incompetence.
It is no understatement to say that their outright negligence has caused us further pain and should be a source of shame for German institutions of authority.
In this trial, we have been disappointed time and again – by failure to moderate the racist language deployed by the defendant and replicated by some of the lawyers during this trial, by the total lack of accountability on the part of the BKA, by the exclusion of certain voices/co-plaintiffs, and most recently by the struggle to have highly relevant expert witness heard by this court. We the co-plaintiffs have instead taken great pains to apply serious pressure so that these voices are heard and some, of course, those on the broader reaching consequences of right wing terror and the internet were not accepted.
Despite all of the nonsense we’ve had to deal with, this is not about us. But in many ways, it is not really about him either. He is completely forgettable and in fact after the sentencing is over he will most likely be forgotten – even by his online peers. Instead there is a bigger picture here that is being wilfully ignored.
This attack was just one in a growing list of attacks in Germany and the West. It is one of many incidents of violence against minorities that have happened in the past decade, and its aim was explicitly to be celebrated and replicated just as Christchurch, Oslo, and Poway are. It was purposeful in its set up, in its trolling of its victims, of the criminal investigators, of the court. It was directly addressing a global community that is known for its toxic masculinity and its racism. This attack was textbook and a clear product of imageboard culture. The failure of the German state to recognize this is all the more damning and quite frankly pathetic.
How can it be that the abundant connections to Christchurch are dismissed because the defendant was less extensive with regard to ideology or as the agent of the BKA put it:
Hier lässt sich feststellen, dass der Attentäter von Christchurch umfangreich schreibt… Das ist im pre action report nun nicht der Fall…
As if the same racist ideology becomes less harmful dependent on volume or verbosity.
How is it possible that investigators with no knowledge of gaming culture were assigned to investigate just that?
This attack was widely deemed one of the worst antisemitic attacks in the post-war era and as far as I can tell the BKA responded by putting inexperienced graduates on the case.
References to memes and inside jokes were missed because a shallow understanding seemed “sufficient”, according to representatives of the BKA.
The incompetency of the BKA is so clear, that the defendant was laughing in their faces for their lack of understanding.
How can a man build his own arsenal, kill two people, injure and attempt to kill many more, and his motivations, the environment that shaped him are then not meticulously dissected?
Frankly those co-plaintiffs and researchers who put together the Halle Timemap resource did a better job – and this was entirely volunteered work, time and resources.
This trial has only served to expose an outdated understanding of how individuals are radicalised and how the far right organises itself, evidenced by the court’s obsession with trying to find in-person offline interaction with neo nazi groups by the perpetrator. When none such were found no further attempts were made to understand the community that produced and encouraged him.
As we all migrate our lives to the online realm how can it be so unclear to this room that entire communities and social identities exist exclusively online and have done so since well before Corona?
He is quite plainly part of a community.
This community has a defined language, culture, and code. It gathers regularly online, exchanges ideas, knowledge, and resources, and is highly organized. It is a community, that after the attack, has recognized this man as their own. They have a clear understanding of who belongs and who does not, and time and again they have shown they are willing to act on their beliefs.
This trial could have shed light on the global networks of right-wing extremism that continue to operate within Germany. It could have helped us, as a society to formulate a response to extremist violence. A response that goes beyond “nie wieder”. It is happening again and again and again and these are not isolated incidents – though they are treated as such.
We’ve seen here that the system would rather rely on the comfortable trope of the Jewish victim and the fringe neo nazi. There is a reluctance to hear black and Muslim voices and to treat them with the same importance and validity, to acknowledge the racism they experience.
This trial could have been an opportunity to confront the racism in our society. To, for once, not minimize right-wing terror but to acknowledge that its roots stretch beyond this one man, this courtroom, this country.
This trial was an opportunity, as it turns out 4 months later it was an opportunity missed.
“Who of the people I grew up with might also be capable of such a crime?”
Closing Statement of I. B.
I decided to become a co-plaintiff because I wanted to understand how something like this could happen. I wanted to understand how an average country kid could become a hate-fuelled murderer.
When I testified as a witness the judge asked me, if I was related to the defendant, my reply to her was “Not that I am aware of”. Because the truth is, it is not impossible. My father‘s family is from East-Germany a lot of them still live there. Some of my happiest childhood memories are connected to family visits in Wallendorf near Merseburg. So many times during the trial I would ask myself if maybe we ever crossed paths as children. After all, we all know that so often the world is so much smaller than one might think.
From the age of 12 years onwards I myself grew up in the countryside, in Lower Saxony. The descriptions of the social environment in which the accused grew up were very familiar to me.
I grew up under similar circumstances.
So many times during the trial I was reminded of my own upbringing. The derogatory comments and jokes that were so ordinary and so normal that you didn’t even notice them any more. This so-called “Alltagsrassismus” [everyday racism] pervaded all sectors of society. It didn’t matter if they were staunch Antifas, punks, or professed NPD-voters: they all pretty much used the same language.
And so during the trial I often found myself wondering who of my old acquaintances and former friends from back then may have supported the actions of the accused last year?
Could this have been one of them sitting there? Who of the people I grew up with might also be capable of such a crime? Do I maybe know the next perpetrator already? And if so, what could I personally have done better back then to prevent it?
When was I silent, when I should have spoken out?
Was I also standing silently by while the foundations for such an attack were being laid?
Would it even have made a difference, if I had spoken up more often?
I don’t know.
After I finished high school I moved to Israel, unsurprisingly I lost touch after that with most of the people I had grown up with. The move also caused problems for my mother who was suddenly faced with so many antisemitic comments that she could no longer visit certain neighbours. When I go home I am hardly in contact with anyone except for my mother. That is simply the way it is in this country today. But maybe this is a mistake. Maybe I should purposefully expose myself more to this environment, to take a stand instead of withdrawing from it out of self-protection. So many times during this trial I asked myself what the accused’s family and environment could have done better in order to prevent this attack. But I also asked myself what could I have done better back then? What can I do better now?
I wish I was standing here in front of you today with some answers. I wish that I could say that after this long and gruelling trial I now know how the accused turned out this way. I wish we had discovered his point of no return – that moment in time when the accused was so lost in his ideology that there was no turning back any more.
But for his sake, I hope he hasn’t reached it yet. For his sake, I hope that one day he might be able to feel what he has done. I know many will find this naive, but for his sake, truly, I hope he will find remorse in him. That is my sincere wish for him.
So why am I standing here before you today, if all I have are questions? Because I know, that only together we will be able to find the right answers – or at the very least, that is what I hope.
Closing statement by Max Privorozki, Chairman of the Halle Jewish Community
Your Honour, ladies and gentlemen,
Many very apposite points have already been made about the heinous crime in the closing arguments from the Public Prosecutor General’s Office and the numerous co-plaintiffs. I should like to avoid repetition, although that is not easy. A murder is a murder and a murderer is and remains a murderer.
It was important for me personally to understand: Where did the defendant’s brutal hatred of Jews come from? And: Was he really a lone perpetrator or did he have confidants, supporters who shared his ideas or even accomplices?
I think I now have some answers. It has been claimed that he became radicalised on the Internet in anonymous online forums and, as he said himself at one point, had resolved in 2015 that one had to “protect the white race”. I am convinced that the source of this hatred does not come from the Internet and nor does it come from the events 5 years ago. Its origins lie in the defendant’s family. His mother and father certainly have a right to refuse to testify. It is a pity that his parents, especially his mother, have made use of this right. They may as a result have thwarted, at least for the time being, efforts to explain in detail how a child in a family environment could become a murderer full of hatred and conspiracy myths. I hope, however, that legal options for clarifying the role of the parents and, consequently, for punishing them have not been exhausted.
The perpetrator of the attacks, in his mantle of hatred, wanted to protect a “white race” – whatever he might understand by that term. In the process, he has left an unforgivable trail of suffering.
It is important that he should know: The German Jews he hates have erected a memorial on the synagogue grounds for the two German non-Jews he murdered – Jana and Kevin – and have put up two memorial plaques on the wall outside the German synagogue and outside the German Kiez-Döner snack bar, financed together with many other German organisations and private individuals. He should know that after his attack a huge number of German Christians, Muslims and non-believers, “white” Germans and Black Germans, German children, German women and German men have expressed their boundless solidarity with German Jews. He should realise that he has neither protected anyone nor has he accomplished anything positive in his life. Even more, he should be aware that German and non-German taxpayers have financed his existence so far and that it seems reasonable to expect that they will have to continue doing so until the end of his days.
Hanukkah, the Jewish festival of lights, will begin in two days. Two weeks after Hanukkah starts, all Christians will celebrate Christmas, another festival of lights. We look forward to both festivals and send greetings to our friends. Because we, the absolute majority, like light and brightness and believe in G-d who created this world as bright and joyful. We also believe that the souls of both victims murdered by the defendant – Jana and Kevin – will shine for us from heaven at these festivals of light.
The defendant has different beliefs: He believes in conspiracies, in hatred, in murder. He believes in darkness and gloom. Everyone is free to live according to their faith or their worldview. We have chosen the light; the defendant has chosen the darkness. As a consequence, he will have to live in darkness in the future too.
“Sitting in this courtroom, I am constantly reminded that the law is not justice.”
Closing Statement by Talya Feldman
We have now heard the final statement of the Attorney General and of many lawyers representing co-plaintiffs from the Kiez-Döner shop, from Weidersdorf, Kai’s Garage, from those targeted and run-over on the street, from the synagogue. We are all here to find justice in its varying forms, from that day, that evil, that we all experienced differently.
I became a co-plaintiff in this case when I became aware that the Attorney General had not been intending to include any of the Jewish survivors from the synagogue, the pre-meditated targets of this attack — as victims of attempted murder in the original indictment. Not at first.
And now, after months of listening to this man spew racist and anti-Semitic ideologies, Aftax I., Ibrahim and Ismet Tekin have still yet to be recognized as attempted murder victims — when it is evident that they were targeted due to the color of their skin, because of where they come from, and because of what they believe in. It is incredibly disheartening and devastating to see – to see that this justice is not yet there.
Yet sitting in this courtroom, I am constantly reminded that the law is not justice. We know what this man did, his motives have been clear from the beginning. I hope, I trust, that you will put him in prison for life. But he is a symptom of a right-wing extremist, white supremacist ideology that is rapidly permeating our society, filtering into the words of our politicians and mainstream media — not just here in Germany, but in the world. To quote one of my fellow co-plaintiffs, Conrad R., this man may have acted alone that day in Halle, but he did not think alone. And he does not think alone still.
None of the hate-filled conspiracies that this man has voiced are new. We’ve heard them all before. And we know where they lead. We know what happens when this propaganda and this speech goes unchecked. Germany knows it. I know it.
On the 9th of October, I survived because of the quick actions of the community in Halle, and of the community in Halle alone. At the moment of the attack, I knew we would do whatever we needed to do to keep each other safe, and because of this, I was not frightened.
But participating in this trial, I have become frightened. And I have become angry. Angry by the number of witnesses who safely share their casual attitudes towards racism, their unwillingness to intervene when derogatory terms are used against minorities, their own involvement in hate groups and in propagating anti-Semitic attitudes.
Angry at the BKA — who by stating that it’s not their job to understand context, to make the evident connections between this attack and other forms of online and offline radicalization — are actually saying that they do not believe in keeping any of us safe from violence like this in the future. That they do not believe that white supremacist extremists, who are racially and ethnically motivated, are a lethal and persistent threat within our governments, our law enforcement, our civil society — because it is not their job to do so. And I am angry at the testifying police officers who carelessly throw around racial slurs and stereotypes — and ignorantly state everything that we, the survivors, did wrong, rather than acknowledging their own fault in allowing this to happen. We did not ask for this to happen to us. And it is not an anger, a pain, a grief, that we can or should bear alone. It is a pain that we and all of you must bear.
Jana Karin Lange. Kevin Schwarze. Say their names. Let their loss and the pain of their families weigh heavily on your hearts and on your conscience.
At this point I would like to address the press and the media specifically. This man is using this trial as a platform to disseminate hate and encourage further violence on all of us. He will use his final statement as an opportunity to inspire others, just like he was inspired. Do not be complicit in this. Do not quote him. Do not use his name. Do not print his picture. If you do, you will be guilty of contributing to a cycle of brutality that must end here and now.
Enough is enough.
“Why have I been having nightmares for over a year about him trying to kill me and about everything being so painful?”
Concluding statement by İsmet Tekin
Your Honour, esteemed representatives of the Public Prosecutor General’s Office, ladies and gentlemen … with the exception of one person!
I should like today to express my heartfelt gratitude to the Presiding Judge. This is the first court trial I have ever experienced and it is very important to me.
With all due respect, I do not accept the comments the Public Prosecutor General’s Office, has made against me. I would ask the Public Prosecutor General’s Office to consider: if that coward had not wanted to kill me, I would certainly have gone to him and stopped him. I would have made sure that he could not continue and hurt other people too.
Why have I been having nightmares for over a year about him trying to kill me and about everything being so painful? Moreover, we have heard from a police officer who stated that he had been a police officer since 1988 and that due to these events he had suffered from severe psychological damage for over seven months and had not yet fully recovered.
If a trained professional comes to an operation, well-prepared – with a bullet-proof vest, with weapons – and is subsequently traumatised like that: what should we say as co-plaintiffs? Then we really don’t need to say another word!
I should like to thank you for your attention, with the exception of one person.
“The idea of ‘Never again’ has already been disproven.”
Closing Statement of a Survivor from the Synagogue
There have been two attacks on the two synagogues of the Jewish community. Each occurred on the 9th day of an autumn month. The first was in November 1938, during the November Pogrom [often called Kristallnacht in English]. The second was in October 2019, on the Jewish holiday of Yom Kippur. We are here today because of both of them.
There is a physical, historical connection linking the attacks. The present-day synagogue, that is the second synagogue, stands only because the first was destroyed on November 9th, 1938. This is already evident in the current synagogue’s layout, as a cemetery lies between the synagogue building and the street. Synagogues are not typically built next to cemeteries.
There is also an ideological connection linking the attacks – anti-Semitism. Above all, anti-Semitism impacts Jews. One of the main principles of anti-Semitism is to mark Jews as foreign. Sometimes this idea of “foreignness” is extended to other groups. This is what happened in the Halle attack, when, after the onslaught of the synagogue, others were attacked due to their perceived “otherness”-including those in the Kiezdöner.
The perpetrator very much referenced this historical and ideological continuity when, at the beginning of his live-stream, he denied the Holocaust and professed anti-Semitism.
While I was in the synagogue, and tried to protect myself and hide somewhere, I could not have known what the perpetrator said. I did not see the live-stream. Neither did I need too in order to understand that there are still people who would gladly live in a homogenous society, according to their specific standards. This idea shaped Europe in the 20th century and was the reason why my ancestors needed to flee to the United States. For that I can only be thankful, as it’s much of the reason why I’m alive today.
The expression “L’Dor V’Dor” is one that those ancestors transmitted. It’s an influential idea from Judaism that means “from generation to generation” in Hebrew. As a kid, I never imagined that at some point I would fear, as a Jew, for my life. Such a thing belonged to the past, I thought. What I did not understand was that the past remains a part of our present.
“L’Dor V’Dor” is often used in an educational sense. The older generation teaches the younger one. We are obligated to learn about the past so that we can make the present, and thereby the future, better.
As I learned more about the concept of Erinnerungskultur, I couldn’t help but compare it with the more familiar idea of “L’Dor V’Dor.” One translation of Erinnerungskultur is Memorial Culture. Though it has roots in the 1950s in both East and West Germany, Erinnerungskultur as known today began in the 60s and 70s, after the trial of Adolf Eichmann. Although Erinnerungskultur and “L’Dor V’Dor” are ideas that stem from two distinct perspectives and time periods, both are attempts to answer the question: how should a group engage with the events of the past?
One might say that Memorial Sites and Museums at former Concentration Camps are one concrete answer to this question, from the perspective of Erinnerungskultur.
As an exchange student in high school and then in the past year while completing a volunteer service year at a Memorial Site, I learned extensively about this German memorial culture. At work, two sentences that I heard almost daily were “Never again” [Nie wieder] and “Never forget” [Nie vergessen].
“Never again” – Never again should Germany become a dictatorship. Never again should genocide happen. Never again should people who do not belong to the “national community” [i.e. the “Volksgemeinschaft”], be imprisoned and interned in prisons and concentration camps. And, above all, never again should Jews, and other minorities, fear for their lives.
The idea of “Never again” has already been disproven.
While attending the German Parliament’s Memorial Hour on the Day of Remembrance of the Victims of National Socialism, German President Dr. Frank-Walter Steinmeier said something noteworthy in his speech:
“My worry is that we [Germans] understand the past better than the present. We thought that the older ghosts would pass with time. But no: The evil ghosts of the past are revealing themselves today in a different guise.”
Two attacks belong now to the past. Though 75 years separate them, they are connected through an ideology of hate.
After the attack I had many questions. In the time since the attack several of them have been answered, though I still have many. One of those remaining is: how many people must die and how many people must fear for their lives, until the societal majority understands that hatred of minorities has never gone away??
There was even discrimination and violence against Jews shortly after the end of the Second World War! Yet at the same time, there were many Jews who just wanted to live and celebrate and try to enjoy the world after having been ripped from it.
In Judaism, the past, and remembrance of it, is important. Many Jewish holidays explain what happened long ago. Why? Because Zichronot, Hebrew for memories, remain with us. We must remember what happened, whether good or bad, and transmit it to future generations.
Though they both reference remembering, there is a great difference between the understanding of Erinnerungskultur[German memorial culture] and Zichronot. This difference is not only one of thousands of years; rather, it’s one of time orientation. German Memorial Culture tries to remember and to memorialize the past in the present. Zichronot, however, is dually concerned with the past and future. This is why every year on Yom HaShoah, Holocaust Remembrance Day, we say “Yizkor.”
Yizkor: it means, “one will remember.” The word is etymologically tied to Zichronot. Yet Yizkor is grammatically a word that belongs to the future and not the past, since it is in the future tense. It is a promise to remember that must be renewed each year. It is a wake-up call that rings regularly, so that we do not get too comfortable and begin to forget.
The idea is perhaps paradoxical as it divides time by dividing it into what was, what is, and what will be while uniting them in the present. That is exactly why it works. Remembrance works when one allows the cacophonous cries of the past, the present, and the future to be heard at once. No time period can exist without the influence of others.
I am young and have my entire life in front of me. I cannot forget what happened during the attack. It will forever be something that impacts my present and my future in various ways, even though it is something that occurred in my past. As long as I am alive, I will continue to write about what I lived through then and what continues to affect me. As part of that, I will give voice to those 6 million victims of the Shoah who cannot speak for themselves as well as those who survived violence after the war yet were not taken seriously by authorities. I am able to do this because I survived. I only hope that people will listen.
I would like to recall the words of an earlier survivor by the name of Ellie Wiesel. After surviving Auschwitz and Buchenwald, he wrote a book now known as Night. His first draft of the book, written in Yiddish, gave it a different title “Un di velt hot geshvign,” meaning “And the World Remained Silent.”
The silence against anti-Semitism and against white supremacy must be broken. You all, as members of the dominant culture, must play a part.
Two attacks are already two too many. Let it not be more.
“What grew out of the misery of that day is solidarity.”
Closing Statement of Naomi Henkel-Guembel
“There is meaning beyond absurdity” – I wish those words were mine – but they are those of Rabbi Abraham Yehoshua Heschel, one of the many great Jewish thinkers and rabbis who had to flee Germany in order to escape the Shoah. Someone who became a vehement fighter for human rights. Those words – they eventually became mine.
What happened that day, on October 9th, 2019 is incomprehensible. It is not comprehensible not to you, senate. Not to us, the affected. And not the families of the deceased of blessed memory. Not even to that guy over there. Or in other words: What happened on that day is absurd – it is contrary to all reason or common sense.
No one, but really no one, should fear for their lives – based on their skin color, their origin, their identity, their faith or who they love, to begin with. And in the phantasy of the accused we would all be dead – but yet, we are still alive.
We are alive. And we mourn those lost lives of Kevin Schwarze and Jana Karin Lange. Those lost lives – they are part of the scars we carry with us from that day.
But what do you do if the absurdity continues? Just like a spiral the absurdity is winding deeper and deeper and the number of questions is growing bigger and bigger. The events of that day shape how we look at the world from now on. As we have heard in the testimonies, each and every one of us experienced that day differently – and yet, we all have in common that this day shaped us. It marked us. And it still does until this very day.
“How could this attack happen?
How could there have even been a doubt whether I was a victim of an attempted murder?
How do I move on from here?
Can I really call this place “home”?
How can, less than five months later, another attack take place that costed the lives of nine – Isn’t the continuity of the hatred and racism obvious?
How is my pain not being seen?”
Those questions. They are just a selected few. And they might sound familiar to some of you. We should not just strive to find answers to those questions alone, but to search beyond that for meaning. To look for purpose.
But how do you do that?
רַ֡ק הִשָּׁ֣מֶר לְךָ֩ וּשְׁמֹ֨ר נַפְשְׁךָ֜ מְאֹ֗ד פֶּן־תִּשְׁכַּ֨ח אֶת־הַדְּבָרִ֜ים אֲשֶׁר־רָא֣וּ עֵינֶ֗יךָ וּפֶן־יָס֙וּרוּ֙ מִלְּבָ֣בְךָ֔ כֹּ֖ל יְמֵ֣י חַיֶּ֑יךָ וְהוֹדַעְתָּ֥ם לְבָנֶ֖יךָ וְלִבְנֵ֥י בָנֶֽיךָ׃
“(…) take utmost care and watch yourselves carefully, so that you do not forget the things that you saw with your own eyes and so that they do not fade from your mind as long as you live. And make them known to your children and to your children’s children (Deuteronomy 4: 9)”
I am reciting this verse from the Torah here, because I think it’s universally true – regardless of what you believe in, where you come from and really regardless of any biographical markers. We all carry the responsibility not to forget. Not to forget what took place in this courtroom in the pursuit of justice. And for those who have witnessed that day: The events that summoned us here in this very room – but in order not to forget you have to make it mean something. You have to find purpose.
This verse. It basically shows why I decided to become a co-plaintiff: Out of a sense of responsibility – towards the past, the present and the future marginalized. Towards my grandparents, who were too intimidated to pursue justice. Towards people in my communities and outside of them: I would like them to dare to pursue justice, where justice is due.
Initially, it wasn’t clear whether the 50 people who were with me in the synagogue on that day would be considered victims of attempted murder. Over months we were in limbo, left in uncertainty. Now, it is Ismet Tekin and Aftax I. who are left in that uncertainty – even though the evidence is seemingly obvious. Doubting it seems absurd, beyond reason as Illil Friedman, Onur Özata and Ismet Tekin himself have outlined over and over again throughout the trial and in their final statements.
I also joined out of a sense of responsibility towards myself – I do not want the events of October 9th, 2019 to rule over me. To dictate my life. But rather I wanted to know all the facets of the attack and what enabled it to happen – all of that in order to heal. I would like to contribute my share in shaping the narrative of what happened that day.
I have attended nearly all trial dates. I have seen how racism, xenophobia and anti-Semitism played out here, in this very courtroom. All those blunt and obvious statements, but the minor actions, interactions and exchanges as well.
Those moments. They were painful, agonizing and draining – and not rarely, they left a sense of despair and hopelessness. They brought up memories of that day. And the question whether all the effort is even worth it. On those days, you could find me listening to the proceedings, while soothing my soul with the words of the book Esh Kodesh, the Holy Fire, by Rabbi Kalonymus Kalman Shapira who tried to instill hope in times of great misery among his followers in the Warsaw Ghetto.
“In the face of death and bereavement, I have found the strength to find happiness and have inspired others to joy as well. When others observed my self-possession and joy in the face of such great troubles, they too found inner strength in the face of their own troubles, through my example. This inner strengthening will itself have the effect of turning evil into good.”
– R’ Kalonymus Kalman Shapira, Esh Kodesh, Sermon of September 21st 1940.
Even if our circumstances have been different, I am yet going back to those words again and again. Those words – they don’t apply to me alone, but rather they reflect the strength, the growth and the solidarity which many of the co-plaintiffs brought up over the past months. Against all odds.
We have listened to each other and have moved closer together. We have formed alliances across the board, and wehave each other’s backs.
What grew out of the misery of that day is solidarity.
We are still learning how to live with those scars – on somedays we succeed better than on others.
This learning and healing process – it won’t be over with the trial. I would like to quote my good friend and fellow co-plaintiff, Talya Feldman on that occasion:
“Some of us have had the chance to face our attacker in court and some of us not. Some of us have chosen to speak to this evil directly and some have chosen to speak in different ways – through family, through music, through writing, through art. (…) some of us have found justice in its varying colors, and some of us are still fighting for those colors.
The violence we have witnessed carries a weight on our hearts, but also on our communities and our country. But we are here, we are staying here, and we will continue.”
I would like to end with where I began:
“There is meaning beyond absurdity. Let them be sure that every little deed counts, that every word has power, and that we can do, everyone, our share to redeem the world, in spite of all absurdities, and all the frustrations, and all the disappointment. And above all, remember that the meaning of life is to live life as if it were a work of art.”
Those words there were once Heschel’s, but now they became mine.
And I genuinely hope that they will become yours as well.
That they will become yours – as we are turning this evil into good and continue to pursue a more just and inclusive society.
“Germany has an anti-Semitism and racism problem. That is a fact we cannot ignore any longer.”
Closing Statement of Christina Feist
Your Honour,
Dear co-plaintiffs,
Ladies and gentlemen,
I should like to start by briefly looking back:
Over the past five months since the trial began, I have repeatedly received messages on social media. Initially and throughout the summer, those messages trivialised the events of 9th, October 2019 and called into question my perception and assessment of the current political situation in Germany.
However, I also received queries that sounded genuinely astonished, sent by people who live in Germany and simply could not believe that democracy and an open society are in such a dire state in this country. They came from people who are reluctant to admit that right-wing ideologies are still widespread across Germany and that anti-Semitism and racism are still deeply rooted in this society, even after the Shoah.
A few weeks ago, I received the first openly anti-Semitic and misogynist hate message. The tone had rapidly shifted from “What are you all making such a fuss about when nothing happened to you Jews anyway?” to become “Fuck you, you damned Jewess.”
In July, after the first day of the court proceedings, a user on Facebook asked whether the situation in Germany is really so bad. I would like to reply to that question once again today: “Yes, it is.”
Germany has an anti-Semitism and racism problem. That is a fact we cannot ignore any longer. That is an insight that has become apparent in this trial, if not before. Although these right-wing ideologies have been around for a long time, people nonetheless question whether they exist, while the threat they pose and the extent to which they are present are also played down.
The recurring narrative of the so-called poor crazy lone perpetrator has also been refuted once and for all in this trial. That however was not thanks to testimony from public officials from the Federal Criminal Police Office (BKA) or from police officers, but rather thanks to the experts summoned to testify: Karolin Schwarz, journalist; Benjamin Steinitz, Head of the Department for Research and Information on Anti-Semitism (RIAS); and Matthias Quent, founding Director of the Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft [Institute for Democracy and Civil Society] in Jena.
In my testimony in September, I talked about having lost any trust whatsoever in Germany and in the rule of law here because of the way the police treated us on the day of the attack. So far, nothing has changed in that respect in the course of this trial.
The incredible reluctance with which most of the police officers and BKA officials who were summoned have testified in this courtroom, along with their shocking ignorance about online radicalisation, which has come to light here, destroyed any hope I might have had that things could get better or at least be approached differently.
In recent months, both here in the courtroom and outside it, I have talked repeatedly about responsibility.
It appears almost excessive to require that you, Your Honour, along with everyone in this courtroom, should take on responsibility on behalf of Germany – on behalf of politicians and of society. But only almost excessive.
For you, just like us, are also part of Germany. Despite our trauma, despite our weariness and exhaustion, we, the people directly affected, the co-plaintiffs in this trial have taken on the task of stating what the majority outside this courtroom is so unwilling to admit: The defendant is not a lone perpetrator.
The attack on 9th, October 2019 was not an isolated incident.
Anti-Semitism, racism and misogyny are not new phenomena and are most certainly not mere misconceptions, but form part of a right-wing extremist ideology that poses a constant threat to democracy.
People who do not face up to these realities trivialise the danger and scope of right-wing ideology.
People who continue to stubbornly deny these realities play down a despicable attack, such as the one in Halle, and thus ultimately also pour scorn on those affected and the loved ones of those killed in the attack.
It cannot go on like this.
And because things cannot go on like this, remaining silent is not an option. As members of an open
society with democratic values, we cannot afford to turn a blind eye, not even once.
For just looking away will not stop someone from being physically attacked right in front of us; turning a deaf ear will by no means stop people from being bombarded with anti-Semitic or racist insults right next to us; doing nothing does not mean that anti-democratic, anti-Semitic, racist and misogynist ideologies will just evaporate.
We simply cannot afford to sit back and remain silent. We must take a stand again and again, highlighting what is happening and we must never tire of ensuring these issues remain on the agenda.
We have to get involved.
Better times do not come about because of inaction. Bringing about change calls for action, it calls for commitment and above all else it calls for courage, the courage to face uncomfortable facts.
In this trial, Your Honour, you have the final word. And you thus bear an enormous responsibility. That responsibility, however, also comes with opportunities: the opportunity to set a good example and face up to responsibility.
And the opportunity to hand down a fitting judgement that is couched in fitting terms.
For there is hardly anything more despicable than shooting an innocent person who is huddled up in a corner, begging to be spared. And there is nothing more cowardly than shooting an innocent person in the back in the middle of the street. Nothing can really compensate for such a heinous murder of two innocent people. And that is why, in my view, there can never be a truly just punishment for such a crime, but only a fitting one.
By handing down a fitting sentence, you would also give me an opportunity to regain my trust, at least to some extent, that the rule of law applies here. You would give me an opportunity to be able to trust and believe that, if it comes to the crunch, I will not be left all alone.
I stand here before you and I am stronger than I was a year ago, stronger than when the trial began. I am standing here because I want to put my trauma behind me. You have offered me the pre-conditions to do so, by listening to all of us, to all those who wanted to speak. And I should like to express my gratitude to you, Your Honour, for that.
However, being able to put my trauma behind me is not just about being able to speak and be heard; it is also above all about pain and suffering being acknowledged.
A fitting judgement, therefore, also entails recognising all the parties affected and acknowledging that they have been affected, giving legal substance and validity to the pain they have experienced and recounted here.
You have an enormous task ahead of you and bear a huge burden, but please, I beg you, do not let this opportunity slip away, do not leave us alone.
You have the final word in this trial, Your Honour. But outside this courtroom, we all have the final word. And by “we”, I mean everyone who has taken part in this trial and continues to do so – judges, lawyers, co-plaintiffs, interpreters, judicial officers, journalists, sound engineers, members of the public.
From now on, we all have a moral obligation that extends far beyond the end of this trial: we must not give in!
We must take a stand again and again, show moral courage, and work indefatigably to uphold our democracy.
We must take what we have seen and heard in this courtroom over the past few months and carry it with us into the outside world and into the future. Blotting it out and forgetting are not an option!
I will never forget 9th October 2019.
Nor will I forget the outcome of this trial.
Above all, I shall remember Jana and Kevin forever.
And because I remember them, I will not remain silent.
“The attack affected me as a Jew. However, the attitude represented by the defendant also affects me as a migrant, as a woman and as part of German society (…).”
Concluding statement by Anastassia Pletoukhina
Ladies and gentlemen,
Esteemed judges,
Lawyers representing the co-plaintiffs,
All those affected,
Representatives of the general public
Since 9th October 2019, I have gone through various different phases in terms of my personal state, public behaviour and trust in our democracy and my attitude towards the collectivising term “WE”.
The first phase was characterised by survival. We had survived the attack and for months afterwards we felt the adrenaline coursing in our veins, which drove me personally to shout at the top of my voice: “You won’t wear us down, damned anti-Semitism”, “You won’t break us”, “We’ll come out of this stronger than we were before”, “And no! We are not afraid” – we proclaimed this loudly, and I did too, into every microphone held in front of us, almost like a mantra. Then in the personal setting, amongst ourselves, the usual questions were: “And what about the panic attacks? Is it still hard to be in confined spaces? Are you sleeping well again by now? Have you found a good therapist yet? Are you taking good care of yourself?” Together we were silent and occasionally we cried together in silence.
But subsequently other phases occurred. A period of feeling down emotionally, a realisation of what has happened to us, reintegration into everyday life, which is still proceeding step by step, reactions from those close to us and from the general public.
I have noticed how it became difficult for some of those affected, and also for me personally, to talk about the events of 9th October with friends and also with our parents. All of us had such different feelings, with which each of us was after all alone. I am still trying to find words to express my feelings and how they manifest themselves in my everyday life.
However, what I found most disturbing was that many of my acquaintances attempted to act as if the attack had not happened or as if it had not affected people with real lives, real plans for the future. As if it hadn’t affected people they knew personally. At some point I realised that it is fear that makes these people silent. Fear of feeling, fear of asking, fear of questioning: themselves, their own family history, society and that famous “never again”. “Has ‘never again’ mutated after all into ‘yet again’ while we were asleep?”
I am also afraid of these questions, especially the last one. However, I am already practised in articulating precisely this fear. I have a language for it and experience in using it. I know how to ask these questions of those around me and of society. Now the time has come for others to find this language for themselves as well, to face up to their fears and learn to articulate them before they mutate into denial and hatred.
The group of survivors of the attack on the synagogue has been very active and present in the media and in society over the past year, both in Germany and beyond. I, too, have used this channel to speak about precisely those fears I just mentioned. However, it is important for me to not simply talk but also to look for approaches to taking action and to make proposals about how we can optimise the school system, how the police can make improvements, what could be expected from politicians. Various topics were important for each of us but we shared one wish: to increase awareness of the injustice that we have experienced as Jews, but also as migrants, women, people affected by racism and as members of a society in which this was possible. For me personally, this event forms part of a pattern of right-wing terror that has existed for years, which had always been present in my perception, surging up in waves, sometimes more aggressively, sometimes more subtly. That was the case both for me as a Jewish woman but also as someone with an unmistakably Slavic-sounding name.
Yes, we are unfortunately experts on issues of disadvantage and exclusion. As citizens of this society, we have thought a thousand times about what could be changed, but who was really listening to us?
And yet the attack on 9th October seemed to be a turning point. Unfortunately, it was only with the attack in Hanau on 19th February 2020 that the burning political issue of right-wing terror really became clear and could no longer be dismissed as a matter of isolated individual cases.
I am a social scientist but also a social pedagogue with a very practical focus and the most important questions for me are always: And now what? What will we make of this? How do we apply the experience, what conclusions do we draw from it and how do we make our society a fairer place to live together?
For me, this trial offers an opportunity to stand united against inhumanity; an opportunity to urge some of the systems within the state that bear responsibility to express empathy, to take action against the objectification of those affected, to act against the continuity of violence, to counteract the perpetual process of looking away and relativising these issues at all levels of society.
As someone who lives in Germany, what is important to me in the trial is not only that the defendant is sentenced, but also that structural imbalances and weak points are revealed, that public awareness be raised concerning everyday manifestations of anti-Semitism, racism, chauvinism and above all concerning the unfortunately omnipresent lack of empathy for one another, the lack of critical faculties and the inability to reflect on one’s own actions, and the constant fear of feeling and empathising, of reflecting on one’s own family history. There is a constant attempt to barricade oneself behind politically correct statements, while betraying them at the very same moment by not acting accordingly.
Yes, it is painful but we must go through this as a society if we want to preserve our democratic values.
We have talked about the culture of remembrance, paying lip service to politics, as well as about the predominance of obedience to authority, which often pushes aside any compassion for individuals.
These manifestations are as far removed as can be imagined from human beings and from “seeing” another human being. In the course of this trial, we have been able to establish how complex an individual’s biography is and how many events, people and circumstances lead to someone taking the kind of action that is at the centre of this process. I do research on life-stories and I see the biographies of each person as individual developments within the context of the society in which the person in question lives, moves and acts. An individual life-story can serve as a litmus test that reveals societal developments and show us exactly what is happening in the society in which we live. Every life-story is important and that of the defendant has also revealed patterns that explain his actions, his development, as well as external influences and the general framing circumstances that ultimately led to the attack. In my view, it is those precisely those general framing circumstances and structural influences that we can and must begin to address within society.
I am regularly asked what being Jewish means to me as a person with a Jewish background. For me, it means choosing every day to live according to Jewish law and to show that I am Jewish in the public sphere. I choose every day to be Jewish, which means beautiful traditions and a strong community, but also means confronting various forms of resentment and hatred.
At several points the co-plaintiffs were asked after their statements in court whether they would like to continue living in Germany. The question was primarily directed to Jewish co-plaintiffs, as if it was only a question that could possibly be considered by Jews. Almost an expectation that they would reconsider. Or was it a fear that they would reconsider? The famous suitcases, packed and waiting.
I expected that this trial would touch people. To make people who either follow it closely or just occasionally see it in the news or on social media empathise and reflect on the society we live in and the responsibility each and every one of us has within that society and for that society.
The attack affected me as a Jew. However, the attitude represented by the defendant also affects me as a migrant, as a woman and as part of German society, which is so diverse and varied that each and every one of us can belong to some minority that could be marked out for discrimination under certain circumstances. Let us then ask everyone within this society: “Do you want to stay in Germany after the attack?”
I can speak for myself and say: Yes, I want to stay here in this country. But I have a few conditions. And they are: listen, take these issues seriously, reflect, admit mistakes and act in the spirit of democracy. But first and foremost: really see other human beings and do not be afraid of empathy.