Pressemitteilung VBRG

Pressemitteilung von VBRG und Bildungsstätte Anne Frank: Frankfurter Erklärung in Solidarität mit den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt mit mehr als 1.000 Unterschriften an Innenausschuss des Hessischen Landtags überreicht

„Wir fordern eine sofortige umfassende und transparente Aufklärung aller rechts, rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalttaten in Hessen samt der Rolle von Polizei und Landesamt für Verfassungsschutz.“

Berlin / Frankfurt a.M.: Heute, am 9. Mai berät der Innenausschusses des Hessischen Landtags in einer nichtöffentlichen Sitzung auf Antrag der Oppositionsparteien SPD und Linke über den Stand der Ermittlungen und der Aufklärung rings um Straf- und Disziplinarverfahren gegen hessische Polizeibeamte u.a. wegen möglicher Beteiligung an politisch rechts motivierten Straftaten. „Angesichts der Bedeutung mutmaßlicher rechtsextremer Aktivitäten von Polizeibeamten in Hessen, braucht es dringend mehr Öffentlichkeit und Transparenz zum Stand der Aufklärung“, sagt Judith Porath, Vorstandsmitglied des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt“ (VBRG e.V.). Deshalb übermitteln die Bildungsstätte Anne Frank sowie der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt den Abgeordneten des Innenausschusses des Hessischen Landtags die Petition „Frankfurter Erklärung in Solidarität mit den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt“, die von mehr als 1.000 Menschen unterzeichnet wurde.[1] Die Unterzeichnenden fordern darin von den Abgeordneten und der Hessischen Landesregierung ein „Ende der Bagatellisierung rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt“ und „eine sofortige umfassende und transparente Aufklärung aller rechts, rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalttaten in Hessen samt der Rolle von Polizei und Landesamt für Verfassungsschutz durch eine unabhängige Untersuchungskommission nach dem Vorbild der britischen MacPherson-Kommission sowie die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle für polizeiliches Fehlverhalten.“

„Es hat viel zu wenig Ermittlungsfortschritte gegeben, seitdem im Winter 2019 geworden ist, dass die Frankfurter Rechtsanwältin und NSU-Nebenklagevertreterin Seda Başay-Yıldız und ihre Familie von einer rechtsextremen Gruppe seit August 2018 wiederholt mit dem Tode bedroht worden sind,“ kritisiert Judith Porath vom VBRG e.V.. Die Ermittlungen zu der Gruppe, die sich in Anlehnung an die rassistische Mord- und Anschlagsserie des  Nationalsozialistischen Untergrunds „NSU 2.0“ nennt, führten zwar zu Frankfurter Polizeibeamten in der 1. Hauptwache auf der Zeil, kommen „jedoch seit Monaten nicht voran“ . Dies gelte auch für eine Serie von neun  Brandanschlägen gegen alternative und linke Wohnprojekte im Rhein-Main-Gebiet. Deren Bewohner*innen werfen Polizei und Staatsanwaltschaft „eklatante Ermittlungsversäumnisse“ bei der Aufklärung der Straftaten vor.[2]

Die Morddrohungen gegen Rechtsanwältin Başay-Yıldız und ihrer Tochter, die Verherrlichung der rassistischen Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) und die Brandstiftungen gegen linke Projekte finden in einem gesellschaftlichenund politischen Klima statt, in dem Rassismus, Menschenverachtung und Antisemitismus gesellschaftsfähig geworden sind. Es ist zu befürchten, dass zahlenmäßig mehr Angehörige der hessischen Polizei als dievom hessischen Innenministerium am 17. Januar 2019 mitgeteilten Dutzend Gruppen und Netzwerke gebildet haben, in denen der Nationalsozialismus verherrlicht und sich an rassistisch motivierten Straftaten beteiligt oder dies zumindest gebilligt wird. „Umso wichtiger ist es, dass die hessische Landesregierung das Problem extrem rechten Gedankenguts und strukturellen Rassismus in den Reihen der Polizei offensiv angeht. In dem Zusammenhang nehmen wir durchaus Bemühungen in der Polizei um interne Aufklärung der Geschehnisse sowie die Umsetzung von Präventionsmaßnahmen wahr und begrüßen diese. Darüber hinaus fordern wir die Landesregierung dazu auf, denjenigen, die sich über polizeiliches Fehlverhalten, falsche Ermittlungen oder einen diskriminierenden Umgang mit Opfern von Straftaten beschweren wollen, Zugang zu einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle außerhalb der Polizeibehörden zu ermöglichen“, betont Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank.

Für weitere Informationen:
Judith Porath, Vorstand VBRG e.V. und Geschäftsführerin der Opferperspektive e.V.:
E-Mail: j.porath[at]verband-brg.de

[1] Die Frankfurter Erklärung in Solidarität mit den Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt im Wortlaut

[2] vgl. „Täter des Brandanschlags in Hanau am 21.12.2018 ist den Projekten des Mietshäuser Syndikats bekannt“

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