Rechte, rassistische und antisemitische Gewalt in Deutschland 2024
Die Opferberatungsstellen im VBRG haben ihre Bilanzen zum Ausmaß rechter, rassistischer und antisemitisch motivierter Gewalt im Jahr 2024 veröffentlicht. In zwölf von 16 Bundesländern wurden insgesamt 3.453 rechte, rassistisch und antisemitisch motivierte Angriffe registriert sowie 4681 direkt Betroffene. Täglich werden durchschnittlich zwölf Menschen Opfer rechts, rassistisch oder antisemitisch motivierter Gewalt. Mehr als die Hälfte aller Angriffe ist rassistisch motiviert. Besonders alarmierend ist der Anstieg von Angriffen auf sog. politische Gegner*innen um mehr als 2/3 im Vergleich zum Vorjahr. Die Beratungsstellen stellen außerdem wiederholt eine massive Untererfassung rechter Gewalt durch Strafverfolgungsbehörden fest – auch bei schweren Gewalttaten.
Übersicht:
- Pressemitteilung des VBRG e.V. zur Jahresbilanz rechte Gewalt 2024
- Grafiken und Hintergrundinformationen als Download
- Video der Bundespressekonferenz zur Jahresstatistik 2024 rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt
- Hintergrund und Fallbeispiele Hintergrund und Fallbeispiele zur Jahresbilanz 2024
- Pressespiegel
- Verweise auf die Jahresbilanzen der Opferberatungsstellen in den Bundesländern
- Quellen des VBRG-Monitorings
Berlin, 19.05.2025
Pressemitteilung: Rechte Gewalt 2025: Rechte Gewalt 2024 – Eine Bilanz des Schreckens
+++ Jahresbilanz der Opferberatungsstellen +++ Anstieg von mehr als 20 Prozent bei rechten Angriffen. +++ Täglich ereigneten sich im Jahr 2024 mindestens neun rechte Angriffe in 12 von 16 Bundesländern. +++ Rassismus ist bei mehr als der Hälfte der Fälle das dominante Tatmotiv.+++ Opferberatungsstellen registrieren einen dramatischen Zuwachs bei Angriffen auf sogenannte „politische Gegner*innen“ um 2/3 im Vergleich zum Vorjahr. +++ Anstieg um mehr als 40 Prozent bei queerfeindlich motivierten Angriffen.+++ Anstieg um 11 Prozent bei antisemitischen Angriffen. +++ Insgesamt waren 4.861 Menschen von 3.453 politisch rechts motivierten Angriffen in Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen direkt betroffen. +++ Forderung nach politischen Konsequenzen, Schutz der Opferrechte und gesellschaftlicher Solidarität. +++
Die Bekämpfung rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt ist zentral für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Sicherheit aller Menschen, die in Deutschland leben“, sagt Judith Porath vom Vorstand des VBRG e.V. anlässlich der Veröffentlich der Jahresbilanz 2024 der Opferberatungsstellen. „Die Bundesregierung muss auf den Flächenbrand rechter Gewalt mit politischen Konsequenzen und einem ressortübergreifenden Nationalen Aktionsplan reagieren.“ Denn der massive Anstieg rechter, rassistischer und antisemitischer Angriffe um mehr als 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (2024: 3.453 / 2023: 2.589) und die Brutalität und Menschenverachtung, mit denen die Betroffenen konfrontiert sind, haben gravierende Auswirkungen: jahrelange Ermittlungsverfahren, anhaltende Bedrohungen nach rassistischen Angriffen von Nachbar*innen, erzwungene Arbeits-, Ausbildungsplatz-, Schul- und Wohnortwechsel bis hin zur Aufgabe von politischen Mandaten. Damit verbundenen ist oft der Verlust von Sicherheit, Arbeitsplätzen, Heimat und sozialen Netzwerken. All das ist Realität vieler Angegriffener.
„Der Rechtsstaat darf die Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt nicht im Stich lassen“, sagt Rechtsanwältin und Nebenklagevertreterin Seda Başay-Yıldız. „Dazu gehört, dass Polizei und Justiz alle Hinweise auf Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus als Tatmotive in den Ermittlungsverfahren und den Wunsch vieler Betroffener nach vollständiger Aufklärung ernst nehmen müssen. 25 Jahre nach dem Mord an Enver Şimşek sehen wir, dass diese Konsequenzen aus dem NSU-Komplex keineswegs selbstverständlich sind.“ Allzu oft erlebten Betroffene eine große Diskrepanz zwischen den Versprechen der Politik und der Realität in den Ermittlungsverfahren.
„Hier kommt der Staat seinen Verpflichtungen nicht nach. Er muss dafür Sorge tragen, dass rassistische und antisemitische Straftaten als solche erkannt und effektiv geahndet werden.“, sagt Prof. Dr. Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts für Menschenrechte. Unter anderem müsse der Staat Verfahrensdauern verkürzen, den Zugang zu Informationen und zum Recht erleichtern und zivilgesellschaftliche Beratungsstrukturen schützen und finanziell absichern. „Darauf haben die Betroffenen ein Recht und es ist im demokratischen Rechtsstaat unverzichtbar. Rassismus und Antisemitismus sprechen Betroffenen ab, die gleichen Menschenrechte und Menschenwürde zu haben. Deshalb greifen Rassismus und Antisemitismus auch das Fundament unserer Verfassung an.“
Weitere Informationen zur Jahresbilanz rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt finden Sie in der Hintergrundanalyse und den statistischen Grafiken zum Download.
Kontakt und Presseinformationen:
Heike Kleffner, Geschäftsführerin des VBRG e.V.:
E-Mail: info@verband-brg.de
Judith Porath, VBRG-Vorstand und Geschäftsführerin Opferperspektive e.V. in Brandenburg:
E-Mail: info@opferperspektive.de
Kristal M. Davidson, Pressesprecherin & Leiterin Kommunikation im Deutschen Institut für Menschenrechte:
E-Mail: info@institut-fuer-menschenrechte.de
Grafiken und Hintergrundinformationen :
Download: Pressemitteilung des VBRG vom 20.05.2025 – Rechte, rassistische und antisemitische Gewalt 2024 (PDF)
Grafik: Jahresbilanz rechte Gewalt 2025 – Übersichtsgrafik (PDF)
Grafik: Jahresbilanz rechte Gewalt 2025 – Alle Grafiken (PDF)
FAQ: Antworten auf die 4 häufigsten Fragen zur Jahresstatistik 2024
Hintergrundpapier: Zählweise und Datenbasis des Monitoring der Mitgliedsorganisationen des VBRG e.V.
Analyse: Gewaltbereitschaft bei Funktionaer*innen und Anhänger*innen der AfD
Stellungnahme: Empfehlungen des VBRG für einen Nationalen Aktionsplan zur Bekämpfung von Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus
Bundespressekonferenz zur Jahresstatistik am 20.05.2025
Bundespressekonferenz: Jahresstatistik 2024 zu rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt mit Judith Porath, Vorstandsmitglied Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG e.V.). und Geschäftsführerin Opferperspektive Brandenburg e.V., mit Seda Başay-Yıldız, Rechtsanwältin und Nebenklagevertreterin sowie mit Prof. Dr. Beate Rudolf, Direktorin des Deutsches Instituts für Menschenrechte.
Im Bild vlnr: Seda Basay-Yildiz, Rechtsanwaeltin; Judith Porath, Vorstandsmitglied vom Verband der Beratungsstellen fuer Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG e.V.) und Geschaeftsfuehrerin Opferperspektive Brandenburg e.V.; Prof. Dr. Beate Rudolf, Direktorin des Deutschen Instituts fuer Menschenrechte (DIMR).
Pressespiegel:
t-online, 01.06.2025: Rückkehr der „Baseballschlägerjahre“?
Zeit Online, 20.05.2025: Jahresstatistik 2024:Opferverbände melden erneuten Anstieg von rechter Gewalt
Zeit Online, 20.05.2025: Politisch motivierte Kriminalität in Deutschland nimmt stark zu
tagesschau, 20.05.2025: Rekordwert bei politisch motivierter Kriminalität
Tagesspiegel, 20.05.2025: „Eine Bilanz des Schreckens“: Opferberatungsstellen registrieren Höchststand bei rechter Gewalt
DER SPIEGEL, 20.05.2025: Höchststand bei politisch motivierten Straftaten in Deutschland – was dahintersteckt
taz, 01.06.2025: Gewaltbereite AfD-Politiker*innen: Viele, viele Einzelfälle
taz, 31.05.2025: Wenn aus Worten Taten werden
taz, 20.05.2025: Im Schnitt werden jeden Tag 12 Menschen Opfer rechter Gewalt
Welt.de. 20.05.2025: „Flächenbrand rechter Gewalt“ – Beratungsstellen melden deutliche Zunahme von Übergriffen
Bayrischer Rundfunk, 20.05.2025: Gewalt von rechtsaußen nimmt zu
Bayrischer Rundfunk, 15.05.2025: BR Podcast: Bayern 2 debattiert: Kontinuitäten rechten Terrors (Audio)
Bayrischer Rundfunk, 25.05.2025: Aktuelle Zahlen zu rechtsextremer Gewalt: Bilanz des Schreckens (Audio)
Deutschlandfunk, 20.05.2025: Beratungsstellen-Verband: Klare Zunahme der Fälle (Audio)
Deutschlandfunk Kultur, 20.05.2025: Demokratieförderung: Kampf gegen rechts bleibt in Koalitionsvertrag vage (Audio)
Deutschlandfunk Nova, 21.05.2025: Rechte Gewalt: Wie Opferberatungsstellen helfen (Audio)
Frankfurter Rundschau, 20.05.2025: Politisch motivierte Kriminalität: Entschlossen gegen rechts
Frankfurter Rundschau, 20.05.2025: „Gravierende Auswirkungen“: Beratungsstellen fordern mehr Hilfe für Opfer rechter Gewalt – und warnen vor AfD
RND, 20.05.2025: Vor allem rechtsmotivierte Straftaten. Wie sich das Rekordhoch der politischen Straftaten erklären lässt
Digital Daily News, 20.05.2025: Opferberatungsstellen melden erneuten Anstieg rechter Gewalt
Der Standard 20.05.2025: Weitere Zunahme rechtsextrem motivierter Straftaten in Deutschland
Kronen Zeitung, 20.05.2025: Alarm in Deutschland. Rechtsextreme Straftaten auf Rekordhoch
Radio1 des RBB, 21.05.2025: Opferberatungsstellen: Höchststand bei rechter Gewalt (Audio)
ERF Plus, 22.05.2025: Antisemitismus: Gewalt gegen Juden ist alltäglich. Opferberatungsstellen in Deutschland ziehen eine erschreckende Bilanz. (Audio)
Der Mediendienst Integration hat die Jahresbilanz 2024 rechte, rassistische und antisemitische Gewalt der Opferberatungsstellen und die PMK Rechts Statistiken des BKA 2024 in den folgenden Dossiers aufgearbeitet: Hier zu Rechtsextremismus, hier zu Rassismus und hier zu Antisemitismus.
Hintergrund und Fallbeispiele zur Jahresbilanz 2024 der Opferberatungsstellen im VBRG e.V.
Die Bilanz der Opferberatungsstellen zum Ausmaß rechter, rassistischer und antisemitisch motivierter Gewalt im Jahr 2024 ist alarmierend. In zwölf von 16 Bundesländern wurden insgesamt 3.453 rechts, rassistisch und antisemitisch motivierte Angriffe registriert und damit ein massiven Anstieg um ein Viertel im Vergleich zum Vorjahr (2023: 2.589 Angriffe). Um eine seriöse Vergleichbarkeit der Entwicklung bei den Angriffszahlen in den prozentualen Angaben zu ermöglichen, wurden für das Jahr 2024 die erstmals in den absoluten Zahlen mitgemeldeten Angriffe aus Hessen nicht mit in die Berechnung des Anstiegs von 24% aufgenommen.
Insgesamt waren 4.861 Menschen von politisch rechts motivierten Angriffen in Bayern, Baden-Württemberg, Brandenburg, Berlin, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen direkt betroffen (2023: 3.489)[1] Konkret bedeutet dies: Täglich wurden im Jahr 2024 durchschnittlich neun einschlägige Angriffe verübt, bei denen im statistischen Durchschnitt 12 Menschen zur Zielscheibe wurden, weil sie im Weltbild der Täter*innen minderwertig und/oder politische Gegner:innen angesehen werden.
Rassismus bleibt – wie in den Vorjahren – das häufigste Tatmotiv; die Anzahl rassistischer Angriffe ist dabei im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Viertel (24%) gewachsen (2024: 1.794/ 2023: 1.446). Besonders gravierend ist auch der Anstieg der Angriffe auf politische Gegner:innen um 72% im Vergleich zum Vorjahr. Mit 542 Angriffen wurde damit der mit Abstand höchste Wert in den vergangenen fünf Jahren für dieses Tatmotiv verzeichnet (2024: 542/ 2023: 315/ 2019:221) Innerhalb von fünf Jahren hat sich die Zahl der Angriffe auf Menschen, die im rechtsextremen Weltbild als politische Gegner:innen markiert werden – wie etwa Politiker:innen demokratischer Parteien, zivilgesellschaftlich in Initiativen gegen Rechts oder für Geflüchtete Engagierte, Gewerkschafter:innen oder Journalist:innen damit mehr als verdoppelt. Einen besorgniserregenden Anstieg um 40 % im Vergleich zum Vorjahr verzeichneten die Opferberatungsstellen auch bei queerfeindlich motivierten Angriffen gegen LGBTIQ* (2024: 343 / 2023: 245). Auch die von den Opferberatungsstellen registrierten antisemitisch motivierten Angriffe bleiben auf hohem Niveau und sind im Vergleich zum Vorjahr um elf Prozent angestiegen. (2024: 354 / 2023: 318).
Körperverletzungsdelikte machen – wie in den Vorjahren – mehr als die Hälfte der registrierten Angriffe (2024: 1.824/ 2023: 1402/) aus und überwiegen in der Gesamtzahl. Doch mit der Rückkehr der Baseballschlägerjahre droht auch die Rückkehr der Brandanschlagsjahre: Die Anzahl der von den Opferberatungsstellen registrierten Brand- und Sprengstoffanschläge ist im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 40% angestiegen. (2024: 45; 2023: 25). Bei einem Drittel der Angriffe (2024: 1.212/2023: 1.022) handelt es sich um Nötigungen und Bedrohungen – strafbar nach § 240, 241 StGB – mit gravierenden Folgen für die Betroffenen, etwa weil sie von rechten Tätern u.a. mit Waffen bedroht wurden.
Parallel zur Normalisierung von Antisemitismus, Rassismus und NS-Verherrlichung und zu den Wahlerfolgen für rechtsextreme Parteien wie die AfD und die Freien Sachsen hat sich in den letzten fünf Jahren das Ausmaß gewaltsamer Hasskriminalität gegen vulnerable und als politische Gegner*innen markierte Gruppen vor verdoppelt. Das zeigt sich in den Jahresbilanzen der Opferberatungsstellen ebenso wie im Themenfeld Hasskriminalität/Gewaltdelikte der Politisch Motivierter Kriminalität des Bundeskriminalamts. (2019: 1347 VBRG/ 759 BKA; 2024: 3.453 VBRG / 1.488 BKA PMK Rechts Gewalttaten). Immer häufiger vermissen die Angegriffenen vor Ort Solidarität und Unterstützung und sind stattdessen mit Täter-Opfer-Umkehr, Kriminalisierung und lokalen Unterstützerszenen der Täter:innen konfrontiert. Hinzu kommt die Entmutigung durch jahrelang verschleppte oder blockierte Ermittlungs- und Strafverfahren wie etwa im Chemnitz2018-Komplex oder im Fall eines Neonazi-Brandanschlags in Bremen und jahrelange Instanzenwege wie im Fall eines schweren Neonazi-Angriffs auf zwei Journalisten in Fretterode (Thüringen) im April 2018. Nachdem der Bundesgerichtshof ein Skandal-Urteil des Landgerichts Meiningen aufgehoben hatte, ist ein neuer Prozess auch sieben Jahre nach der Tat noch nicht terminiert. Die Betroffenen fühlen sich vom Rechtsstaat allzu oft im Stich gelassen.
Mehr als die Hälfte der Angriffe ist rassistisch motiviert
Rassismus bleibt – wie in den Vorjahren – das häufigste Tatmotiv; die Anzahl rassistischer Angriffe ist dabei im Vergleich zum Vorjahr um fast ein Viertel (24%) gestiegen (2024: 1.794/ 2023: 1.446) und richtet sich vorwiegend gegen Menschen mit Flucht- und Migrationsbiografien sowie gegen Schwarze Menschen. Die Täter:innen kommen aus allen Altersgruppen. Viele bekennen sich offensiv zu ihrer Gesinnung und einem Weltbild der White Supremacy und gehen mit entsprechender Menschenverachtung und Brutalität vor.
Schwer verletzt und nur durch die schnelle Hilfe von Passant:innen und Rettungskräften überlebte beispielsweise am 12. September 2024 ein Mann syrischer Herkunft in Stralsund (Mecklenburg-Vorpommern) einen rassistisch motivierten Säure-Angriff durch einen Nachbarn. Der 42-jährige einschlägig polizeibekannte Rechtsextremist drang gewaltsam in die Wohnung des Angegriffenen ein und überschüttete ihn mit schwer ätzender Schwefelsäure. Gegenüber Nachbarn und Freunden hatte der Rechtsextremist seine Tatpläne vorab geteilt und u.a. angekündigt, „die Geschichte mit den Affen da oben bereinigen“ zu wollen. Unmittelbar nach der Tat schrieb er einem Freund: „Morgen geht‘s weiter, der erste Schritt ist getan“. Er hoffe, dass jetzt „richtig gesäubert wird.“ Das Landgericht Stralsund verurteilte den Täter im April 2025 wegen schwerer Körperverletzung zu sechseinhalb Jahren Haft und wertete „Fremdenhass“ als Tatmotiv strafschärfend. Der Betroffene erlitt schwere Verätzungen und musste in einer Spezialklinik mehrfach operiert werden. Er leidet bis heute unter den schweren Verletzungen und einer Posttraumatischen Belastungsstörung in Folge des Angriffs.
„Hass gegen Muslime“ und Antisemitismus als Tatmotive stellte das Landgericht München im Frühjahr 2025 im Prozess wegen versuchten Mordes gegen einen 40-Jährigen fest, der am 25. Juli 2024 in München-Pasing (Bayern) zwei junge Männer im Alter von 18 und 25 Jahren mit einem Jagdmesser von hinten am Hals und Oberkörper schwere Stich- und Schnittverletzungen zugefügt hatte. Die Verletzten leiden bis heute unter massiven Panikattacken und haben in Folge der Tat u.a. ihren Arbeitsplatz verloren. Der zum Tatzeitpunkt schuldunfähige Angreifer hatte „Deutschland von Muslimen befreien“ wollen und seine rassistischen Anschlagspläne vorab in einem 20-seitigen Manifest „Der Plan“ an mehrere Studentenverbindungen und eine Burschenschaft in München verschickt. Darin drohte der bekennende Nationalsozialist, Muslime müssten „millionenfach“ erschossen werden, verbreitete antisemitische Hetze und wünschte Journalisten die Todesstrafe. Weil der Täter an paranoider Schizophrenie erkrankt ist, ordnete das Gericht Sicherungsverwahrung an.
Rassismus – insbesondere gegen Geflüchtete und Asylsuchende – ist auch das Tatmotiv bei 25 der insgesamt 45 von den Opferberatungsstellen im Jahr 2024 registrierten Brand- und Sprengstoffanschläge. In Mücheln (Sachsen-Anhalt) beispielsweise zündeten jugendliche Neonazis anlässlich des 135. Geburtstags von Adolf Hitler am späten Abend des 20. April 2024 zwei Sprengsätze in einem Mehrfamilienhaus, in dem zum Tatzeitpunkt 30 Asylsuchende und ausländische Arbeitskräfte leben. In Krumbach (Bayern) stellten am 23. Juni 2024 Bewohner:innen einer Geflüchtetenunterkunft nachts Brandgeruch fest. Die alarmierte Feuerwehr fand in einem Kellerraum die Überreste eines vorsätzlich gelegten Brandes und Brandbeschleuniger. Im April 2025 verurteilte das Landgericht Memmingen in erster Instanz einen 40-jährigen Neonazi deshalb wegen versuchter schwerer Brandstiftung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten Haft. Der einschlägig polizeibekannte Mann war wenige Wochen vor dem versuchten Brandanschlag mit einem Baseballschläger bewaffnet in die Unterkunft eingedrungen, um die dort lebenden Familien mit Kindern zu bedrohen. Dabei hatte er sich filmen lassen und verbreitete die Videos anschließend. In Chats drohte er: „Ich brauch Dynamit (…) dieses Rattenloch werd ich schon noch ausräuchern.“ Bei dem Neonazi handelt es sich um einen Wiederholungstäter; er hatte im Jahr 2013 versucht, mit einer Brandstiftung und rassistischen Bedrohungen in Storkow (Brandenburg) Migrant:innen zu vertreiben.
Auch bei rassistisch motivierten Körperverletzungsdelikten registrierten die Opferberatungsstellen einen Anstieg um 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. (2024: 1.109/ 2023: 894). Viele Angriffe ereigneten sich an alltäglichen Orten – während der Arbeit, im Wohnumfeld, beim Einkaufen oder im öffentlichen Raum – wie an den nachfolgenden Fallbeispielen aus dem Monitoring der Opferberatungsstellen deutlich wird: Beispielsweise wird ein Dienstleister der Telekom am 1.November 2024 in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) sofort von einem Mann massiv rassistisch beleidigt und dann ins Gesicht geschlagen, nachdem er an dessen Wohnungstür geklingelt hatte. Ein Taxifahrer aus Afghanistan wird in Stendal (Sachsen-Anhalt) am Abend des 10. März 2024 von einem Fahrgast rassistisch beleidigt und mit Reizgas besprüht. Am 18. Juli 2024 wird in Wismar (Mecklenburg-Vorpommern) ein Familienvater aus Syrien im Beisein seiner kleinen Tochter von einem Nachbarn rassistisch beleidigt, zu Boden geschubst und gegen Kopf und Oberkörper geschlagen. In Calbe (Sachsen-Anhalt) wird eine jezidisch-kurdische Familie seit Monaten von einer Nachbarin rassistisch bedroht und beleidigt: Mitte April 2024 wird die 11-jährige Tochter der Familie von der Erwachsenen, die ihr offensichtlich im Hausflur aufgelauert hatte, mit einem Faustschlag an den Kopf attackiert. Als die Mutter des Mädchens wenig später hinzukommt, wird sie ebenfalls angegriffen. In Obergünzburg (Bayern) wird Mitte April eine Familie rassistisch beleidigt und der Familienvater durch einen Mann, der zuvor den Hitlergruß zeigte und „Heil Hitler“ rief zwei Mal ins Gesicht geschlagen. An einer Hausfassade entdecken Polizeibeamte zudem ein Hakenkreuz. Eine 51-jährige Frau aus Syrien wird in einem Einkaufszentrum am 24. Juli 2024 in Gera (Thüringen) von einem älteren Mann im Rentenalter unvermittelt geschlagen und beleidigt. In Jena (Thüringen) wird am 22. November 2024 ein marokkanischer Mann beim Einkaufen in einem Discounter von einem Mann unvermittelt erst beleidigt, dann unvermittelt geschlagen und seines Rucksacks beraubt.
Im Phänomenbereich antimuslimischer Rassismus als Teilmenge der rassistisch motivierten Angriffe haben die Opferberatungsstellen einen erheblichen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr erfasst: (2024: 236 / 2023: 157) – darunter 124 Körperverletzungsdelikte. Im Phänomenbereich Rassismus gegen Schwarze als Teilmenge der rassistisch motivierten Angriffe haben die Opferberatungsstellen ebenfalls einen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr erfasst (2024: 162 / 2023: 110) – darunter 101 Körperverletzungsdelikte und ein Tötungsdelikt. Im Phänomenbereich Antiziganismus / Gewalt gegen Sinti: und Roma: als weitere Teilmenge der rassistisch motivierten Angriffe registrierten die Opferberatungsstellen 51 Angriffe in 2024 (2023: 43), davon 33 Körperverletzungsdelikte.
Immer wieder beziehen sich Täter positiv auf die rechtsextreme AfD: So wie etwa am 15. Juni 2024 im Lene-Voigt-Park im Leipziger Stadtteil Reudnitz (Sachsen), wo ein Trio lautstark „AfD, AfD, AfD“ skandierte und auf Einspruch aus einer Gruppe Studierender mit rassistischen Beleidigungen und einem Schlag auf den Kopf gegen eine Person reagierte. Oder in Cottbus-Sachsendorf, wo eine erwachsene Frau Mitte Februar 2024 ein 9-jähriges Kind aus rassistisch beleidigte und damit drohte, dass sich die AfD um das Kind „kümmern“ werde.
Besonders vulnerable Betroffene: Kinder und Jugendliche
Für viele direkt und indirekt Betroffene rassistischer, antisemitischer und rechter Angriffe und Bedrohungen ist mit der Normalisierung menschenverachtender Diskurse ein erheblicher Verlust von Sicherheit und massiven Einschränkungen im Alltag verbunden. Dies gilt insbesondere für die 697 Kinder und Jugendliche, die im Jahr 2024 von den Opferberatungsstellen als direkt Betroffene registriert wurden (2023: 585). Beispielsweise in Magdeburg, wo ein 13-jähriger Schüler mit syrischer Familienbiografie am Spätabend des verheerenden Anschlags auf den Weihnachtsmarkt in der Hauptstadt von Sachsen-Anhalt von einem Mann aus der Nachbarschaft im Fahrstuhl eines mehrstöckigen Wohnblocks rassistisch beleidigt, am Aussteigen gehindert und in einen Würgegriff genommen wurde. Dabei hetzte der Erwachsene, der Anschlag sei „wegen Menschen wie ihm“ verübt worden. In Strausberg (Brandenburg) griffen am 22. August 2024 zwei erwachsene Frauen einen 13-jährigen Schüler syrischer Herkunft in seinem unmittelbaren Wohnumfeld an: die Frauen im Alter von 22 und 50 Jahren beleidigten den Schüler rassistisch, dann schlugen sie ihn mehrfach gegen den Kopf und traten auf ihn ein. Anfang Juli 2024 wird ein 15-Jähriger von einem Erwachsenen in Wittenberge (Brandenburg) antisemitisch beleidigt, mit dem Tod bedroht und dann mehrfach von dem 41-jährigen Angreifer geschlagen. Ein erwachsener Mann erniedrigte und verletzte einen schlafenden 17-jährigen Reisenden aus Portugal in einem Schnellrestaurant in den frühen Morgenstunden des 25. Juni 2024 im Nürnberger Hauptbahnhof, indem er über seinen Kopf urinierte und den Jugendlichen dann rassistisch beleidigte.
Jugendliche, die sich offen zu ihrem rechtsextremen und neonazistischen Weltbild bekennen, fallen häufig durch besondere Brutalität gegenüber gleichaltrigen und jüngeren Betroffenen auf: So wurde etwa ein 13-jähriger Schüler im Landkreis Oberhavel (Brandenburg) im Dezember 2024 auf dem Nachhauseweg von mehreren jugendlichen Rechten rassistisch beleidigt, getreten und schwer verletzt. Der Schüler erlitt in Folge des Angriffs Hirnblutungen und hat bis heute andauernde Lähmungserscheinungen in Armen und Beinen. Die Tätergruppe hatte den 13-Jährigen schon zuvor über Monate hinweg beleidigt und drangsaliert. In Eberwalde (Brandenburg) trat und schlug ein Trio rechter Jugendlicher am 19. Dezember 2024 mehrfach auf einen 15-Jährigen syrischer Herkunft ein und erklärte, Adolf Hitler sei noch am Leben. In Halberstadt werden zwei 14-Jährige of Colour in der Nähe eines Jugendclubs am 19. Juni 2024 von einem gleichaltrigen Rechten rassistisch beleidigt und dann mit einer Bierflasche am Kopf verletzt. Beide angegriffene Jugendliche müssen stationär im Krankenhaus behandelt werden. Ein 13-jähriger Schüler wird am 26. August 2024 auf dem Schulhof einer Schule in Seehausen (Sachsen-Anhalt) aus antisemitischer Motivation heraus von einem älteren Schüler angegriffen und verletzt.
Statt Schutz und Förderungen erleben betroffene Schüler:innen und ihre Eltern Schule als Angstraum. In Baden-Württemberg registrierte etwa die Opferberatung Leuchtlinie 19 Fälle überwiegend rassistisch motivierter Körperverletzungen in Bildungseinrichtungen– darunter elf Körperverletzungen und fünf Fälle, in denen Pädagog:innen und Lehrkräfte an rassistischen Angriffen beteiligt waren.
Anstieg rechter Gewalt gegen politische Gegner:innen um über 70%
Besonders gravierend ist der Anstieg der Angriffe auf politische Gegner:innen um beinahe 75% im Vergleich zum Vorjahr. Mit 542 Angriffen wurde damit der mit Abstand höchste Wert in den vergangenen 10 Jahren für dieses Tatmotiv verzeichnet (2023: 315). Innerhalb von fünf Jahren hat sich die Zahl rechter Angriffe auf politische Gegner:innen mehr als verdoppelt, die von den Opferberatungsstellen registriert wurde. (2020: 237). Die Gewalt extrem rechter Täter:innen – darunter auch Funktionär:innen und Sympathisant:innen der AfD – richteten sich gegen politische Verantwortungsträger:innen ebenso wie Journalist:innen gegen häufig junge Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus und für Demokratie engagieren. Besonders im Kontext der Kommunal- und Landtagswahlen 2024 in Brandenburg, Thüringen und Sachsen sowie der Europawahlen und mit Beginn des vorgezogenen Bundestagswahlkamps fiel eine Ausweitung der Gefahrenzonen für demokratisch Engagierte und eine deutliche Radikalisierung und Organisierung insbesondere einer sehr jungen, vernetzten Neonaziszene zusammen. Die nachfolgenden Beispielfälle zeigen, wie mit gezielten Bedrohungen, Sachbeschädigungen, Brandanschläge und körperliche Angriffen vielerorts ein Klima von Angst, Einschüchterungen und Verunsicherung entstanden ist.
Mindestens 77 (Kommunal-)Politiker:innen demokratischer Parteien wurden im Jahr 2024 nach Erkenntnissen der Opferberatungsstellen zum Ziel teils schwerer rechter Gewalttaten. Etwa am 19. Februar 2025, als bis heute unbekannte Täter in Waltershausen (Thüringen) am Holzhaus des SPD-Lokalpolitikers Michael Müller mit Brandbeschleuniger ein Auto sowie die Eingangstür und den Briefkasten in Brand setzen. Die Gäste, die sich zum Tatzeitpunkt im Haus befanden, konnten sich unverletzt retten. Am Haus entsteht ein Sachschaden von rund 10.000 Euro. Der Kommunalpolitiker hatte in der Vergangenheit für den Bundestag kandidiert und nach den Correctiv-Recherchen zu den AfD-Deportationsplänen für Millionen in Deutschland lebende Menschen u.a. eine Demonstration gegen Rechtsextremismus organisiert. Nach dem Brandanschlag hatte der Kommunalpolitiker zwar bundesweit Solidarität erfahren, war aber vor Ort zahlreichen Anfeindungen und Anschuldigungen sowie Täter-Opfer-Umkehr durch die polizeiliche Ermittlungsarbeit ausgesetzt. Als Konsequenz hat er sowohl Thüringen verlassen als auch sein öffentliches politisches Engagement beendet. Anfang Mai 2024 wurde in Dresden (Sachsen) der sächsische SPD-Spitzenkandidat für die Europawahl, Matthias Ecke, beim Plakatieren von vier jugendlichen Neonazis brutal angegriffen und schwer verletzt. Im Landtagswahlkampf in Brandenburg wird im September eine Schwarze CDU-Kandidatin in Cottbus beim Plakatieren rassistisch beleidigt und geschlagen. Kurz vor Weihnachten werden in Berlin-Lichtenberg SPD-Abgeordnete am Ende des Wahlkampftages von organisierten jugendlichen Neonazis verletzt und am Boden liegend getreten. Auch in Görlitz (Sachsen) ist das Vorgehen der Angreifer ähnlich. Eine Gruppe junger Neonazis greift eine Gruppe von Menschen auf dem Rückweg vom Wahlkampf für die Partei Die Linke an: die Vermummten schlagen und treten auf die Betroffenen ein und verletzen u.a. eine Linken-Kommunalpolitikerin.
Auch soziokulturelle und nicht-rechte Wohn- und Kulturprojekte und deren Besucher:innen sowie Bewohner:innen sind zunehmend gewalttätigen Angriffen junger Neonazis ausgesetzt: Im Dezember 2024 passten junge Neonazis in Wittstock (Brandenburg) zwei Jugendliche auf dem Nachhauseweg von einer Weihnachtsfeier im Jugendclub ab, sprachen sie erst mit Drohungen an und schlugen sie dann nieder. Auch als die Betroffenen am Boden lagen, schlugen die Angreifer weiter auf sie ein. Im selben Monat schlugen mehrere junge Neonazis einen Studenten vor einem linken Wohnprojekt in Cottbus ins Gesicht und verletzten ihn, nachdem sie ihn dabei beobachtet hatten, wie er einen rechten Sticker von der Haustür entfernte. Anfang November 2024 10 vermummte Personen, während einer Tanzveranstaltung in den Jugendclub Erebos einzudringenden. Dann schlagen sie sämtliche Scheiben des Club-Büros ein und verwüsten den Außenbereich. In Freiberg (Sachsen) verfolgten zwei junge Neonazis eine 35-jährige Mitarbeiterin des „Bunten Hauses“ nach dem Einkaufen. Während des Angriffs wurde sie gezielt auf ihre Arbeit im „Bunten Haus“ angesprochen sowie sexistisch beleidigt. Als sie daraufhin zu fliehen versuchte, wurde sie von hinten angegriffen und u.a. durch Schläge und Tritte zu Boden geschlagen und verletzt.
Besonders gravierende materielle und langfristige Auswirkungen haben versuchte und vollendete Brandanschläge: etwa in Altdöbern am 23. Oktober 2024, als ein Brandanschlag das nicht-rechte Kulturprojekt „Kultberg“ vollständig zerstört und die Bewohner:innen des benachbarten Wohnhauses nur durch glückliche Umstände nicht zu Schaden kommen. Mittlerweile gehen Ermittlungsbehörden davon aus, dass ein Netzwerk sehr junger Neonazis „Letzte Verteidigungswelle“ für diesen Anschlag verantwortlich ist und weitere Anschläge geplant hatte. Die Wirkung auch von versuchten Brandanschlägen zeigt sich u.a. in Bayern: etwa als am 27. September 2024 in München (Bayern) ein vermummter Mann während des normalen Veranstaltungsbetriebs einen Brandsatz über die Hofmauer des linken Kulturzentrums „Kafe Marat“ wirft und rechte Beschimpfungen ruft. Auch wenn das Feuer durch aufmerksame Besucher:innen schnell gelöscht werden kann, beschreiben die Betreiber:innen den Angriff als beängstigend: „Dieser Brandsatz war so konstruiert, dass er unser Gebäude wund das Leben der Menschen, die sich zu diesem Zeitpunkt dort aufhielten, gefährdet hätte, wäre nicht schnell genug reagiert worden.“ In Aschaffenburg (Bayern) zerstören nachts unbekannte Täter alle Fenster dessoziokulturellen linken Wohnprojekts und schütten eine brennbare Flüssigkeit in die Vereinsräume. „Nur durch die zufällige Anwesenheit von Zeugen konnte im letzten Moment Schlimmeres verhindert und Schaden von den Vereinsräumen und den Bewohner*innen des Hauses abgewendet werden.“
Bei 37 Angriffen gegen Journalist:innen (2023: 38) – etwa am Rand eines Neonaziaufmarschs in Magdeburg am 20.Dezember 2024 und bei der Berichterstattung über AfD-Wahlkundgebungen und Veranstaltungen zeigte sich auch im Jahr 2024, dass eine verfestigte Pressefeindlichkeit in der extremen Rechten Ausgangspunkt für Gewalt und Bedrohungen ist, die Berichterstattung teilweise erheblich beeinflusst.
Weiterer Anstieg antisemitischer Gewalt
Auch antisemitischer Angriffe haben mit 354 Taten – davon 112 Körperverletzungsdelikte – um weitere 11 Prozent zugenommen (2023: 318). Antisemitisch motivierte Körperverletzungen, Bedrohungen und Nötigungen (2024: 183/ 2023: 211) richteten sich gegen Jüdinnen und Juden und Menschen, die im antisemitischen Weltbild der Täter:innen als Feindbilder markiert werden. Darunter zählen Formen der Shoa-Leugnung und Verherrlichung ebenso wie post-Shoah-Antisemitismus und des israelbezogenen Antisemitismus.
Die Angriffe ereignen sich u.a. im öffentlichen Raum, wie etwa Ende November in Halle (S.), wo nachmittags ein Unbekannter ein älteres Paar mehrfach antisemitisch beleidigt. Als ein Augenzeuge einschreitet, um das Paar zu schützen, wird er ins Gesicht geschlagen und getreten. In Erfurt beleidigt Anfang Juni 2024 ein Sicherheitsmitarbeiter des Erfurter Zoos ein homosexuelles Pärchen antisemitisch und homofeindlich und nötigt sie körperlich. Beim Verlassen des Zoos wurde das Paar von demselben Sicherheitsmitarbeiter körperlich bedrängt. Anfang Juli 2024 wird ein 15-Jähriger von einem Erwachsenen in Wittenberge (Brandenburg) antisemitisch beleidigt, mit dem Tod bedroht und dann mehrfach von dem 41-jährigen Angreifer geschlagen.
Die Intersektionalität von Antisemitismus und antimuslimischen Rassismus im Weltbild der extremen Rechten zeigt sich u.a. bei einem schweren Angriff in München-Pasing im Juli 2024 durch einen bekennenden Nationalsozialisten, der zwei jungen Männern auf offener Straße hinterrücks mit einem Messer schwere Verletzungen zufügte, weil er Deutschland von „Muslimen säubern will“ und sich vom Mossad verfolgt fühlte.
Das Bekanntwerden von Anschlagsplänen und Androhungen auf Jüdische Gemeinden und Synagogen wie zuletzt in Halle (Saale), wo an Yom Kippur 2019 beim antisemitisch motivierten, rechtsterroristischen und rassistischen Anschlag zwei Menschen starben, mehrere Menschen schwer verletzt wurden und mehr als 50 Menschen nur durch glückliche Umstände dem geplanten antisemitischen Massenmord eines rechtsextremen Täters entkamen, sowie die anhaltenden Bedrohungen und Angriffe für Jüdinnen und Juden in Deutschland seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 verändern das Leben und den Alltag vieler Betroffener sehr tiefgreifend.
Bundesländer im Vergleich:
In den Jahresbilanzen der Opferberatungsstellen gibt es kein einziges Bundesland, in dem ein Rückgang der Gewalttaten – insbesondere Körperverletzungsdelikte – zu verzeichnen wäre. Im Gegenteil: In absoluten Zahlen hat sich etwa in Bayern die Anzahl der von den Beratungsstellen BEFORE München und BUD Bayern registrierten Gewalttaten verdoppelt (2024: 211 / 2023: 104). In Nordrhein-Westfalen verzeichneten die Opferberatungsstelle Rheinland und BackUp NRW in absoluten Zahlen einen Anstieg um 1/3 bei den Gewalttaten im Vergleich zum Vorjahr (2024: 294 / 2023: 207). Auch in allen ostdeutschen Bundesländern sind rechte und rassistische Gewalttaten im Vergleich zum Vorjahr erheblich und teilweise wie in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen ebenfalls um 1/3 im Vergleich zum Vorjahr angestiegen.
Gemessen an der Einwohner:innenzahl wurden im unabhängigen Monitoring der Opferberatungsstellen die meisten rechten Gewalttaten in den Stadtstaaten Berlin (9,9 pro 100.000 Einwohner:innen) und Hamburg (9,5 pro 100.000 Einwohner:innen) sowie in den ostdeutschen Bundesländern Sachsen-Anhalt (8,3 pro 100.000 Einwohner:innen) und Mecklenburg-Vorpommern (6,59 pro 100.000 Einwohner:innen) registriert. In Brandenburg (5,99 pro 100.000 Einwohner:innen), Thüringen (5,82 pro 100.000 Einwohner:innen) und Sachsen (5,25 pro 100.000 Einwohner:innen) zeigt sich der Anstieg der Gewalt ebenfalls. Wie schon in den Vorjahren ist – trotz des teilweise erheblichen Anstiegs in den absoluten Zahlen – im Vergleich zur Bevölkerungszahl in west-deutschen Flächenländern wie Schleswig-Holstein (2,78 Angriffe pro 100.000 Einwohner:innen), im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen (1,63 pro 100.000 Einwohner:innen), Hessen (1,64 pro 100.000 Einwohner:innen) und Bayern (1,6 pro 100.000 Einwohner:innen) und Baden-Württemberg (0,59 pro 100.000 Einwohner:innen) die flächendeckende Verbreitung rechter Gewalt im Vergleich zu Ostdeutschland und den Stadtstaaten Berlin und Hamburg wesentlich geringer.
Untererfassung politisch rechts, rassistisch und antisemitisch motivierter Angriffe durch die Polizeibehörden und das BKA
Die Beratungsstellen registrieren seit vielen Jahren rund ein Drittel mehr rechte Gewalttaten als die Strafverfolgungsbehörden und die Verfassungsschutzämter. Dafür gibt es mehrere Faktoren: Immer wieder werden eindeutig rechts oder rassistisch motivierte Angriffe von den Ermittlungsbehörden nicht als PMK-Rechts Hasskriminalität erfasst, obwohl Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. So fehlen beispielsweise der Angriff auf einen Gegendemonstranten im Juni 2024 beim AfD-Bundesparteitag in Essen (NRW) durch einen 67-jährigen AfD-Delegierten, der den Betroffenen durch einen Biss in die Wade verletzte und der Angriff auf eine Wohneinrichtung der Lebenshilfe für Menschen mit Behinderungen in Mönchengladbach (NRW) im PMK Rechts Überblick des LKA NRW, wie die Opferberatung Rheinland recherchiert hat.
Grundsätzlich erfassen sowohl die PMK-Statistiken der Polizeibehörden als auch die Statistiken der Opferberatungsstellen lediglich einen Ausschnitt der gewaltvollen Realität: Auch wenn sich die absoluten Zahlen unterscheiden: die Zunahme von gewalttätigem Rassismus und Antisemitismus als Tatmotive wird auch in den Polizeistatistiken – etwa in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern – sehr deutlich.
Während seit 2014 mehr als 27.230 Menschen bei rechten, rassistischen und antisemitisch motivierten Gewalttaten angegriffen und verletzt worden. Diese erschreckende Zahl ergibt sich aus dem Monitoring der Opferberatungsstellen. Das Bundeskriminalamt schätzt, dass es im gleichen Zeitraum mindestens 15.000 Betroffene gewalttätiger Hasskriminalität gab.
Bedrohungen, Nötigungen und der sogenannte Brandstifter-Effekt
In der Jahresbilanz der Opferberatungsstellen zeigt sich an der Anzahl der Bedrohungen und Nötigungen (2024: 1.212 / 2023: 1.020) auch der Effekt, der durch die Normalisierung von NS-Verherrlichung und Ideologien der Ungleichwertigkeit im Zuge von Wahlerfolgen rechtsextremer Parteien eintritt und mit Gewaltbefürwortung als Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele einher geht.
So ist laut einer Sonderauswertung der Mitte-Studie der Universität Bielefeld die Befürwortung politischer Gewalt bei AfD-Wähler:innen mit 23 Prozent deutlich höher als bei Wähler:innen demokratischer Parteien (Union: 9,5%, SPD: 9%, Linke: (4%, Grüne: 3%). Ein klares Nein zu Gewalt sprechen mit 48,5 Prozent weniger als die Hälfte der AfD-Anhängerschaft aus. Bei der Union lehnen 74 Prozent Gewalt ab, bei der SPD 79 Prozent. (vgl. Zick/Eden 2024, pollytix 2024). Schon in den Jahren 2016/2017 hatte ein Fünftel aller Befragten in einer repräsentativen Studie der Princeton University in Deutschland rassistische Hasskriminalität befürwortet, um Geflüchtete und Asylsuchende zu vertreiben. Fast die Hälfte der AfD-Wähler:innen befürwortete Aussagen wie „Fremdenfeindlichkeit gegen Flüchtlinge ist manchmal gerechtfertigt, auch wenn sie in Gewalt umschlägt“. (Dancygier 2022)
Einschlägige Bedrohungen haben – insbesondere wenn die Täter:innen aus der Nachbarschaft und/oder im direkten Wohnumfeld handeln – oft gravierende Folgen für die Betroffenen und werden strafrechtlich verfolgt: So ermittelt beispielsweise der polizeiliche Staatsschutz in Hamburg, nachdem eine Frau mit russischer Migrationsbiografie mehrfach Drohnachrichten per Chat, bei direkten Begegnungen im Hausflur und Zettel im Briefkasten erhalten hat. Der Nachbar droht ihr mit Bezug zu ihrer Herkunft u.a. damit, sie aus der Nachbarschaft zu vertreiben und sie ihre Haustiere zu töten. Häufig sind verbale rassistische Bedrohungen auch mit der Androhung von Waffengewalt verbunden, so wie etwa in Berlin, wo ein Mann am 1. September 2024 einen Wohnwagenplatz mit einer scharfen Schusswaffe betrat, die auf dem Platz lebenden Menschen rassistisch beleidigte und sie mit der Waffe bedrohte.
Alarmierender Anstieg queerfeindliche Gewalt gegen LGBTQ*, CSDs und Pride-Paraden
Besonders gravierend ist auch der Anstieg queer- und transfeindlicher Gewalttaten um 40% im Vergleich zum Vorjahr: (2024: 354 / 2023: 245). LGBTIQ*- Feindlichkeit hat in extrem rechten und autoritären Ideologien eine Scharnierfunktion – ähnlich wie Antisemitismus und Antifeminismus/Sexismus. Körperverletzungsdelikte (2024: 190 ) überwiegen hier deutlich gegenüber Bedrohungen und Nötigungen (2024: 99) Viele Angriffe fanden im öffentlichen Raum statt und waren vielfach gegen Teilnehmende und/oder Organisator:innen von Christopher-Street-Day und Pride-Paraden sowie gegen öffentlich bekannte Treffpunkte und Zentren der LGBTIQ*-Communities – mit teilweise gravierenden Folgen.
So verübten bis heute unbekannte Täter in den frühen Morgenstunden des 3. November 2024 einen Brandanschlag auf die Bar „B Sieben“, einem bekannten Treffpunkt der queeren Community in Rostock. Nach Polizeiangaben beobachteten Zeugen kurz nach 5 Uhr, wie ein dunkel gekleideter Mann einen Brandsatz durch eine Fensterscheibe in das Mehrfamilienhaus warf. Das Lokal brannte vollständig aus. Nur durch das schnelle Eingreifen der Feuerwehr konnte ein Ausbreiten der Flammen auf die Wohnungen über der Bar verhindert und deren Bewohner*innen unverletzt evakuiert werden. Bei dem Brandanschlag entstand ein Sachschaden in Höhe von rund 100.000 Euro. Die Bar, die schon im September 2024 Ziel eines versuchten Brandanschlags geworden war, konnte erst im April 2025 wieder eröffnet werden.
Die Auswirkungen von Neonazi-Mobilsierungen gegen CSD-Paraden und Veranstaltungen im gesamten Bundesgebiet waren erheblich: So kam es bei fast 70 CSDs es zu rechtsextremen Störungen und Angriffen auf an- und abreisende Teilnehmende sowie die Infrastruktur. Schon im Vorfeld des ersten CSD in Köthen (Sachsen-Anhalt) Mitte Juni 2024 hatte die Neonazikleinst-Partei Dritter Weg zu Störungen aufgerufen. Unbekannte verüben dann in der Nacht und am Morgen 15. Juni 2024 mehrere gezielte Anschläge: Gegen 4 Uhr versprühen Unbekannte Buttersäure auf dem Marktplatz sowie in der Bahnhofsunterführung. Morgens gegen 7:25 Uhr wird eine große Anzahl von Nägeln entdeckt, die Unbekannte auf dem Marktplatz der Kleinstadt ausgelegt hatten. Als am frühen Nachmittag etwa 400 Menschen unter dem Motto „Queer: Wir waren schon immer hier“ ausgehend vom Marktplatz durch die Stadt ziehen, sind sie entlang der Route mit queerfeindlichen Stickern und Plakaten konfrontiert. Zudem werden einzelne Teilnehmende queerfeindlich beleidigt. In mehreren Straßen der Stadt sind gesprühte Hakenkreuze und der Schriftzug „Kill all Gays“ zu finden. Am späteren Nachmittag wird schließlich ein 31-Jähriger homofeindlich beleidigt und gegen eine Wand gedrückt.
Im Anschluss an den Christopher Street Day in Leipzig kam es beispielsweise am 17. August 2024 zu mehreren queerfeindlichen Angriffen. In einer Straßenbahn wurden drei teils minderjährige Teilnehmende von einem Mann beleidigt. Nach dem Aussteigen verfolgte er sie weiter und verletzte eine Person am Auge. In einem weiteren Fall wurde eine Person von vier Männern beleidigt und bedroht. Als sie mit dem Fahrrad flüchtete, verfolgte sie einer der Täter. In Probstheida griffen Unbekannte zwei Personen aus queerfeindlichen Motiven an und schlugen sie. Zudem wurden in einer Tram abreisende CSD-Besucher*innen von fünf Männern bedrängt, die Hitlergrüße zeigten und verfassungsfeindliche Parolen skandierten. Zwei der Männer verfolgten später einige Betroffene, beleidigten sie antisemitisch und sexistisch und schlugen eine Person auf den Hinterkopf. Im September 2024 schützte die Polizei den CSD in Oranienburg (Brandenburg) nicht ausreichend, obwohl Neonazi-Gruppen wie „Deutsche Jugend voran“ und „Jung und Stark“ öffentlich mobilisiert hatten. Kurzfristig genehmigte die Einsatzleitung der Polizei den Neonazis sogar ihren Gegenaufmarsch nur 100meter vom Ende des CSD-Zugs durchzuführen. Abends bedrohten dann Rechte die Gäste einer After-Party der Linkjugend Solid auf der Straße. Ein CSD-Teilnehmende*r wurde auf dem Heimweg nachts um vier Uhr von Rechten vom Fahrrad gezogen und so massiv geschlagen, dass er bewusstlos wurde und im Krankenhaus behandelt werden musste.
Angriffe in Alltagssituationen beeinflussten in 2024 das Leben vieler Menschen aus den LGBTIQ*-Communities: So wurde beispielsweise in Weimar (Thüringen) Ende Juni 2024 ein Paar, nachdem sie Händchenhaltend auf der Straße unterwegs waren, aus einer Gruppe angesprochen, homofeindlich beleidigt und dann angegriffenen. Drei Angreifer schlagen dabei auf einen der Betroffenen ein. Anfang Juli 2024 wird ein schwules Paar in Gera von einer Person, die der extrem rechten Gruppierung „Gersche Jugend“ zugerechnet wird, angegriffen: Der Täter schlägt den Betroffenen ins Gesicht und zerbricht die Brille eines Betroffenen. Und im November 2024 werden am Rand einer Gewerkschaftskundgebung in Lüdenscheidt (NRW) mehrere Menschen von einer 39-jährigen Frau transfeindlich beleidigt und mit einer Hundeleine verletzt. Als eine weitere Person zur Hilfe eilte, wurde diese mit einem Schlagstock attackiert, den die Frau plötzlich aus ihrer Jacke zog.
Rassismus und Antisemitismus tatverstärkend: Vier Tötungsdelikte mit neun Opfern
Für das Jahr 2024 haben die Opferberatungsstellen vier Tötungsdelikte mit neun Opfern in die Jahresbilanz mit aufgenommen, bei denen die Beratungsstellen, Angehörige, Nebenklagevertreter*innen und in einem Fall auch die Sicherheitsbehörden davon ausgehen, dass Rassismus und/oder Antisemitismus tatleitend und/oder tatverstärkend waren.
Im Fall eines Brandanschlags am 25. März 2024 in einem überwiegend von Familien mit Migrationsbiografien aus Bulgarien bewohnten Mehrfamilienhaus Solingen starb eine vierköpfige Familie – die Eltern Katya Todorova Zhilova (28) und Kancho Emilov Zhilov (29) – und die Kleinkinder Galia Kancheva Zhilova (2) und Emili Kancheva (5 Monate). Mehrere Hausbewohner:innen überlebten zum Teil schwerverletzt. Zahlreiche Hinweise auf ein rechtsextremes Weltbild und mögliche rassistische Motive des geständigen 40-jährigen Täters sind erst durch die Nebenklagevertretung im Prozess am Landgericht Wuppertal bekannt geworden und wurden von den Ermittlungsbehörden zum Teil weder ausgewertet noch den Prozessbeteiligten vorgelegt. Ein Urteil in dem Verfahren wird frühestens im Juni 2025 erwartet. Der VBRG e.V. und die Opferberatung Rheinland haben eine Spendenkampagne für die Hinterbliebenen der bei dem Brandanschlag getöteten Familie gestartet: www.goodcrowd.org/solingen-2024
Von Rassismus als tatverstärkenden Motiv gehen die Opferberatungsstellen ReachOut (Berlin) und die Opferberatung Rheinland (OBR) auch bei zwei weiteren Tötungsdelikten aus:
Am 29. Februar 2024 wird am Busbahnhof in Gummersbach ein 24-jähriger Schwarzer Mann durch gezielte Messerstiche getötet. In der medialen Berichterstattung ist vom „Mord im Trinkermilieu“ die Rede. Erst in der Hauptverhandlung am Landgericht Köln wird deutlich, dass der Täter zuvor mehrfach gegenüber Dritten ankündigt hatte, „den Schwarzen töten“ zu wollen. Mehrere Zeug:innen bestätigten vor Gericht zudem das rassistische Weltbild des Täters anhand von einschlägigen Aussagen. Das Landgericht Köln verurteilte den 21-Jährigen im August 2024 wegen Mordes zu lebenslanger Haftstrafe. Im Urteil folgt das Gericht der Behauptung des Täters, es habe sich um eine Racheaktion gehandelt, die durch einen mehrere Jahre zurückliegenden Streit zwischen dem späteren Mordopfer und dem Angeklagten ausgelöst worden sei. Das rassistische Weltbild des Täters wird vom Gericht zwar anerkannt – ohne allerdings Rassismus als das tatauslösende oder verstärkende Motiv zu erkennen.
Am 11. Juli 2024 starb in Berlin-Wedding der Schwarze Familienvater William Chedjou an einem tödlichen Messerstich nach einem Streit um einen Parkplatz. Angehörige und Unterstützer:innen der Familie sowie die Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD) kritisierten das Urteil des Landgerichts Berlin, weil Rassismus als tatverstärkendes Motiv nicht berücksichtigt wurde – und dem unbewaffneten William Chedjou eine Mitverantwortung zugeschrieben wurde.
Beim islamistischen Terroranschlag am Abend des 23. August 2024 in Solingen, tötete ein 27-jähriger Anhänger der Terrororganisation „Islamischer Staat“ während des städtischen „Festivals der Vielfalt“ auf dem Marktplatz in Solingen drei Menschen: Ines W. (56 Jahre), Stefan S. (67 Jahre) und Florian H. (56 Jahre). Acht weitere Menschen wurden verletzt, vier davon schwer. Ein tödlicher israelbezogener Antisemitismus, der im IS-Bekennervideo als zentrales Motiv des Anschlags sichtbar wird, führt bei RIAS NRW, der Landesregierung Nordrhein Westfalen und der Opferberatung Rheinland dazu, dass der Anschlag als antisemitische Tat gewertet wird.
Im Monitoring des VBRG wird – analog zum Themenfeld Hasskriminalität der PMK des BKA – antisemitische Gewalt unabhängig von der politischen oder religiösen Selbstverortung der Täter:innen dokumentiert. Darunter zählen Formen der Shoa-Leugnung und Verherrlichung ebenso wie post-Shoah-Antisemitismus und des israelbezogenen Antisemitismus.
Untererfassung bei den Tatmotiven Sozialdarwinismus/gegen Wohnungslose und Behindertenfeindlichkeit.
Wie in den Vorjahren gehen die Opferberatungsstellen davon aus, dass bei der Erfassung von 49 (2023: 47) sozialdarwinistisch/gegen Wohnungslose gerichteten Gewalttaten nur ein minimaler Ausschnitt der gewaltvollen Realität erfasst worden ist. Dazu gehört etwa der Angriff auf einen obdachlosen Mann in den frühen Morgenstunden des 18. Mai 2024 am Bahnhof Warschauer Straße, der von einem Unbekannten die Treppe hinuntergestoßen und dabei so verletzt wird, dass er ins Krankenhaus gebracht werden muss. Auch bei den von den Opferberatungsstellen registrierten Angriffen gegen Menschen mit Behinderungen (2024: 19 / 2023: 14) ist davon auszugehen, dass viele Betroffene und ihre Bezugspersonen aus Angst vor weiteren Bedrohungen die Vorfälle nicht zur Anzeige bringen und/oder keinen Zugang zu Unterstützung finden.
[1] Für das Jahr 2024 stellen die Opferberatungsstellen in folgenden Bundesländern ein flächendeckendes, unabhängiges Monitoring zur Verfügung und tragen zur Jahresbilanz 2024 des VBRG e.V. bei: Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen.
Jahresbilanzen 2024 der Opferberatungsstellen in den Bundesländern:
Bayern: Pressemitteilung B.U.D. Bayern und BEFORE vom 20.05.2025 | Angriffsstatistik 2024 von B.U.D. Bayern | Jahresbilanz BEFORE München | B.U.D. Jahresbericht 2024
Baden-Württemberg: Jahresstatistik von Leuchtlinie: Rechte Gewalt in Baden-Württemberg 2024
Berlin: Pressemitteilung von ReachOut vom 29.04.2025, Berliner Register Jahresstatistik 2024,
Brandenburg: Pressemitteilung Opferperspektive e.V. Rechte Gewalt 2024 / Jahresstatistiken 2002 – 2023
Hamburg: folgt
Mecklenburg-Vorpommern: Pressemitteilung LOBBI vom 04.04.2025
Nordrhein-Westfalen: Pressemitteilung von Opferberatung Rheinland und BackUp vom 06.05.2025
Sachsen-Anhalt: Pressemitteilung Mobile Opferberatung Sachsen-Anhalt vom 03.04.2024 / Jährliche Statistiken
Sachsen: Pressemitteilung Support des RAA Sachsen e.V. vom 15.04.2024 / Jahresstatistiken 2006 – 2024
Schleswig-Holstein: Angriffsstatistiken zebra e.V.
Thüringen: Pressemitteilung Opferberatungsstelle ezra vom 03.04.2025
Quellen
Am unabhängigen Monitoring des VBRG für das Jahr 2024 nahmen 15 Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt teil sowie eine Meldestelle in Berlin.
• BADEN-WÜRTTEMBERG – Leuchtlinie • BAYERN – B.U.D. Bayern + BEFORE München • BERLIN – ReachOut + RIAS Berlin • BRANDENBURG – Opferperspektive • HAMBURG – empower • HESSEN – response. • MECKLENBURG-VORPOMMERN – LOBBI • NORDRHEIN-WESTFALEN – Opferberatung Rheinland + BackUp • SACHSEN – SUPPORT RAA Sachsen • SACHSEN-ANHALT – Mobile Opferberatung + Opferberatung Dessau • SCHLESWIG-HOLSTEIN – zebra e.V. • THÜRINGEN – ezra