Folge #28 Vor Ort – gegen Rassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt. Die Podcastserie von NSU Watch und VBRG e.V.
Vor Ort #28 im NSU2.0-Prozess mit Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz, Martina Renner (Bundestagsabgeordnete Die Linke), Nebenklagevertreterinnen Antonia von der Behrens und Kristin Pietrzyk
Im Mittelpunkt der Folge #28 steht die bundesweite Serie rechtsextremer, rassistischer und misogyner Morddrohungen im NSU2.0-Komplex und der Stand der Aufklärung im Prozess am Landgericht Frankfurt am Main. Mit den 17 Abfragen in drei Polizeidatenbanken am 2. August 2018 zu den besonders geschützten Daten der Frankfurter Rechtsanwältin und NSU-Nebenklagevertreter*in Seda Basay-Yildiz begann die Drohserie des NSU2.0. Im Gespräch im Podcast #28 „Vor Ort“ mit Seda Basay-Yildiz und der Bundestagsabgeordneten Martina Renner (Die Linke) sowie ihren Anwältinnen Antonia von der Behrens und Kristin Pietrzyk wird deutlich: Ohne Mittäter*innen aus Kreisen der hessischen Polizei wäre diese beispiellose rechtsextreme Drohserie, deren Verursacher bewusst auf die rassistische Mord- und Anschlagsserie des NSU Bezug nehmen, nicht möglich gewesen.
Mehr als vier Jahre nach der ersten Morddrohung gegen Seda Basay-Yildiz und ihre minderjährige Tochter begann im Februar 2022 am Landgericht Frankfurt am Main der Strafprozess. Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage einer Einzeltäterthese nach und geht davon aus, dass der Beschuldigte Alexander M. aus Berlin die über 140 Drohschreiben alleine verfasst haben soll. Inzwischen wurde in der Hauptverhandlung deutlich, dass im 1. Revier der Frankfurter Polizei seit Beginn der Ermittlungen gegen sechs mutmaßlich an einer rechten Chatgruppe beteiligte Polizeibeamt*innen Beweismittel vernichtet und manipuliert wurden, um einen Polizeibeamten zu schützen, der schon zuvor mit extrem rechten Einstellungen aufgefallen war.
Im Podcast erklären die Nebenklägerinnen und ihre Anwältin detailliert, welche Lücken die Staatsanwaltschaft bei den Ermittlungen gegen möglicherweise beteiligte Polizist*innen gelassen hat und welche Folgen die Bedrohungen für viele Betroffene des NSU2.0-Komplexes hatten und haben.
Antonia von der Behrens erläutert im Podcast einen Beweisantrag, wonach die Nebenklage starke Indizien dafür sieht, dass der in Frankfurt Angeklagte A. M. zwar für 82 Drohschreiben verantwortlich sei, er aber für das erst Drohfax des NSU 2.0 an Seda Basay-Yildiz und ihrer kleinen Tochter freizusprechen sei. Dieses Fax, davon ist die Nebenklage überzeugt, habe der Polizeibeamte Johannes S. nach der rechtswidrigen Datenabfrage im 1. Polizeirevier Frankfurt im August 2018 versandt.
Martina Renner beschreibt im Podcast, wie einige Betroffene dem Gericht weitere Drohschreiben vorlegten, die bislang nicht Gegenstand des Verfahrens waren und von der Staatsanwaltschaft bei der Anklage nicht berücksichtigt wurden. Kristin Pietrzyk zeichnet die unvollständigen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Frankfurt nach und betont: Nur Dank der Aufmerksamkeit der Betroffenen kann das Gericht sich nun ein vollständigeres Bild machen.
Links aus dem Podcast:
„Kurzgutachten zur Serie von Drohschreiben des sogenannten NSU 2.0“ [ zum Download als PDF ]; Autor*in: Karolin Schwarz, freie Autorin, Journalistin und Expertin für Desinformation und Rechtsextremismus im Netz
Prozessbeobachtung bei NSU-Watch Twitter und Instagram
Prozessberichte der Frankfurter Rundschau
Berichte zum NSU 2.0-Prozess bei der Linksfraktion Hessen
Sammelband „Extreme Sicherheit: Rechtsradikale in Polizei, Bundeswehr, Verfassungsschutz und Justiz“ (Hg. Heike Kleffner/Matthias Meisner), Sonderausgabe der Bundeszentrale für politische Bildung