Eine aktualisierte Auswertung der im VBRG e. V. zusammengeschlossenen Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, zeigt nun: Es droht eine Ausweitung der Gefahrenzonen für demokratisch und zivilgesellschaftlich Engagierte sowie weitere Zielgruppen rechter Angriffe. Denn im Kontext der Kommunal- und Europawahl sowie der Landtagswahlen in Brandenburg, Sachsen und Thüringen wird vielerorts die Präsenz und Bedrohung durch die militante Anhängerschaft der AfD im öffentlichen Raum zunehmen.
Zielgruppen: Journalist*innen, demokratisch Engagierte und Betroffene von Rassismus
„Im unabhängigen Monitoring der Opferberatungsstellen sehen wir: Hauptsächliche Zielgruppen von gewalttätigen Angriffen durch AfD-Funktionär*innen und Mitglieder der rechtsextremen Partei sind aktuell Journalist*innen sowie Menschen, die an Protesten gegen Rechtsextremismus und gegen AfD-Versammlungen teilnehmen. Aber auch von Rassismus Betroffene sowie Abgeordnete und Vertreter*innen demokratischer Parteien sind unmittelbar Bedrohungen ausgesetzt“, sagt Judith Porath vom Vorstand des Verbands der Opferberatungsstellen VBRG e.V. und Geschäftsführerin der Opferperspektive e.V. in Brandenburg. Dass auch gewählte Abgeordnete und Mandatsträger als brutale Schläger aufträten, entspreche nicht der gängigen Vorstellung rechter Gewalttäter bei Ermittlungsbehörden und Justiz. Umso wichtiger sei es, dass der Rechtsstaat sich auf die Seite der Angegriffenen stellt.
„Seit einigen Jahren sehen wir mit großer Sorge, wie flächendeckend – und keineswegs nur in Ostdeutschland – die Gewaltbereitschaft auch bei Mandatsträger*innen und Funktionär*innen der AfD sowie deren Anhänger*innen zunimmt“, sagt Judith Porath weiter. Auf diese gefährliche Entwicklung hatten die Opferberatungsstellen schon in einer Analyse im Mai 2023 hingewiesen.
Es ist wichtig zu verstehen, dass die Gefahr, die davon ausgeht, nicht abstrakt ist: sondern für viele Menschen reale Konsequenzen hat, betonen die Beratungsstellen: „Das sehen wir in der alltäglichen Arbeit, also bei der Beratung und Begleitung der Angegriffenen – etwa bei der Anzeigestellung ebenso wie bei den oft langwierigen strafrechtlichen Ermittlungen und Gerichtsverfahren“, sagt VBRG-Vorstandsmitglied Judith Porath.
Klassische rechtsextreme Täter-Opfer-Umkehr
Die Täter*innen zeigen vor Gericht in der Regel keine Reue, sondern inszenierten sich als Opfer und berufen sich auf vermeintliche Notwehr.
Etwa im Fall eines Teilnehmers einer Bündnis-Kundgebung gegen einen sogenannten „AfD-Bürgerdialog“ in Köln-Kalk im April 2019, der vom heutigen Vorsitzenden der Jungen Alternative NRW angefahren worden war. Fast fünf Jahre später, im Februar 2024 verurteilte das Landgericht Köln den JA-Funktionär wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung. Rechtsanwalt Eberhard Reinicke aus Köln, der den Angegriffenen vertritt, betont: „Für den Betroffenen ist die lange Verfahrensdauer eine große Belastung. Mit dem Urteil des Landgerichts Köln im Februar 2024 sind wir zufrieden, weil das Gericht im dritten Anlauf die vom Angeklagten behauptete Täter-Opfer-Umkehr zurückgewiesen hat.“ Diese Art der Täter-Opfer-Umkehr sei „klassisch für rechtsextreme Gewalttäter“, sagt Rechtsanwalt Reinicke.
Diese Täter-Opfer-Umkehr wird auch von der Parteiführung gestützt: So stellte sich etwa Ende März 2023 der stellvertretende AfD-Landesvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider, demonstrativ vor einen Kreistagsabgeordneten seiner Partei, der innerhalb von vier Monaten zwei Mal in erster Instanz wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt worden war. In anderen Fällen zeigt sich, wie die Parteifunktionäre intervenieren, um Imageschäden für die Partei durch Gewalttaten von Mitgliedern abzuwenden.
„Nach dem Angriff mit einem Auto durch ein damaliges AfD-Mitglied gegen antifaschistische Gegendemonstrant*innen in Henstedt-Ulzburg im Herbst 2020, hat der damals amtierende AfD-Kreisvorsitzende Julian Flak sofort dafür gesorgt, dass der Täter aus der Partei austritt. Das hat die Beweisaufnahme im erstinstanzlichen Prozess am Landgericht Kiel ergeben“, sagt Rechtsanwalt Björn Elberling, der die Betroffenen als Nebenkläger*innen vertritt. „Im Übrigen zeigt der Prozess und die Verurteilung, was leider bittere Realität ist: AfD-Mitglieder und Anhänger setzen die Parteipropaganda in Gewalt gegen politische Gegner*innen um“, betont Rechtsanwalt Elberling.
Übereinstimmung zwischen Praxis und Forschung
Die Fälle aus dem unabhängigen Monitoring der Opferberatungsstellen und aus deren Beratungspraxis stimmen mit aktuellen Forschungsergebnissen überein. Die US-amerikanische Politikprofessorin Rafaela Dancygier (Princeton University) hat im Februar 2023 ihre Untersuchungsergebnisse zur Unterstützung für rassistische Hassgewalt gegen Geflüchtete in Deutschland in den Jahren 2016/2017 in der renommierten Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht. Ein knappes Fünftel der Befragten befürwortet demnach Gewalt gegen Geflüchtete. Die Mehrheit dieser Befürworter*innen gaben an, AfD zu wählen. Kandidat*innen, die offen zu rassistischer Gewalt aufrufen, seien bei Wähler*innen der AfD besonders populär, stellt die Studie weiter fest. Dies könne, so die Politikwissenschaftlerin, einen Anreiz für die weitere Radikalisierung der Partei darstellen.
Dass die AfD zu rassistischem Hass aufstachelt und als Stichwortgeberin für rechte Gewalt agiert, ist ein Vorwurf, den sich die Partei gefallen lassen muss – spätestens seit der Kampagne gegen die Aufnahme syrischer Kriegsflüchtlinge und den rassistischen Ausschreitungen in Chemnitz 2018 sowie dem nachfolgenden Neonazi-Mord an Walter Lübcke. Zunehmend aber treten nun AfD-Funktionär*innen selbst als Gewalttäter*innen auf. Ein Zeichen für diese gestiegene Gewaltbereitschaft ist auch die mutmaßliche Verstrickung von Parteimitgliedern und einer ehemaligen Bundestagsabgeordneten in die vom Generalbundesanwalt als terroristische Vereinigung eingestufte Reichsbürger*innen-Gruppe.
Zwei Dutzend Beispielfälle aus dem unabhängigen Monitoring der im VBRG zusammengeschlossenen Opferberatungsstellen zeigen die zunehmende Gewaltbereitschaft von AfD-Funktionär*innen und Anhänger*innen:
1) Sachsen, September 2023
Ehemaliger Beisitzer im AfD-Landesvorstand wegen rassistischer Misshandlungen in der JVA Dresden verurteilt
Nach rassistischen Misshandlungen u.a. eines tunesischen Häftlings im Juli 2018 in der JVA Dresden bestätigt das Landgericht Dresden am 22. September 2023 das Urteil der ersten Instanz gegen den ehemaligen JVA-Beamten und ehemaligen Beisitzer im AfD-Landesvorstand Sachsen, Daniel Zabel: Er wird u.a. wegen gefährlicher Körperverletzung im Amt zu einer Bewährungsstrafe von 16 Monaten verurteilt. In einer Chatgruppe von JVA-Bediensteten hatten Zabel und weitere Mitangeklagte mit den Misshandlungen geprahlt. Die Chats seien „unverhohlen von Selbstjustiz und menschenverachtender Gesinnung“ getragen, befand das Landgericht. Daniel Zabel, der im September 2018 den Haftbefehl eines Unschuldigen an die Medien geleakt und damit die rassistischen Mobilisierungen in Chemnitz 2018 befeuert hatte, hat gegen das Urteil Revision eingelegt, über die das Oberlandesgericht Dresden entscheidet.
(Quellen: Sächsische Zeitung, Opferberatung SUPPORT der RAA Sachsen)
2) Nordrhein-Westfalen, Februar 2024
Im dritten Anlauf: JA-Vorsitzender NRW wegen Pkw-Angriff auf Gegendemonstranten verurteilt
Das Kölner Landgericht bestätigt am 23. Februar 2024 im dritten Anlauf ein früheres Urteil wegen eines Angriffs des derzeitigen Vorsitzenden der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative NRW auf einen Gegendemonstranten. Der JA-Funktionär Felix Cassel wurde zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. „Der hat Gas gegeben“, beschrieb der 30-jährige Nebenkläger den Angriff. Der Angeklagte hatte ihn knapp fünf Jahre zuvor nach einem sogenannten „AfD-Bürgerdialog“ am 7. April 2019 in Köln-Kalk angefahren, als er sich auf dem Heimweg von einem Gegenprotest des „Bündnis gegen Rechts“ befand. Wäre der Betroffene nicht so sportlich gewesen, wären ihm wohl beide Beine gebrochen worden, so der Richter in der mündlichen Urteilsbegründung. Der verurteilte JA-Funktionär hat Revision gegen das noch nicht rechtskräftige Urteil eingelegt.
(Quellen: u.a. WDR)
3) Bayern, Februar 2024
Angriff auf Journalisten bei einer Veranstaltung unter Schirmherrschaft von AfD-Landtagsabgeordneten
Ein freier Journalist, der über die Gründung einer AfD-nahen „Interessenvertretung kleinbäuerliche Landwirtschaft“ am 4. Februar 2024 in Sammarei (Landkreis Passau) berichten wollte, wird gewaltsam aus dem Saal gedrängt. Anschließend wird er vom Pächter der Gaststätte, dem Passauer AfD-Stadtrat Robert Schregle, so gestoßen, dass er eine Verletzung am Sprunggelenk erlitt. Schirmherr der Veranstaltung war der AfD-Landtagsabgeordnete Ralf Stadler.
(Quellen: u.a. Blog radikaltrivial )
4) Sachsen-Anhalt, Januar 2024
AfD-Kreistagsabgeordneter tritt junger Frau in den Bauch
Das Landgericht Halle (Saale) bestätigt in zweiter Instanz am 24. Januar 2024 die Verurteilung des AfD-Kreistagsabgeordneten Sven Ebert (54) aus dem Saalekreis nach einem Angriff eine junge Frau wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung und wies dessen Berufung ab. Der AfD-Politiker und ein weiterer Mann hatten die Angegriffene und ihre Begleiterinnen verdächtigt, im Mai 2021 AfD-Wahlplakate beschmiert zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte dem Umzugsunternehmer vorgeworfen, die junge Frau unvermittelt mit Reizgas attackiert, in den Bauch getreten und ins Gesicht geschlagen zu haben. Das Amtsgericht Merseburg erließ gegen den AfD-Kreistagsabgeordneten und Umzugsunternehmers im Sommer 2023 daraufhin einen Strafbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung, nachdem er zur erstinstanzlichen Verhandlung nicht erschien. Ebert hat Revision gegen das Urteil des Landgerichts Halle eingelegt, darüber entscheidet nunmehr das Oberlandesgericht Naumburg. Ebert war zuvor im Dezember 2022 wegen eines Pfefferspray-Angriffs auf Studierende der Universität Halle zu einer sechsmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Auch gegen diese Verurteilung legte der AfD-Kreistagsabgeordnete Rechtsmittel ein.
(Quellen: u.a. Mitteldeutsche Zeitung)
5) Schleswig-Holstein, Dezember 2023
Mehrjährige Haftstrafe: Antifaschistische Demonstrant*innen durch ehemaliges AfD-Mitglied verletzt
Nach einem Angriff auf vier antifaschistische Demonstrant*innen verurteilte das Landgericht Kiel am 23. Dezember 2023 den jetzt 23-jährigen Angreifer, der zum Tatzeitpunkt AfD-Mitglied war, wegen gefährlicher Körperverletzungin vier Fällen und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer dreijährigen Haftstrafe. Die antifaschistischen Demonstrant*innen waren teilweise schwer verletzt worden, als das damalige AfD-Mitglied im Oktober 2020 in Henstedt-Ulzburg (Schleswig-Holstein) mit einem tonnenschweren SUV Pick-Up in mehrere Gegendemonstrant*innen hineinfuhr, die zuvor an einer Protestkundgebung gegen eine AfD-Veranstaltung teilgenommen hatten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
(Quellen: u.a. Podcast „Vor Ort“ #46, Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg)
6) Niedersachsen, Dezember 2023
Im Landtag: Grünen-Abgeordnete bedroht
Die Landtagsabgeordneten Djenabou Diallo-Hartmann und Eva Viehoff (Bündnis 90/ Die Grünen) werden am 13. Dezember 2023 im Foyer des niedersächsischen Landtags von dem AfD-Abgeordneten Marcel Queckemeyer u.a. mit dem Satz „Die Grünen müssen abgewählt werden. Die muss man niedertreten und dann weg“ bedroht. Seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft Hannover wegen des Verdachts der Bedrohung. Queckemeyer, der sich nach Kritik an der Gewaltandrohung entschuldigte, war bereits im September 2023 von dem Landtagspräsidium aus dem Parlament verwiesen worden.
(Quellen: u.a. NDR)
6) Nordrhein-Westfalen, Dezember 2023
Polizist*innen gefährdet: AfD-Ratsherr kurzzeitig festgenommen
Während einer Ratssitzung in Velbert (Nordrhein-Westfalen) nehmen Polizisten am 12. Dezember 2023 einen Kommunalpolitiker der AfD fest. Der AfD-Ratsherr Roman Mrugalla hatte bei einer Verkehrskontrolle in Dortmund im Vorjahr nicht gebremst, sondern war auf einen Polizisten zugefahren, der sich durch einen Sprung zur Seite rettenmusste. Einen daraufhin erlassenen Strafbefehl wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr, tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu 90 Tagessätzen bezahlte der AfD-Mann nicht, daher war eine Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet worden. Zwei Tage nach seiner kurzzeitigen Festnahme bezahlte der Verurteilte schließlich.
(Quellen: Westdeutsche Allgemeine Zeitung und Tagesspiegel)
8) Thüringen, November 2023
Angriff auf Journalisten bei einer AfD-Veranstaltung
Ein Journalist der Ostthüringer Zeitung (OTZ) wird bei einer AfD-Veranstaltung am 16. November 2023 in Plothen im Saale-Orla-Kreis (Thüringen) von AfD-Anhänger*innen bedroht und geschlagen. Als der Reporter kurze Zeit später in sein Auto steigt und losfahren will, bemerkt er, dass sich in allen vier Reifen Schrauben befanden, die bis zum Kopf versenkt worden waren.
(Quellen: u.a. Mitteldeutscher Rundfunk)
9) Bayern, November 2023
Berufungsverhandlung gegen neu gewählten AfD-Landtagsabgeordneten verschoben
Eine für den 8. November 2023 terminierte Berufungsverhandlung vor dem Landgericht München gegen den im Herbst 2023 frisch gewählten AfD-Landtagsabgeordneten Rene Dierkes wird kurzfristig abgesagt: Bei dem Rechtsanwalt war bei einer polizeilichen Kontrolle am Rand einer Bündnis-Kundgebung gegen eine AfD-Veranstaltung mit dem damaligen AfD-Bundestagsfraktionsvorsitzenden Alexander Gauland am 17. September 2021 in Weilheim ein Pfefferspray beschlagnahmt worden. Dierkes war deshalb in erster Instanz im April 2022 wegen Verstoß gegen das Bayerische Versammlungsgesetz zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen à 80 Euro verurteilt worden. Der Beschuldigte legte Rechtsmittel ein. Weil Dierkes eine Woche vor dem Berufungstermin als Abgeordneter der AfD in den bayrischen Landtag einzog, wurde die Hauptverhandlung verschoben. Dierkes hatte im August 2023 Schlagzeilen gemacht, als er auf Facebook ein Kopfgeld auf die Identifizierung einer Antifa-Aktivistin ausgelobt und ein Foto der Betroffenen geteilt hatte.
(Quellen: u.a. t-online.de; Süddeutsche Zeitung)
10) Nordrhein-Westfalen, November 2023
Ehemaliger Mitarbeiter der AfD-Stadtratsfraktion wegen Angriff in erster Instanz verurteilt
Ein ehemaliger Mitarbeiter der AfD-Fraktion im Kölner Stadtrat wurde wegen fahrlässiger Körperverletzung und Nötigung im November 2023 zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu 15 Euro verurteilt, weil er ein Jahr zuvor Teilnehmer*innen einer Demonstration in Köln (Nordrhein-Westfalen) angegangen hatte. Der damals 32-Jährige räumte in einem Teilgeständnis ein, er habe geglaubt, dass die Demonstration gegen die AfD gerichtet gewesen sei. Tatsächlich richtete sich der Protest gegen eine Kundgebung einer verschwörungsideologischen Initiative vor der nahegelegenen ARD-Rundfunkratssitzung. Das Urteil des Amtsgerichts ist nicht rechtskräftig.
(Quelle: Kölner Stadt-Anzeiger)
11) Brandenburg, September 2023
Angriffe auf Gegendemonstrant*innen und Polizist*innen bei AfD-Kundgebung
Im Verlauf einer AfD-Kundgebung am 13. September 2023 in Luckenwalde (Brandenburg) kommt es zu mehreren Angriffen: Ein AfD-Kundgebungsteilnehmer beleidigt einen Polizisten rassistisch als „dreckigen K*“ und greift dann anschließend einen Polizisten an. Ein AfD-Anhänger schlägt eine Person, die an einer antifaschistischen Gegendemonstration teilnimmt, nachdem er zuvor erfolglos versucht hatte, mit seinem Fahrrad einen Gegendemonstranten umzufahren. Ein anderer Gegendemonstrant wird gezielt mit einem Laserpointer geblendet.
(Quellen: u.a. Opferperspektive e.V.)
12) Bayern, August 2023
Landtagswahlkampf: Ermittlungen wegen Verdachts der Körperverletzung gegen AfD-Politiker
Bei einem nicht genehmigten AfD-Infostand im Landtagswahlkampf in Burglengenfeld (Landkreis Schwandorf) kommt es am 19. August 2023 zu einer Auseinandersetzung zwischen AfD-Wahlkämpfern und einer Gruppe von Menschen, die deren Ansichten widersprachen. Die Kriminalpolizei Amberg teilte mit, man ermittele gegen einen AfD-Politiker wegen Verdachts der Körperverletzung.
(Quelle: Bayrischer Rundfunk)
13) Bayern, August 2023
Nach Angriff auf Journalisten: Haftstrafe für vorbestraften AfD-Aktivisten
Weil er einen Reporter des Bayrischen Rundfunks bei einer Pressekonferenz des bayerischen Gesundheitsministers zur Corona-Impfpolitik auf dem Münchner Marienplatz im August 2022 ins Gesicht geschlagen hatte, wird ein AfD-Aktivist am 7. August 2023 zu einer zehnmonatigen Haftstrafe verurteilt. Der 24-Jährige befand sich bereits wegen mehrerer Straftaten in Haft, unter anderem hatte er bei einer früheren Gerichtsverhandlung den Hitlergruß gezeigt, außerdem beleidigte er Polizisten rassistisch und homophob.
(Quellen: Bayrischer Rundfunk, Tagesspiegel)
14) Thüringen, Juni 2023
Polizist*innen angegriffen: AfD-Kreistags-Fraktionsvorsitzender verurteilt
Wegen tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Beleidigung verurteilt das Amtsgericht Mühlhausen Ende Juni 2023 den Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Kreistag Unstrut-Hainisch (Thüringen) zu sieben Monaten und einer Woche Haft auf Bewährung. Iven Görbig hatte im Dezember 2021 bei einer Demonstration gegen Covid19-Schutzmaßnahmen in Mühlhausen randaliert. Das Urteil ist rechtskräftig.
(Quelle: Mitteldeutscher Rundfunk)
15) Baden-Württemberg, Juni 2023
Gäste einer Shisha-Bar bedroht: Ermittlungen gegen AfD-Landtagsabgeordneten
Weil er u.a. Gäste einer Shisha-Bar mit einer Softair-Waffe bedroht haben soll, ermittelt die Staatsanwaltschaft in Stuttgart seit Juni 2023 unter anderem wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz, versuchter Körperverletzung und Angriffs auf Vollstreckungsbeamte gegen Udo Stein, seit 2016 Landtagsabgeordneter der AfD in Baden-Württemberg. Bei der Durchsuchung des Büros des 40-Jährigen im Stuttgarter Landtag wurden am 16. Juni 2023 ein Jagdmesser und Munition sichergestellt. In Privaträumen des Waffenscheinbesitzers stellten Polizisten u.a. 11 Langwaffen, 3 Softair-Waffen und mehr als 1000 Schuss Munition sicher. Der Abgeordnete muss sich seit seiner Rückkehr in den Landtag einer Personenkontrolle unterziehen, bevor er das Parlament betreten darf.
(Quellen: u.a. Südwestdeutscher Rundfunk 9.7.23 und 11.7.23; Focus; Süddeutsche Zeitung)
16) Thüringen, April 2023
Angriff auf Journalisten bei AfD-Kundgebung mit Björn Höcke und Alice Weidel
Ein Reporter der Ostthüringer Zeitung wurde bei einer AfD-Veranstaltung am 29. April 2023 in Erfurt von einem AfD-Anhänger angegriffen. Filmaufnahmen des MDR zeigen, wie der Journalist, der über die AfD-Veranstaltung mit Alice Weidel und dem Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke berichtete, von einem Teilnehmer der AfD-Kundgebung mit erhobener Faust bedrängt und angegriffen wird. Gegen die Angreifer wird wegen versuchter Körperverletzung ermittelt.
(Quelle: Ostthüringer Zeitung)
17) Brandenburg, April 2023
Angriff auf Gegendemonstranten
Ein antifaschistischer Protestierer wird von einem AfD-Sympathisant am 26. April 2023 am Rand einer AfD-Kundgebung mit 300 Teilnehmenden in Mittenwalde (Landkreis Dahme-Spree) niedergeschlagen, um ihm eine Fahne mit der Aufschrift “FCK AFD” zu entreißen. Der Angreifer raubt die Fahne.
(Quelle: Opferperspektive e.V.)
18) Niedersachsen, März 2023
Misogynie und Stalking: AfD-Ratspolitiker bleibt im Amt
Weil er seine ehemalige Partnerin misogyn bedroht und gestalkt hatte, wird ein AfD-Lokalpolitiker aus Salzgitterunter anderem wegen Erpressung und versuchter Nötigung i Ende März 2023 in zweiter Instanz vom Landgericht Braunschweig zu einer Freiheitsstrafe von 17 Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Rat der Stadt hat den AfD-Mann aufgefordert, sein Mandat zurückzugeben, was die AfD-Fraktion ablehnte.
(Quelle: Braunschweiger Zeitung)
19) Bayern, März 2023
AfD-Landtagsabgeordneter postet Video vom Versuch, Person of Colour aus einem Zug zu stoßen
Am 28. März 2023 veröffentlichte der Passauer AfD-Landtagsabgeordnete Ralf Stadler auf seinem Telegram-Kanal ein Video, das er auf einer Zugfahrt von München nach Passau aufgenommen hatte. Stadler bezeichnet darin zwei Fahrgäste of Colour u.a. als „Pack“ und filmt, wie er versucht, eine der Personen aus dem Zug zu stoßen. Auf eine parlamentarische Anfrage des Grünen-Landtagsabgeordneten Toni Schuberl teilt die Bayerische Staatsregierung im November 2023 mit, dass ein Vorermittlungsverfahren gegen Stadler wegen des Vorfalls ergebnislos eingestellt wurde.
(Quellen: Passauer Neue Presse; Bayrischer Landtag Dr. 18/30533 vom 18.11.2023)
20) Berlin, Februar 2023
AfD-Bezirksverordneter beißt Schwarze Musikjournalistin
Die Musikjournalistin Steph Karl leidet seit einem rassistischen Angriff unter Schlafstörungen, Angst und Panikattacken. Dr. Kai Borrmann, AfD-Bezirksverordneter in Berlin-Mitte, wurde am 14. Februar 2023 für seinen Angriff auf die Musikjournalistin in erster Instanz vom Amtsgericht Tiergarten wegen Körperverletzung und Beleidigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 180 Tagessätzen á 60 Euro verurteilt. Der AfD-Politiker – Jahrgang 1966, Islamwissenschaftler und wissenschaftlicher Mitarbeiter eines AfD-Abgeordneten im Berliner Abgeordnetenhaus – hatte im August 2021 in einem Café in Berlin die beiden Frauen zuerst wiederholt mit dem N-Wort beleidigt. Als die Frauen das Café deshalb verließen, verfolgte der AfD-Mann die Frauen, schlug die Moderatorin ins Gesicht und biss ihr in den Arm. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Berufungsverhandlung am Landgericht Berlin ist für April 2024 angekündigt.
(Quellen: Tagesspiegel, 13.1.2023, ND, 14.2.2023, Tagesspiegel)
21) Baden-Württemberg, Januar 2023
Rechtskräftig: Ehemaliger AfD-Stadtrat verurteil
Das Oberlandesgericht Karlsruhe verwirft die Revision des ehemaligen Freiburger AfD-Stadtrates Dubravko Mandicgegen ein Urteil des Landgerichts Freiburg, das Mandic im Mai 2022 wegen gefährlicher Körperverletzung zu sieben Monaten Haft auf ein Jahr Bewährung verurteilt hatte. Ausgangspunkt war eine Auseinandersetzung von Mandic und einem Begleiter mit zwei nicht-rechten Fahrradfahrern im Mai 2019, die von Mandic verdächtigt wurden, Wahlkampfplakate der Partei beschädigt zu haben. Ein zufällig vorbeikommender Passant wird dabei von dem ehemaligen AfD-Stadtrat mit einem Tier-Abwehrspray ins Gesicht gesprüht.
(Quelle: Tagesspiegel)
22) Brandenburg, Dezember 2022
Wegen Freiheitsberaubung: Ehemaliger AfD-Kreistagsabgeordneter in erster Instanz verurteilt
Der Kreistagsabgeordnete und Panketaler Gemeindevertreter Marcel Donsch wurde im Dezember 2022 vom Amtsgericht Bernau in erster Instanz wegen gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Donsch musste sich verantworten, weil er gemeinsam mit zwei weiteren Angeklagten in Selbstjustiz einen Mann, dem Bekannte der Angeklagten Stalking vorgeworfen hatten, entführt und misshandelt haben soll. Die drei Komplizen sollen den Mann im Jahr 2015 in einen Lieferwagen gezerrt, entkleidet, gefesselt und in einem Waldstück zusammengeschlagen haben. Der Kommunalpolitiker, der 2015 in die AfD eintrat und 2019 für die Partei in den Kreistag Barnim (Brandenburg) einzog, ist seit Frühjahr 2022 Fraktionsvorsitzender der AfD-Abspaltung „Die Konservativen“. Der Verurteilte beschimpfte den Richter. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Berufungsverhandlung am Landgericht Frankfurt/Oder ist noch nicht terminiert.
(Quellen: MOZ, 3.1.2023)
23) Baden-Württemberg, Dezember 2022
Ehemaliger AfD-Kommunalpolitiker sticht Ersthelfer nieder
„Ich wollte nur helfen. Bis heute habe ich Alpträume.“ Das sagt ein 63-jähriger Freiburger, der gemeinsam mit seiner 52-jährigen Ehefrau im Juni 2021 spontan zwei Jugendlichen zu Hilfe kam, die von einem bewaffneten Mann attackiert wurden: Ein ehemaliger Freiburger Gemeinderatskandidat für die AfD wurde im Dezember 2022 vom Amtsgericht Freiburg in erster Instanz wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 1.200 Euro verurteilt. Am 12. Juni 2021 hatte der damals 39-Jährige zwei Jugendliche mit Reizgas attackiert, weil diese ihn als „Fascho“ beschimpft hatten. Das Ehepaar, das die Jugendlichen schützen wollte, besprühte der Angreifer daraufhin ebenfalls mit Reizgas. Der ehemalige AfD-Kandidat verletzte den 63-Jährigen außerdem mit einem Messer im Brustbereich. Die Staatsanwaltschaft Freiburg hatte lediglich den Pfefferspray-Angriff auf die Ersthelfer*innen angeklagt und den Messerstich des ex-AfD-Politikers als Notwehrhandlung gewertet. „Bis heute schmerzt mich der Vorfall“, sagt die 52-Jährige, die vor vielen Jahren aus Peru nach Freiburg kam, „alles Vertrauen ist weg.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Das Landgericht Freiburg hat die Berufungsverhandlung für Juli 2024 terminiert.
(Quellen: VBRG Podcast „Vor Ort“ #44 Gefährliche Normalität, SWR, 17.10.2022, Tagesspiegel)
24) Sachsen-Anhalt, Dezember 2022
AfD-Kreistagsabgeordneter greift Studenten mit Reizgas an
Nachdem ein damals 28-jährigen Student und sein Kommilitone nach dem Besuch der Universitätsmensa in Halle (Saale) im Frühjahr 2019 unvermittelt von einem AfD-Kreistagsmitglied angegriffen wurden, verließ der Verletzte aus Angst vor weiteren Angriffen die Stadt. Erst im Dezember 2022 verurteilte das Amtsgericht Halle (Saale) den Angreifer Sven Ebert in erster Instanz wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Bewährungsstrafe. Der AfD-Kreistagsabgeordnete aus dem Saalekreis hatte die beiden Studenten beleidigt („Verpisst euch aus meiner Stadt!“) und ihnen Pfefferspray direkt ins Gesicht gesprüht. Einige Wochen zuvor hatten die Geschädigten den AfD-Politiker in der Mensa zur Rede gestellt, weil der mit einem T-Shirt der rechtsextremen Identitären Bewegung den Campus betreten hatte. Gegen das Urteil hat der zur Tatzeit 50-jährige Umzugsunternehmer Berufung eingelegt, über die das Landgericht Halle voraussichtlich im Sommer 2024 entscheiden wird.
(Quellen: Mobile Opferberatung, 17.3.2023, Tagesspiegel)
25) Niedersachsen, November 2022
Ehemaliger AfD-Ratsherr verletzt Linken-Bundestagskandidatin
Die Paderborner Bundestagskandidatin der Linken, Martina Schu, wird im September 2021 bei einer Kundgebung so heftig gegen den Kopf geschlagen, dass sie ein Schleudertrauma erlitt. Der Täter, der damalige Soester Ratsherr und Kreistagsabgeordnete der AfD, Mirko Fischer, hatte an einer AfD-Wahlkampfveranstaltung mit Björn Höcke in Paderborn teilgenommen. Dabei ging er zielgerichtet auf Martina Schu zu, die an einer Gegendemonstration teilnahm, und attackierte sie ohne Vorwarnung. Die verletzte Politikerin will sich nicht einschüchtern lassen. Sie warf der AfD und ihren Mandatsträger*innen vor, „ein Klima der Angst schaffen, um Andersdenkende mundtot zu machen“. Das Paderborner Amtsgericht verurteilte den 51-jährigen AfD-Politiker im November 2022 wegen Körperverletzung zu einer Geldstrafe. Das Urteil ist inzwischen rechtskräftig.
(Quellen: Opferberatung BackUp, Soester Anzeiger, 29.11.2022, Tagesspiegel)