Folge #36 Vor Ort – gegen Rassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt. Die Podcastserie von NSU Watch und VBRG e.V.

Vor Ort #36 bei der „Open Lecture Series #6: Strafjustiz, Rassismus, Antisemitismus und psychische Erkrankung: Eine kritische Bestandsaufnahme zum dritten Jahrestag des Hanau-Attentats“

Im ersten Teil sprechen wir mit Christina Feist, Überlebende des antisemitischen, rassistischen und misogynen Attentats von Halle und Wiedersdorf an Yom Kippur 2019, Rechtsanwält*innen und Nebenklagevertreter*innen Dr. Kati Lang und Kristin Pietrzyk und Prof. Dr. med. Dr. phil. Andreas Heinz, Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Charité (Berlin).

Wie steht es um die Anerkennung von Rassismus und Antisemitismus als Tatmotive bei psychisch erkrankten Täter*innen durch die Strafjustiz? Und welche Folgen hat es für Verletzte und Hinterbliebene, wenn Rassismus und Antisemitismus nicht als Tatmotive durch die Justiz anerkannt werden? Welche Bedeutung hat die Pathologisierung von Rassismus und Antisemitismus im gesellschaftlichen Diskurs? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Open Lecture #6 und sind Schwerpunkt dieser Folge anlässlich des dritten Jahrestags des rassistischen Attentats von Hanau und der anhaltenden Bedrohung der Hinterbliebenen und Überlebenden durch den Vater des Attentäters.

Christina Feist spricht über ihre Erfahrungen und Erwartungen im Kontext der strafrechtlichen und medialen Aufarbeitung des antisemitischen, rassistischen und misogynen Attentats von Halle und Wiedersdorf an Yom Kippur 2019. Ihre Erfahrungen stehen dabei beispielhaft für diejenigen von vielen Verletzten und Überlebenden rechtsterroristischer Attentate, die sich dagegen wehren, dass durch eine mediale oder auch juristische Pathologisierung die ideologischen Motive der Täter*innen verharmlost oder negiert werden.

Die Rechtsanwält*innen und Nebenklagevertreter*innen Dr. Kati Lang und Kristin Pietrzyk sprechen über die Anforderung an die Strafjustiz, auch wenn Täter*innen aufgrund von schweren psychischen Erkrankungen nach § 20 Strafgesetzbuch als schuldunfähig gelten, die Tatmotive zu ermitteln und zu benennen.

Prof. Dr. med. Dr. phil. Andreas Heinz spricht aus der Praxis als Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Charité (Berlin) und über den Stand der Forschung zu folgenden Fragen: Beeinflussen gesellschaftliche und mediale Diskurse die ideologischen Tatmotive und die Opferauswahl, wenn psychisch erkrankte Menschen als Gewalttäter*innen handeln? Inwieweit besteht eine Gefahr von Pathologisierung von Rassismus und Antisemitismus durch die Fokussierung auf die psychische Erkrankung von Attentätern? Andreas Heinz erläutert auch, warum es notwendig, dass sich Polizei, Justiz und Medien, und auch Psycholog*innen bzw. Psychiater*innen mit den Einflüssen von rassistischen und/oder antisemitischen Kampagnen auf psychisch Erkrankte auseinandersetzen.

Im Mittelpunkt der Podcastserie „Vor Ort“ stehen Analysen, Beispiele und Hintergründe dazu, wie Rassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt den Alltag vieler Menschen beeinträchtigen und beeinflussen. Und natürlich die Frage der Solidarität.

Links und Literaturtipps zum Podcast

Ankündigung der Open Lecture #6 zu „Strafjustiz, Rassismus, Antisemitismus und psychische Erkrankung“

Hintergrund zum Attentat in Hanau:

Tagesschau-Artikel zum Vater des Hanau-Attentäter „Er spielt mit unserem Schmerz“, 9. Dezember 2022

Zeit-ArtikelAttentäter war laut Gutachten psychisch krank“ vom 27. November 2020 zur psychischen Krankheit und rassistischen Motivs des Hanau-Attenttäter

Initiative 19. Februar Hanau

Initiative 19. Februar Hanau zum Untersuchungsausschuss

Hintergrund Halle:

Artikel zum psychologischen Gutachten im Prozess gegen den Halle-Attentäter

MDR, 3. November 2020 „Nicht nach seinem Geschmack„: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/magdeburg/reportage-achtzehnter-tag-prozess-halle-100.html

Zeit, 4. Juli 2021 „Unsichtbare Einzeltäter“: https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-07/psychische-erkrankung-einzeltaeter-wuerzburg-hanau-halle-terrorismus-praevention

Hintergrund Hamburg :

Hamburger Abendblatt , 11. Februar 2021 „Angriff vor Synagoge: Angeklagter nicht schuldfähig?“: https://www.abendblatt.de/hamburg/article231488069/Angriff-vor-Synagoge-Hamburg-juedischer-Student-antisemitismus-psychiatrie-Schuldfaehigkeit-Angeklagter-Hakenkreuz.html

Hamburg, 6. Oktober 2020 „Angreifer vor Synagoge fiel bereits 2019 psychisch auf“: https://www.abendblatt.de/hamburg/article230598698/Antisemitischer-Angriff-Voellig-enthemmter-Judenhass.html

Zeit, 26. Februar 2021 „Angreifer von jüdischem Studenten muss dauerhaft in Psychiatrie„: https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-02/antisemitischer-angriff-hamburg-synagoge-taeter-psychiatrie

Hintergrund OEZ-Attentat:

Mediendienst Integration, 18. Juli 2022 „Der verkannte Anschlag“: https://mediendienst-integration.de/artikel/der-verkannte-anschlag.html

Wissenschaftliche Analyse von Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft zum OEZ-Anschlag „WURDEN DIE RASSISTISCHEN UND RECHTSEXTREMEN BEZÜGE HINREICHEND GEWICHTET UND GEWÜRDIGT?“: https://zs.thulb.uni-jena.de/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00262377/OEZ-Attentat.pdf

Florian Hartleb „Rechtsextremistisch motivierter Einsamer-Wolf-Terrorismus statt Amoklauf; Eine notwendige Neubewertung der Morde am Olympiaeinkaufszentrum München„: https://stadt.muenchen.de/dam/jcr:e26efa5a-1881-4bd6-a417-da264f7e223b/2017-10-06

Initiative München erinnern!: https://muenchen-erinnern.de/

Wissenschaftliche Einordnung:

Racism and mental health: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32930813/

The effects of social isolation stress and discrimination on mental health: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36130935/

Implications of the Association of Social Exclusion With Mental Health: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31596429/

The uncanny return of the race concept : https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25408642/

Colonial Perspectives in the Construction of the Psychotic Patient as Primitive Man: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/0308275X9801800404