Folge #37 Vor Ort – gegen Rassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt. Die Podcastserie von NSU Watch und VBRG e.V.

Vor Ort #37 bei der „Open Lecture Series #6: Strafjustiz, Rassismus, Antisemitismus und psychische Erkrankung: Eine kritische Bestandsaufnahme zum dritten Jahrestag des Hanau-Attentats“. Im zweiten Teil sprechen wir mit Familienangehörigen von Guiliano Kollmann und Hüseyin Dayıcık aus München, Shelly Meyer vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde Hamburg, Prof.’in Dr. med. Meryam Schouler-Ocak, Professorin für interkulturelle Psychiatrie am Universitätsklinikum Charité (Berlin) und Eben Louw, Gesundheitspsychologe und VBRG-Vorstandsmitglied.

Die Frage, welche Auswirkungen rechtsterroristische Attentate auf die psychische Gesundheit von Hinterbliebenen und Überlebenden haben – insbesondere wenn Antisemitismus und Rassismus als Tatmotive von psychisch erkrankten Täter*innen durch die Strafverfolgungsbehörden und Medien nicht anerkannt werden, war ein Schwerpunktthema der Open Lecture #6 und steht jetzt im Mittelpunkt der Folge #37 von „Vor Ort“.

Wir ziehen eine kritische Zwischenbilanz mit hinterbliebenen Familienangehörigen von Guiliano Kollmann (19) und Hüseyin Dayıcık (17), die am 22. Juli 2016 in München beim rechtsterroristischen Attentat am Olympiazentrum in München ermordet wurden, mit Shelly Meyer vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde Hamburg, mit Prof.‘in Dr. med. Meryam Schouler-Ocak, Professorin für interkulturelle Psychiatrie und Leiterin des Forschungsbereichs Interkulturelle Migrations- und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Charité (Berlin) sowie mit Eben Louw, Gesundheitspsychologe, systemischer Therapeut und Supervisor, Fachberater für Psychotraumatologie und VBRG-Vorstandsmitglied. Dabei geht es auch um die langanhaltenden Folgen von Traumatisierung durch schwere rassistische und antisemitische Gewalttaten und gravierende Versorgungslücken für die Betroffenen.

Welche Auswirkungen haben rechtsterroristische Attentate auf die psychische Gesundheit von Hinterbliebenen und Überlebenden haben – insbesondere wenn Antisemitismus und Rassismus als Tatmotive von psychisch erkrankten Täter*innen durch die Strafverfolgungsbehörden und Medien nicht anerkannt werden? Wann sprechen Ärzt*innen und Therapeut*innen von einem Trauma und einer traumatischen Belastungsstörung? Warum ist es für die Verarbeitung von rassistischer und/oder antisemitischer Gewalterfahrung notwendig, dass die Tatmotive benannt und durch Polizei und Justiz anerkannt werden?

Diese Fragen standen im Mittelpunkt des 2. Teils der Open Lecture #6 und sind Schwerpunkt dieser Folge anlässlich des dritten Jahrestags des rassistischen Attentats von Hanau und der anhaltenden Bedrohung der Hinterbliebenen und Überlebenden durch den Vater des Attentäters.

Die hinterbliebenen Familienangehörigen von Guiliano Kollmann und Hüseyin Dayıcık, die am 22. Juli 2016 in München beim rechtsterroristischen Attentat am Olympiazentrum in München ermordet wurden, sprechen über die unendliche Trauer und das Leid, das ihr Leben seit dem Verlust ihrer Kinder prägt. Und sie beschreiben ihren Kampf um Anerkennung des rassistischen und rechtsterroristischen Tatmotivs beim OEZ-Attentat.

Shelly Meyer, Mitglied im Vorstand der Jüdischen Gemeinde Hamburg und Vorstandsmitglied des Verbands „Jüdischer Studierender Nord (VJSNord)“ spricht über die Auswirkungen des antisemitischen Angriffs auf einen Besucher der Synagoge am 20. Oktober 2020 an Sukkot (Laubhütten-Fest) durch einen Täter, den das Landgericht Hamburg als einen „psychisch kranken Einzeltäter“ bezeichnete.

Prof.’in Dr. med. Meryam Schouler-Ocak, Expertin und Professorin für interkulturelle Psychiatrie und Leiterin des Forschungsbereichs Interkulturelle Migrations- und Versorgungsforschung am Universitätsklinikum Charité (Berlin) erläutert das Konzept von Trauma und Traumatischen Belastungsstörungen, insbesondere im Kontext rassistischer Gewalt und erklärt, warum die Anerkennung der Tatmotive Rassismus und Antisemitismus für die Hinterbliebenen und Überlebenden so wichtig sind, um die Auswirkungen der Tat auf die psychische Gesundheit von Betroffenen zu bearbeiten.

Eben Louw, Gesundheitspsychologe, systemischer Therapeut & Supervisor, Fachberater für Psychotraumatologie und VBRG-Vorstandsmitglied, spricht u.a. über die gravierenden Versorgungslücken für Betroffene rassistischer Gewalt und die Notwendigkeit, dass Justiz und Strafverfolgungsbehörden sich mit sekundärer Viktimisierung durch institutionellen Rassismus und Antisemitismus auseinandersetzen und die langanhaltenden Folgen von Traumatisierung durch schwere rassistische und antisemitische Gewalttaten anerkennen.

Im Mittelpunkt der Podcastserie „Vor Ort“ stehen Analysen, Beispiele und Hintergründe dazu, wie Rassismus, Antisemitismus und rechte Gewalt den Alltag vieler Menschen beeinträchtigen und beeinflussen. Und natürlich die Frage der Solidarität.

Links und Literaturtipps zum Podcast

Ankündigung der Open Lecture #6 zu „Strafjustiz, Rassismus, Antisemitismus und psychische Erkrankung“

Hintergrund zum Attentat in Hanau:

Tagesschau-Artikel zum Vater des Hanau-Attentäter „Er spielt mit unserem Schmerz“, 9. Dezember 2022

Zeit-ArtikelAttentäter war laut Gutachten psychisch krank“ vom 27. November 2020 zur psychischen Krankheit und rassistischen Motivs des Hanau-Attenttäter

Initiative 19. Februar Hanau

Initiative 19. Februar Hanau zum Untersuchungsausschuss

Hintergrund Halle:

Artikel zum psychologischen Gutachten im Prozess gegen den Halle-Attentäter

MDR, 3. November 2020 „Nicht nach seinem Geschmack„: https://www.mdr.de/nachrichten/sachsen-anhalt/magdeburg/magdeburg/reportage-achtzehnter-tag-prozess-halle-100.html

Zeit, 4. Juli 2021 „Unsichtbare Einzeltäter“: https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-07/psychische-erkrankung-einzeltaeter-wuerzburg-hanau-halle-terrorismus-praevention

Hintergrund Hamburg :

Hamburger Abendblatt , 11. Februar 2021 „Angriff vor Synagoge: Angeklagter nicht schuldfähig?“: https://www.abendblatt.de/hamburg/article231488069/Angriff-vor-Synagoge-Hamburg-juedischer-Student-antisemitismus-psychiatrie-Schuldfaehigkeit-Angeklagter-Hakenkreuz.html

Hamburg, 6. Oktober 2020 „Angreifer vor Synagoge fiel bereits 2019 psychisch auf“: https://www.abendblatt.de/hamburg/article230598698/Antisemitischer-Angriff-Voellig-enthemmter-Judenhass.html

Zeit, 26. Februar 2021 „Angreifer von jüdischem Studenten muss dauerhaft in Psychiatrie„: https://www.zeit.de/gesellschaft/2021-02/antisemitischer-angriff-hamburg-synagoge-taeter-psychiatrie

Hintergrund OEZ-Attentat:

Mediendienst Integration, 18. Juli 2022 „Der verkannte Anschlag“: https://mediendienst-integration.de/artikel/der-verkannte-anschlag.html

Wissenschaftliche Analyse von Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft zum OEZ-Anschlag „WURDEN DIE RASSISTISCHEN UND RECHTSEXTREMEN BEZÜGE HINREICHEND GEWICHTET UND GEWÜRDIGT?“: https://zs.thulb.uni-jena.de/servlets/MCRFileNodeServlet/jportal_derivate_00262377/OEZ-Attentat.pdf

Florian Hartleb „Rechtsextremistisch motivierter Einsamer-Wolf-Terrorismus statt Amoklauf; Eine notwendige Neubewertung der Morde am Olympiaeinkaufszentrum München„: https://stadt.muenchen.de/dam/jcr:e26efa5a-1881-4bd6-a417-da264f7e223b/2017-10-06

Initiative München erinnern!: https://muenchen-erinnern.de/

Wissenschaftliche Einordnung:

Racism and mental health: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/32930813/

The effects of social isolation stress and discrimination on mental health: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/36130935/

Implications of the Association of Social Exclusion With Mental Health: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31596429/

The uncanny return of the race concept : https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/25408642/

Colonial Perspectives in the Construction of the Psychotic Patient as Primitive Man: https://journals.sagepub.com/doi/10.1177/0308275X9801800404