Ausschreibung für ein Interessensbekundungsverfahren: Wissenschaftliche Begleitung eines traumazentrierten, aufsuchenden sozialraumnahen Beratungsteam und -angebots für Attentatsbetroffene in Hanau
Diese Ausschreibung erfolgt im Rahmen der Förderung im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und des Bundesamtes für Zivile Angelegenheiten (BAFzA) für das Begleitprojekt Dachverband Opferberatungsstellen des VBRG e.V.
Der VBRG e.V. setzt sich seit 2017 dafür ein, dass Opfer rechter Gewalt bundesweit Zugang zu professionellen, unabhängigen, kostenlosen und parteilich in ihrem Sinne arbeitenden Beratungs- und Unterstützungseinrichtungen erhalten. Aktuell sind 17 unabhängige Beratungsstellen für Betroffene rechts, rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalt aus 14 Bundesländern im VBRG e.V. zusammengeschlossen. Jährlich beraten und begleiten die Mitgliedsorganisationen mit langjähriger Erfahrung und großer Expertise Hunderte Betroffene rechter Gewalttaten. Sie unterstützen die direkt Betroffenen von Angriffen, Bedrohungen, Brandanschlägen und Überfällen ebenso wie deren Angehörige, enge Bezugspersonen und Zeug*innen: kostenlos, vertraulich, vor Ort, parteilich im Sinne der Betroffenen und auf Wunsch auch anonym. Bundesweit unterstützt das Begleitprojekt Dachverband Opferberatungsstellen des VBRG e.V. den Aus- und weiteren Aufbau der existierenden Beratungsprojekte und Mitgliedsorganisationen u.a. durch kontinuierliche Fortbildungsangebote und kollegiale Fachaustauschformate.
Vorbehaltlich der Förderung durch die Fördermittelgeber BMFSFJ und BAFzA soll zum 1.9.2023 im Rahmen eines Weiterleitungsvertrags die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation eines traumazentrierten, aufsuchenden und sozialraumnahen Beratungsteam und -angebots für Hinterbliebene und Überlebende des rassistischen Attentats vom 19. Februar 2020 in Hanau umgesetzt werden. Hierfür stehen im Zeitraum vom 1.9.2023 bis zum 31.12.2023 maximal 12.000 Euro zur Verfügung. Für den restlichen Förderzeitraum von „Demokratie leben“ vom 1.1.2024 bis zum 31.1.2024 sind – vorbehaltlich der Weiterförderung des Vorhabens durch die Fördermittelgeber – derzeit 15.000 Euro in Aussicht gestellt.
- Hintergrund
In dritten Phase nach dem rassistischen Attentat am 19. Februar 2020 sollen Überlebende und Hinterbliebene durch den Auf- und Ausbau eines traumazentrierten, aufsuchenden und sozialraumnahen Beratungsteam und -angebots in Hanau bei der Bearbeitung der existenziellen und individuelle Folgen vor Ort in Hanau professionell begleitet werden. Die neue Beratungsstelle soll in enger Kooperation und Absprache mit den Berater*innen der landesweiten Opferberatung response Hessen, den ehrenamtlichen Berater*innen der Initiative 19. Februar Hanau und weiteren Kooperationspartner*innen vor Ort in Hanau und dem VBRG e.V. die Beratungsnehmenden mit traumazentrierten, überwiegend aufsuchenden Beratungsangeboten bei der Bewältigung der vielfältigen und individuell sehr unterschiedlichen Konsequenzen und Belastungen unterstützen, die durch das Attentat im Leben der Betroffenen wirken.
- Die Maßnahme: Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation der Beratungsangebote und Arbeit des Berater*innen-Teams der Beratungsstelle in Hanau durch qualitative und quantitative Sozialforschung.
Um einen Überblick über das Vorhaben der neuen Beratungsstelle zu erhalten, soll die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation im Rahmen der Explorationsphase zunächst die vorhandenen Konzeptionen für das Projektvorhaben analysieren. In Absprache mit dem Auftraggeber sollen Evaluationsfragen weiter spezifiziert und der methodische Ansatz inklusive der Strategien zur Erhebung und Analyse geschärft werden.
Der methodische Ansatz sollte die unterschiedlichen Perspektiven und Erfahrungen der relevanten Projektbeteiligten (insbesondere Berater*innen und Ratsuchende) und weitere Stakeholder vor Ort angemessen einbinden und ggf. in Abgleich miteinander bringen.
Der methodische Ansatz sollte berücksichtigen, dass die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation die zukünftige Ausrichtung und Umsetzung der neuen Beratungsstelle sowie die Reflexion und Steuerung unterstützen sollen. Der Ansatz soll darüber hinaus Ansätze guter Praxis identifizieren, die ggf. relevant für zukünftige lokale fachspezifische Beratungsangebote nach rechtsterroristischen Anschlägen.
Die gewählten Methoden zur Datenerhebung, insbesondere bei der Erhebung in Kontakt mit Ratsuchenden, müssen einen traumainformierten, betroffenensensiblen Ansatz reflektieren. Sie müssen so barrierefrei wie möglich gestaltet sein, damit Menschen mit Teilhabebeschränkungen nicht an der Teilnahme gehindert oder eingeschränkt werden. Das gilt insbesondere für die Datenerhebung im Austausch mit Ratsuchenden. Die Einbeziehung von Sprachmittler*innen muss konzeptionell vorgesehen sein.
Die wissenschaftliche Begleitung und Evaluation soll sich bestehenden Qualitätsstandards ausrichten, z.B. den der Standards für Evaluationen der Deutschen Gesellschaft für Evaluationen (DeGEval). Einbezogene Datenquellen sollen nachvollziehbar beschrieben und beurteilt werden. Die der Evaluation zu Grunde liegenden Bewertungskriterien sollen explizit genannt werden.
Hierfür wird durch den Träger der Maßnahme ein geeignetes Konzept entwickelt.
In regelmäßigen Abständen, mindestens einmal im Quartal, sollen Zwischenergebnisse in einer kompakten Kurzpräsentationen im Rahmen eines (Online-)Reflektionsgesprächs präsentiert werden. Rechtzeitig vor der Beantragung der Projektförderung für 2024 müssen Zwischenergebnisse vorgestellt werden. Spätestens einen Monat vor Ende der Evaluationszeit sollten die Gesamtergebnisse mit dem Auftraggeber und ggf. weiteren Akteur*innen in einem eintägigen Workshop vorgestellt und besprochen werden. Die schriftliche Aufbereitung der Reflektion- und Auswertungstreffen ist Aufgabe des Auftragnehmers. Der finale Evaluationsbericht mit einer Länge von nicht mehr als 20 Seiten (ohne Anhänge) soll als veröffentlichungsfähige Publikation bereitgestellt werden. Der Bericht soll den analytischen Ergebnissen der Evaluation und Empfehlungen für die beteiligten Akteure sowie die Fördermittelgeber beinhalten. Die Struktur des Berichts soll sich am Leitfaden des Deutschen Jugendinstituts orientieren: https://www.dji.de/fileadmin/user_upload/evaluation/Struktur_Evaluationsberichte_eXe.pdf.
- Die Ziele der Maßnahme in 2023:
Indem die Bedarfe und Erfahrungen der Ratsuchenden sowie der Berater*innen und die Wirksamkeit der Beratungsangebote der neuen Beratungsstelle in Hanau wissenschaftlich begleitet und evaluiert werden, wird das generierte Praxiswissen nachhaltig aufbereitet, für die fortlaufenden Beratungsfälle sowie für die Arbeit des Begleitprojekts Dachverband Opferberatungsprojekte im VBRG sowie für Kooperationspartner*innen dokumentiert und zur Verfügung gestellt.
Ziel ist es,
- die Wirksamkeit der bisherigen unterschiedlichen Beratungsangebote abzuschätzen und auf der Basis von qualitativen Erhebungen zu den Erfahrungen der Hinterbliebenen und Überlebenden mit den unterschiedlichen Beratungsangeboten aus der ersten und zweiten Phase nach dem Attentat, notwendiges Wissen für die 3. Phase und damit für die Arbeit der neuen Beratungsstelle in Hanau zu generieren. Dies gilt auch für die qualitativen Erhebungen mit Berater*innen, die die erste und zweite Phase nach dem Attentat begleitet haben;
- die Wirksamkeit der ersten Phase der Arbeit der neuen Beratungsstelle durch qualitative Erhebungen zu den Erfahrungen der Hinterbliebenen und Überlebenden zu evaluieren, um notwendiges Wissen für die Arbeit der neuen Beratungsstelle im Jahr 2024 zu generieren. Dies gilt auch für die qualitativen Erhebungen mit Berater*innen,.
- Für den Fall der Weiterförderung durch die Fördermittelgeber: In 2024 soll die mittelfristige Wirksamkeit der neuen Beratungsstelle mit dem Ziel evaluiert werden, im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung mit einer Ergebnispräsentation darzulegen, inwieweit durch den neuen Beratungsansatz ein tragfähiges Modell entwickelt, wird für die Beratung und Begleitung von Betroffenen zukünftiger, aber auch vergangener rechtsterroristischer Attentate.
- Anforderungen an den Träger der Maßnahme: Qualifikationen, Kompetenzen, Qualitätsstandards
Die Beauftragten werden die Hauptverantwortung für das Design, die Durchführung und die Analyse der wissenschaftlichen Begleitung und Evaluation tragen. Die Beauftragten sollen gemeinsam über folgende Qualifikationen und Kompetenzen verfügen:
- Mindestens fünf Jahre Erfahrung in der wissenschaftlichen Begleitung und/oder Evaluation von Projekten und/oder Trägern der Sozialen Arbeit oder der politischen Bildung;
- Erfahrungen mit rassismus-, gendersensiblen sowie traumainformierten und betroffenensensiblen Erhebungsmethoden und Gesprächsführungen und ein hohes Maß an Sensibilität für die Belange und Bedarfe von Interviewpartner*innen;
- Erfahrung in der Zusammenarbeit mit rassismus- und machtkritischem Akteur*innen der Zivilgesellschaft;
- Erfahrungen in der wissenschaftlichen Arbeit im Themenfeld von Sozialer Arbeit und Rassismus;
- nachgewiesene Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit dem rassistischen Attentat in Hanau und dessen Konsequenzen für Betroffene;
- Kenntnisse der relevanten Kooperationspartner*innen und Akteure in Hanau und im Rhein-Main-Gebiet;
- Kenntnisse von Viktimisierungsprozessen und den vielfältigen Folgen rechtsterroristischer rechter Gewalt auf Betroffene, Communities und das lokale Gemeinwesen;
- Grundkenntnisse zu Beratungsarbeit als Disziplin der Sozialen Arbeit;
- Wünschenswert: Erfahrungen in der Evaluation von Netzwerken und/oder Innovationsprojekten:
- Nachgewiesene Kenntnisse und Strukturen der Drittmittelverwaltung.
- Antragsverfahren
Antragsberechtigt sind unter Punkt 2 genannte Träger – Universitäten, Hochschulen, wissenschaftliche Institute.
Der Antrag muss beim VBRG e.V. schriftlich unter oben genannter Adresse und elektronisch unter dem Stichwort „Interessensbekundungsverfahren Wissenschaftliche Begleitung und Evaluation Hanau“ unter Wahrung der Frist eingereicht werden: info@verband-brg.de.
- Auswahlprozess und –kriterien
Dem Angebot beizufügende Unterlagen:
A. Bietererklärung für Angebotsabgabe
B. Erklärung zur Eignungsprüfung
C. Unternehmensprofil
D. Unternehmensreferenzen
E. Umsetzungskonzept
Evaluationsskizze (maximal 5 Seiten) mit Vorschlägen zu:
- methodische Herangehensweise
- barrierearme und partizipative Gestaltung der Evaluation
- Formate zur Sicherung der Ergebnisse und zur Dokumentation
- Beispielagenda für einen Workshop im Rahmen der Evaluation
- Darstellung der Erfahrungen des Auftragnehmers (daraus sollte ersichtlich sein, inwiefern die Anforderungen unter Punkt 7 erfüllt sind)
- Lebensläufe der Mitglieder des Evaluationsteams (daraus sollte ersichtlich sein, inwiefern die Anforderungen unter Punkt 7 erfüllt sind)
- Aufgabenverteilung und Zuständigkeiten im Team sowie Vertretungsregelungen
F. Preisblatt
Kostenkalkulation unter Angabe der Honorare/Löhne der jeweiligen Mitarbeiter*innen und der voraussichtlichen Reise- und Nebenkosten (orientiert am Bundesreisekostengesetz (BRKG). Es müssen alle Kosten nachvollziehbar und inklusive Umsatzsteuer aufgeführt sein.
G. Arbeitsproben
Beispielmaterialien aus vorherigen Projekten (max. drei)
Das Angebot ist in deutscher Sprache einzureichen.
Auswahlkriterien:
Der Zuschlag wird gemäß § 43 Abs. 1 UVgO auf das unter Berücksichtigung aller Umstände wirtschaftlichste Angebot erteilt. Der niedrigste Angebotspreis ist nicht entscheidend.
Wertungskriterien:
Es gelangen nur diejenigen Angebote in die Prüfung und Wertung, die sämtliche Anforderungen nach diesen Vergabeunterlagen erfüllen.
Die Berechnung der durch das jeweilige Angebot erreichten Gesamtpunktzahl erfolgt unter Bestimmung des Preispunktwertes (PPW) und des Qualitätspunktwertes (QPW). Auf Grundlage der jeweils errechneten Punktwerte wird die Gesamtpunktzahl gemäß der Gewichtung von Preis und Qualität bestimmt. Für die Berechnung der Gesamtpunkte werden alle erreichten gewichteten Punkte addiert:
Σ 𝑃𝑟𝑒𝑖𝑠𝑝𝑢𝑛𝑘𝑡𝑒 + 𝑄𝑢𝑎𝑙𝑖𝑡ä𝑡𝑠𝑝𝑢𝑛𝑘𝑡𝑒 = 𝐺𝑒𝑠𝑎𝑚𝑡𝑝𝑢𝑛𝑘𝑡𝑒
Die vom Bieter erreichte Punktzahl je Zuschlagskriterium wird folgendermaßen gewichtet (Gewichtung).
- Preis: 30 %
- Qualität des Umsetzungskonzeptes: 70 %
Bestimmung des Preispunktwertes (PPW)
Zur Bestimmung des Preispunktwertes wird der Quotient aus dem günstigsten und dem zu bewertenden Angebot gebildet und mit 100 multipliziert.
𝑔ü𝑛𝑠𝑡𝑖𝑔𝑠𝑡𝑒𝑟 𝐴𝑛𝑔𝑒𝑏𝑜𝑡𝑠𝑝𝑟𝑒𝑖𝑠 : 𝑧𝑢 𝑏𝑒𝑤𝑒𝑟𝑡𝑒𝑛𝑑𝑒𝑟 𝐴𝑛𝑔𝑒𝑏𝑜𝑡𝑠𝑝𝑟𝑒𝑖𝑠 𝑥 100 𝑥 𝐺𝑒𝑤𝑖𝑐ℎ𝑡𝑢𝑛𝑔 = 𝑃𝑟𝑒𝑖𝑠𝑝𝑢𝑛𝑘𝑡𝑒
Bestimmung des Qualitätspunktwertes (PPW)
Die Bewertung erfolgt durch den Auftraggeber anhand einer Punkteskala, wobei 100 Punkte der bestmöglichen und 0 Punkte der schlechtmöglichsten Bewertung entsprechen. Jede Bewertung wird verbal begründet.
Σ erreichte Punkte Qualitätskriterium (1)x Gewichtung = Qualitätspunkte
Antragsfrist und Projektlaufzeit
Die Projektlaufzeit beginnt vorbehaltlich der Förderung durch die Fördermittelgeber BMFSFJ und BAFzA zum 1.9.203 und endet zum 31.12.2023. Vorbehaltlich der Weiterförderung durch die Fördermittelgeber BMFSFJ und BAFzA wird eine Weiterförderung für den Förderzeitraum 1.1.2024 bis zum 31.12.2024 angestrebt. Die Interessensbekundung muss bis zum 15.8.2023 beim VBRG e.V. eingereicht sein.
Rückfragen zu diesem Förderaufruf können Sie an die folgende Stelle richten:
Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V.
Schlesische Str. 20
10997 Berlin
info@verband-brg.de
Tel: 030 – 33 85 97 77