Diskussion mit Garip Bali (Berlin), Rashid Jadla (Erfurt), Angelika Nguyen (Berlin) & José Paca (Erfurt), Moderation: Ceren Türkmen (VBRG)

online im Livestream (https://gegenuns.de/Diskussion/)
Public viewing: Kino Central, Berlin Mitte
Donnerstag, 8. Oktober 2020, 19:00 – 20:30 Uhr

Antirassistische und antifaschistische Erinnerungen statt Einheitstaumel zum Mauerfall

Geschichte wird in der Gegenwart geschrieben. Sie ist deshalb nicht nur Teil des kollektiven Gedächtnisses, sondern auch der kollektiven Erinnerung in der Gegenwart. Die vielen Erzählungen über das Wendejahr 1989 und den Mauerfall reihen sich in einen dominierenden Erzählstrang um den Mythos der friedlichen und nationalenWiedervereinigung ein. Aus migrantischer, antirassistischer und antifaschistischer Perspektive gleicht der nationale Mythos einem Einheitstaumel mit langem Schatten, in dem das Ausmaß des Nationalismus, Neonazismus und Rassismus der Wendezeit in einem nicht vermessenen Dunkelfeld verzerrt wird. Dieses Dunkelfeld hat ein verzerrtes Selbstverständnis „Deutschlands“ über die wiedervereinte Nation auf Kosten der Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt hergestellt.

Das Diskussionspanel am 8. Oktober 2020 lädt Gäste ein, die als Zeitzeug*innen die Wendejahre aus migrantischen und antirassistischen Perspektive erzählen werden. Ihre antirassistischen und antifaschistischen Erinnerungen bilden die Gegengeschichte zum nationalen Einheitstaumel. Sie berichten mit ihren Perspektiven auf die Wiedervereinigung von der neuen Dimension neonazistischer Gewalt und ihrem Widerstand, und konfrontieren somit sowohl das kollektive Gedächtnis als auch in letzter Instanz die Geschichtsschreibung mit dem auf der Hand liegenden Rassismus der Wendejahre.

Organisiert von: VBRG e.V., ezra – Beratung für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt in Thüringen & Aktionsbündnis – Antira (ABA)

Zum Live-Screening im Kino Central bitten wir aufgrund der Pandemiebestimmungen und der begrenzten Plätze um Anmeldung per E-Mail an: info@verband-brg.de

Das Diskussionspanel findet im Rahmen der Webdokumentation www.gegenuns.de statt. Die Dokumentation „Gegen uns. Betroffene im Gespräch über rechte Gewalt nach 1990 und die Verteidigung der solidarischen Gesellschaft“ berichtet in einzelnen Episoden über Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und über ihre persönlichen Erfahrungen von Gewalt, Ausgrenzung und Kriminalisierung, aber auch von gelebter Solidarität und erfolgreichem Widerstand. Fotos, zeitgeschichtliche Dokumente und Hintergrundtexte ergänzen die Erzählungen und zeigen den gesellschaftlichen Kontext, in dem rechte Gewalt stattfindet.

#gegenuns ist eines von 30 nominierten Projekten zur Preisverleihung des Bürgerpreises „Einheitspreis“. Die Preisverleihung wird am 2. Oktober online stattfinden: https://www.einheitspreis.de/

Das Projekt „Gegen uns.“

Die Webdokumentation www.gegenuns.de füllt eine Leerstelle: Die Perspektive der Angegriffenen auf drei Jahrzehnte rechte, rassistische und antisemitische Gewalt und ihre anhaltenden Folgen steht hier im Mittelpunkt. Das mörderische rassistische Attentat in Hanau, das rechtsterroristisch, antisemitisch und rassistisch motiviert Attentat in Halle/S. sowie der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Dr. Walter Lübcke machen deutlich, dass eine Auseinandersetzung mit den Kontinuitäten von Rassismus, Antisemitismus und rechter Gewalt im wiedervereinigten Deutschland dringend notwendig ist.

Fortsetzungen folgen

Anhand von ausgewählten Porträts, Interviews und zeitgeschichtlichen Dokumenten aus unterschiedlichen Bundesländern dokumentert https://gegenuns.de auch vielfältige Formen von Widerstand und Solidarität. Veröffentlicht wurden bisher Porträts des 1991 in Dresden bei einem Neonazi-Angriff getöteten ehemaligen Vertragsarbeiters Jorge Gomondai (https://gegenuns.de/jorge-gomondai/) und des Erfurter Rappers Sonne Ra (https://gegenuns.de/rashidjadla/). Am 26. Oktober 2020 folgt eine Episode zu der 2007 in Dresden aus antimuslimischen Rassismus getöteten Apothekerin Marwa el-Sherbini. Bis zum Jahresende ist die Veröffentlichung einer Folge zu Kontinuitäten rassistischer Gewalt in Nürnberg geplant. Für 2021 sind Episoden zu den Kontinuitäten antisemitischer Gewalt und Gewalt gegen Wohnungslose in Planung, Alle Fälle stehen exemplarisch für unterschiedliche Konjunkturen rechter Gewalt. Jede Episode dokumentiert neben der lebensbiographisch-persönlichen Erzählung auch die strafrechtliche (Nicht-)Aufarbeitung, die Erinnerungspolitik vor Ort und die persönliche und zivilgesellschaftliche Aufarbeitung.

Unterstützung und Förderung

www.gegenuns.de ist ein Gemeinschaftsprojekt des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e. V. (VBRG) und der Opferberatung „Support“ des RAA Sachsen e. V. Die Plattform www.gegenuns.de wird gefördert durch die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, mit Mitteln des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und durch das Demokratiezentrum Sachsen. Die erste Episode zu Jorge Gomondai wurde maßgeblich mit Mitteln des Demokratiezentrums Sachsen sowie medico international realisiert.