Presseerklärung: Prozessbeginn 31 Jahre nach dem Mord an Samuel Kofi Yeboah – Freigabe der Verfassungsschutz-Akten und Rechtsterrorismus-Opferfonds im Saarland!

Berlin, den 15. November 2021

Prozessbeginn am OLG Koblenz 31 Jahre nach dem rassistischen Mord an Samuel Kofi Yeboah und Mordversuch an 18 Menschen in Folge des rassistischen Brandanschlags vom 19. September 1991 in Saarlouis

„Die saarländische Landesregierung muss endlich Verantwortung übernehmen: Durch die Freigabe aller Verfassungsschutz-Akten an die Prozessbeteiligten und die Einrichtung eines Rechtsterrorismus-Opferfonds für die Hinterbliebenen und Überlebenden.“

„Mit dem Prozessbeginn ist ein wichtiges Signal verbunden: Dass die Kultur der Straflosigkeit, mit der hunderte von rechten Brandstiftern der 1990er Jahre bislang straflos davongekommen sind, ein Ende finden kann – wenn die Ermittlungen nicht durch lokale Polizei und Justiz geführt werden.“

Seit über 30 Jahren warten die Familie von Samuel Kofi Yeboah und 18 Überlebende des rassistischen Brandanschlags auf eine Flüchtlingsunterkunft am 19. September 1991 in Saarlouis (Saarland) darauf, dass die tatbeteiligten Neonazis endlich strafrechtlich zur Verantwortung gezogen und das Leid der Hinterbliebenen und Überlebenden anerkannt werden. „Mit dem Prozessbeginn am Oberlandesgericht Koblenz, wo ab dem 16. November 2022 gegen einen bekannten saarländischen Neonazi wegen des Verdachts des Mordes an Samuel Kofi Yeboah und versuchten Mordes an 18 Überlebenden verhandelt wird, ist ein wichtiges Signal verbunden“, sagt Antje Arndt vom Vorstand des VBRG und Projektleitung der Mobilen Opferberatung. „Die Kultur der Straflosigkeit, mit der hunderte von neonazistischen Brandstiftern der 1990er Jahre bislang straflos mit schwersten Gewalttaten davongekommen sind, kann ein Ende finden – wenn die Ermittlungen nicht durch lokale Polizei und Justiz geführt werden.“

Freigabe aller seit 30 Jahren geheim eingestuften Akten der Verfassungsschutzämter im Saarland und im Bund an alle Prozessbeteiligten! Verantwortungsübernahme durch Rechtsterrorismus-Opferfonds

Im Jahr 1991 registrierte das Bundesamt für Verfassungsschutz rund 1.500 rechte Gewalttaten, darunter waren 383 überwiegend neonazistische Brand- und Sprengstoffanschläge (vgl. BfV Bericht 1991, S. 76/77; https://verfassungsschutzberichte.de/bund/1991). In weniger als 20 Prozent der Fälle sind die Täter*innen jemals strafrechtlich zur Verantwortung gezogen worden. Dabei verfügten insbesondere die Verfassungsschutzbehörden aufgrund des Neonazi-V-Leute-Systems oftmals über detaillierte Informationen über die Neonazi-Strukturen. „Der Mord an Samuel Kofi Yeboah wird 1991 im Bericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz als Beispiel für rechtsextreme Tötungsdelikte und in allen Antworten der Bundesregierung zu rechten Tötungsdelikten genannt“, sagt Antje Arndt. Diese eindeutige Festlegung und Einstufung wäre ohne die Informationen aus dem saarländischen Verfassungsschutz niemals erfolgt.

„Die saarländische Landesregierung ist aufgefordert, das Landesamt für Verfassungsschutz anzuweisen, alle seit über 30 Jahren als geheim eingestuften Akten im Zusammenhang mit dem Mord an Samuel Kofi Yeboah und weiteren rechtsterroristischen Taten im Saarland an die Prozessbeteiligten zu übergeben“, betont der VBRG. Dies gelte auch für das Bundesamt für Verfassungsschutz und für den Nagelbombenanschlag auf ein PDS-Büro im November 1990, den Sprengstoffanschlag auf die Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht“ im März 1999 in Saarbrücken sowie die Serie rassistischer Brandanschläge in Völklingen ab Mitte der 2000er Jahre.

„Die Straflosigkeit stellt für die Hinterbliebenen und Überlebenden des rassistischen Brandanschlags am 19. September 1991 eine andauernde Belastung dar“, betont Antje Arndt. „Umso wichtiger ist es, dass die saarländische Landesregierung das Leid der Hinterbliebenen und Überlebenden endlich anerkennt und die materiellen und immateriellen Folgen durch einen Rechtsterrorismus-Opferfonds abmildert.“ Vorbilder hierfür seien u.a. Bundesländer wie Bayern und Thüringen.