Zwölf Empfehlungen des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. für eine Nationale Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben in Deutschland
Ausgangsituation
Täglich ereignen sich mindestens drei bis vier rechts, rassistisch oder antisemitisch motivierte Gewalttaten in Ost- und Westdeutschland. In den vergangenen 24 Monaten sind vierzehn Menschen bei rechtsterroristischen, antisemitisch, rassistisch und mysogyn motivierten Attentaten ermordet worden; mehr als 150 Menschen sind durch die rechtsterroristisch, antisemitisch und rassistisch motivierten Attentate in Istha bei Kassel, Halle (Saale) und Hanau als Hinterbliebene, Überlebende, Verletzte, Augenzeug*innen und Familienangehörige von Verletzten direkt betroffen.
Seit Beginn der Coronakrise sehen wir eine bedrohliche Normalisierung von Antisemitismus und Rassismus, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Teilhabe der Angegriffenen bedrohen. Im Kontext der Proteste und Netzwerke der Coronaleugner*innen Bewegung tritt, bei aller Unterschiedlichkeit innerhalb der sozialen Herkunft und politischen Verortung der Leugner*innen, der ohnehin vorhandene Antisemitismus im Verschwörungsdenken offen zutage. Die sehr rasante Dynamik der Bewegung von Pandemieleugner*innen und Verschwörungsgläubigen radikalisiert sich durch permanente Regelverletzungen über aggressives Verhalten und Bedrohungen sowohl vor Ort als auch in Social-Media-Kanälen bis zu Mordaufrufen und Gewalttaten. Damit wird ein weiterer Nährboden für schwerste Gewalttaten gegen Juden und Jüdinnen und andere gesellschaftliche Gruppen geschaffen, die im Weltbild der extremen Rechten wahlweise für die Pandemie, deren soziale Folgen, die pandemiebedingten Schutzmaßnahmen oder die unterschiedlichsten Facetten des Lebens in einer offenen, demokratischen Gesellschaft insgesamt verantwortlich gemacht werden – mithin für alles, was zu den Feindbildern von organisierten Antisemit*innen und der extremen Rechten gehört.
Viele Betroffene von Antisemitismus sind zudem damit konfrontiert, dass die
wöchentlichen Meldungen über rechte Netzwerke und Chatgruppen in Polizeidienststellen und Einheiten der Länderpolizeien ebenso wie beim BKA ein erschreckendes Ausmaß an Verherrlichung der nationalsozialistischen Shoa in den Strafverfolgungsbehörden offenbaren. Dies trägt ebenso wie der mangelnde Polizeischutz für die Synagoge in Halle (Saale) an Yom Kippur, die mangelnde Sensibilität für die Überlebenden des Attentats und die niedrigen Aufklärungsquoten bei antisemitischen Bedrohungen im digitalen Raum sowie die oftmals schleppenden Strafverfahren nach antisemitischen Beleidigungen, Bedrohungen und Gewalttaten zu einem erheblichen Maß an Unsicherheit und Vertrauensverlust in das Schutzversprechen zentraler Institutionen des demokratischen Rechtsstaats bei.
Verbesserter Opferschutz, konsequente Strafverfolgung, adäquates Monitoring und verpflichtende Aus- und Fortbildungsangebote: 12 Empfehlungen in den Zuständigkeitsbereichen des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz sowie des Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat.
- Überlebende, Hinterbliebene und Verletzte schwerer antisemitischer und rechtsterroristischer Gewalttaten benötigen eine neu zu schaffende, unbürokratische Grundrente mit einer adäquaten Existenzsicherung. Die geplante Reform des Opferentschädigungsrechts tritt in Deutschland erst im Jahr 2024 in Kraft. Bis dahin werden viele Überlebende und Hinterbliebene rechtsterroristischer, antisemitischer Attentate wie etwa in Halle (S.) ebenso wie Überlebende dschihadistischer Terrorattentate etwa beim Breitscheidplatz-Attentat in Berlin durch bürokratische Hürden insbesondere der Landesversorgungsämter in Armut und soziale Erniedrigung gedrängt. Eine unbürokratische Grundrente muss daher intersektional und ohne Opferkonkurrenz umgesetzt werden. Arbeitnehmer*innen, Studierende, Schüler*innen werden – ohne eigenes Zutun, alleine weil ihnen in der Ideologie der Täter die Existenzberechtigung abgesprochen wird – plötzlich zu Hilfebedürftigen in einem Hilfesystem von Landesversorgungs- und Sozialämtern, dass sie zu Bittsteller*innen degradiert und ihre Anliegen oftmals zu langsam und mit institutionellem Antisemitismus behandelt. Die mit dem derzeitigen Antragssystem verbundenen bürokratischen Hürden und daraus resultierenden Belastungen sind insbesondere für Betroffene des intergenerationellen Traumas der nationalsozialistischen Shoa und langwieriger Verwaltungs- und Sozialrechtsverfahren um Opferrenten, Entschädigungen und Restitutionen doppelt belastend und mit der Gefahr von Retraumatisierungen. Die Unterstützung durch den Opferbeauftragten der Bundesregierung und das Bundesamt für Justiz sowie den Beauftragten für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus sowie die jeweiligen Länderbeauftragten haben zwar wichtige Signalwirkung, aber sie bieten keine langfristige existenzsichernde Perspektive für ein Leben nach traumatischer Gewalterfahrung in Würde. Auch der Terrorismusbeauftragte der Bundesregierung, Dr. Edgar Franke, hat diesen Mangel an adäquater und langfristiger staatlicher Unterstützung für Betroffene von schweren antisemitischen, rassistischen und rechtsterroristischen Gewalttaten und Attentaten kritisiert und in seinem jüngsten Abschlussbericht am 2. November 2021 eine Anhebung der Opferrenten nach rechtsterroristischen, antisemitischen und rassistischen Attentaten und schweren Gewalttaten gefordert.[1]
- Bislang existieren in den wenigsten Bundesländern eigene Länder-Opferfonds, die die Betroffenen antisemitischer, rechter und rassistischer Gewalt und Bedrohungen bei der Bewältigung der materiellen Folgen und Konsequenzen u.a. antisemitischer Gewalttaten und Bedrohungen unterstützen würden. Lediglich die Bundesländer Berlin und Thüringen haben Opferfonds für die Betroffenen von rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt ins Leben gerufen. In anderen Bundesländern – etwa in Baden-Württemberg mit der Landesstiftung Opferschutz – existieren entsprechende Angebote für Opfer von Gewalttaten und Tötungsdelikten als Landesstiftungen. Das Bundesland Hessen hat nach Interventionen der Überlebenden und Hinterbliebenen des rassistischen Attentats von Hanau, des VBRG und auf der Grundlage eines Landtagsbeschlusses die Einrichtung eines Allgemeinen Opferfonds für alle Opfer von schweren Terror- und Gewalttaten beschlossen. Im Rahmen einer Nationalen Strategie zur Bekämpfung des Antisemitismus muss dafür Sorge getragen werden, dass alle Bundesländer Opfer von schweren antisemitisch, rassistisch und rechtsmotivierten Gewalttaten durch landeseigene Opferfonds materiell bei der Bewältigung der Tatfolgen unterstützen. Dies hat nicht zuletzt auch der Terrorismusopferbeauftragte Dr. Edgar Franke in seinem Abschlussbericht als flächendeckende Aufgabe für alle Bundesländer angemahnt.[2]
- Zu den Verpflichtungen der Bundesrepublik aus der so genannten EU-Opferschutz-Richtlinie 2012/29/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Mindeststandards für die Rechte, die Unterstützung und den Schutz von Opfern von Straftaten und einer Nationalen Strategie gegen Antisemitismus und für das jüdische Leben muss es auch gehören, den eklatanten Mangel an jüdischen und mehrsprachigen Psychotherapeut*innen bzw. Therapeut*innen mit entsprechendem Wissen und Sensibilität gegenüber transgenerationellen Traumata und Erscheinungsformen des aktuellen Antisemitismus und deren Auswirkungen auf die psychische Gesundheit der Betroffenen als akutes Problem zu erkennen und Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Die im VBRG e.V. zusammengeschlossenen Opferberatungsstellen empfehlen hier u.a. den Aufbau flächendeckender Fortbildungen zur Antisemitismus und transgenerationellen Traumata für Therapeut*innen in den Trauma- und Opferambulanzen der jeweiligen Bundesländer sowie die vorrangige Einstellung von jüdischen Therapeut*innen in den Traumambulanzen für Akuttherapien nach Gewalttaten (der entsprechende Anspruch auf Akut-Versorgung ist durch die 3. Reform des Opferentschädigungsgesetzes geregelt) sowie die Anerkennung von Therapiekosten von spezialisierten Therapeut*innen ohne Krankenkassenzulassung, wenn für Betroffene von Antisemitismus über die jeweiligen Opferambulanzen keine geeigneten Therapieangebote gemacht werden.
- Die Erweiterung der Härteleistungen für Opfer von Terrorismus und extremistischer Übergriffe des Bundesamtes für Justiz auch für Betroffene von schweren antisemitisch motivierten Brandstiftungen und Sachbeschädigungen sollte integraler Bestandteil einer Nationalen Strategie gegen Antisemitismus sein. Regelmäßig sind beispielsweise nach antisemitisch motivierten (Brand)-Anschlägen und Angriffen auf Restaurants wie das Restaurant Schalom in Chemnitz (u.a. in 2018) oder die Kiezkneipe „morgen wird besser“ in Berlin-Lichtenberg in 2020, aber auch auf Wohnhäuser wie auf das Haus eines jüdischen Ehepaars in der Nähe von Hannover (Niedersachsen) in 2019 die jeweiligen Betroffenen auch in ihrer wirtschaftlichen Existenz massiv betroffen und bedroht. Fast immer sind die Betroffenen unterversichert und sehr häufig nur nach umfangreichen und kostspieligen Sicherungsmaßnahmen in der Lage, ihren Laden/Imbiss/Restaurant etc. erfolgreich weiter zu betreiben. Sie geraten unverschuldet durch antisemitisch und rechtsextrem motivierte Gewalttaten in existenzielle Notlagen. Bei Anschlägen und Angriffen im unmittelbaren sozialen Nahraum, insbesondere auf die eigene Wohnung oder das Wohnhaus stellen sich Betroffene immer wieder die Frage, ob sie umziehen müssen und wie sie die finanziellen Folgen der Sicherungsmaßnahmen und/oder eines Umzugs bewältigen können. Bislang sehen die Regelungen für Härtefallleistungen des Bundesamtes für Justiz für Betroffene extremistischer Gewalttaten und Terrorismus jedoch keine Härteleistungen für Betroffene von schweren Brandstiftungen und existenzbedrohenden Sachbeschädigungen vor. Gerade weil insbesondere bei 90% der Brandstiftungen keine Täter*innen ermittelt werden, ist die Härteleistung ein besonders wichtiges Signal der konkreten materiellen Solidarität und Unterstützung des Rechtsstaats für die Betroffenen. Es wäre daher dringend notwendig, dass im Zuge einer Nationalen Strategie gegen Antisemitismus und für das jüdische Leben eine Erweiterung der Härteleistungen des BfJ für Betroffene von schweren Brandstiftungen und existenzbedrohenden Sachbeschädigungen erfolgt. Über diese Härteleistungen sollten auch die Kosten für notwendige Sicherungs- und Security-Maßnahmen übernommen werden, sofern diese nicht durch die jeweiligen Opferfonds der Bundesländer erstattet werden.
- Im Rahmen einer Nationalen Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben müssen das Bundesjustizministerium und die Justizminister*innen-Konferenz durch entsprechende gesetzliche Regelungen oder Änderungen in den Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) dafür Sorge tragen, dass Staatsanwaltschaften ohne explizites Einverständnis von Nebenkläger*innen keine schmutzigen Deals mehr mit antisemitischen und neonazistischen Gewalttätern – wie etwa im Ballstädt-Prozess in Thüringen – machen können. Bis dahin sind die Justizminister*innen der Länder aufgefordert, von ihrer Weisungsbefugnis gegenüber den Staatsanwaltschaften Gebrauch zu machen, und Deals zu unterbinden sowie eine flächendeckende Berichtspflicht für Staatsanwaltschaften bei schweren antisemitischen und neonazistischen Gewalttaten und einer verschleppten Strafverfolgung wie etwa bei Angriffen von bundesweiten Neonazi-Netzwerken u.a. in Chemnitz 2018 einzuführen.
- Bislang müssen Nebenkläger*innen die Fahrtkosten zur Teilnahme an Hauptverhandlungen gegen Tatverdächtige selbst tragen. Denn der Staat übernimmt lediglich die Fahrtkostenerstattung für Angeklagte und für Zeug*innen am Tag ihrer Aussage. Dies führte im Prozess nach dem antisemitischen Attentat auf die Synagoge in Halle (Saale) an Yom Kippur zu einer besonderen, weiteren Belastung für viele Nebenkläger*innen, die für ihr Recht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung zunächst auf solidarische Spendenaktionen der Beratungsstellen des VBRG e.V. angewiesen waren. Mit Hilfe der Nebenklagevertreter*innen und des VBRG e.V. wurde dann mit dem Terrorismusopferbeauftragten eine Sonderregelung für die Finanzierung von Fahrtkosten zur Teilnahme am Besuch der Hauptverhandlung gefunden, die jedoch für Betroffene mit weiteren Anreisewegen aufgrund der hohen Kosten dennoch dazu führte, dass der Besuch der Hauptverhandlung nicht an allen Prozesstagen möglich war. Um die Stellung von Nebenkläger*innen u.a. bei antisemitisch motivierten Gewalttaten zur Teilnahme an Hauptverhandlungen stärken, muss die Fahrtkostenerstattungen für Nebenkläger*innen selbstverständlicher Teil der Umsetzung der EU- Opferschutzrichtlinie 2012/29/EU sein. Insbesondere in den Schlussstatements der Betroffenen des Halle-Attentats in der Hauptverhandlung ist die Bedeutung der Nebenklage und der aktiven Teilnahme an dem Strafverfahren sehr deutlich gemacht worden.[3] Aus der Erfahrung der Opferberatungsstellen in der Begleitung von Betroffenen antisemitischer Gewalttaten in Hauptverhandlungen wissen wir um die große Bedeutung der Teilnahme an Gerichtsprozessen bei der Verarbeitung der Tat. Umso notwendiger ist es, dass für die fehlende Fahrtkostenfinanzierung für Nebenkläger*innen in Strafverfahren als Teil der Nationalen Strategie gegen Antisemitismus eine Lösung gefunden wird, die die Interessen der Betroffenen berücksichtigt.
- Eine Erweiterung des Opferschutzes von Betroffenen von Antisemitismus ohne festen Aufenthaltstitel durch eine Erweiterung des Paragraf 25AufenthG durch einen Absatz 4c) ist überfällig. Dafür muss im Rahmen einer Nationalen Strategie gegen Antisemitismus und für jüdisches Leben ein Gesetzesvorhaben für ein humanitäres Bleiberecht für Betroffene antisemitischer und rassistischer Gewalt ohne festen Aufenthaltsstatus auf den Weg gebracht werden – durch eine Erweiterung von Paragraf 25AufenthG durch einen Absatz 4c). Ein entsprechender Gesetzentwurf lag dem Deutschen Bundestag der 19. Wahlperiode (BT-Drs. 19/6197)[4] schon vor. Die Heterogenität der Betroffenengruppen antisemitischer und rassistisch motivierter Gewalt ohne dauerhaften Aufenthaltstitel wird in dem Gesetzentwurf für ein Aufenthaltsrecht für Opfer rechter Gewalt ausdrücklich adressiert. Denn damit soll unter anderen verhindert werden, dass das Aufenthaltsrecht von Betroffenen antisemitischer Gewalt und Attentate oder Hinterbliebenen in Gefahr gerät, „weil sie in Folge der Gewalttat ihre Beschäftigung oder Einkommensgrundlage verlieren, etwa wegen psychischer oder physischer Verletzungen und Beeinträchtigungen der Erwerbstätigkeit“. Dies gilt auch für ausländische Studierende mit einem Aufenthaltstitel, der in der Regel an das Studium und dessen Dauer des Studiums gebunden ist. Die restriktive Handhabung von Härtefallregelungen etwa bei Verlängerungsantragen nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, die „besondere Umstände des Einzelfalls“ oder „außergewöhnliche Härte“ voraussetzen, führt in der Beratungspraxis der Opferberatungsstellen immer wieder zu Fällen, in denen Betroffene antisemitischer Gewalttaten, die aufgrund der Folgen der Gewalttat ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage verlieren oder aufgrund von Posttraumatischen Belastungsstörungen nach antisemitischen Angriffen ihr Studium abbrechen müssen, ohne eigenes Verschulden in teilweise jahrelange Unsicherheit über ihren weiteren Aufenthalt in Deutschland gestürzt werden oder zur Ausreise gezwungen werden. Eine nationale Strategie zur Bekämpfung des Antisemitismus muss hier – insbesondere auch aus historischer Verantwortung – Sorge tragen, dass Opfer antisemitischer Gewalt ohne festen Aufenthalt im Rahmen einer entsprechenden Änderung des Paragraf 25AufenthG durch einen Absatz 4c keine Nachteile und keine Ausweisungen mehr befürchten müssen.
- Zwingender Bestandteil einer Nationalen Strategie gegen Antisemitismus und für das jüdische Leben in Deutschland muss eine verbesserte Strafverfolgung bei antisemitischen Bedrohungen, Hass und Gewalt im Netz sein. Dafür müssen Schwerpunktstaatsanwaltschaften in allen Bundesländern und Schwerpunktdezernate in allen Länderpolizeien im Kontext von antisemitischer, rassistischer, misogyner und rechter Gewalt und Bedrohungen im Netz auf- und ausgebaut und mit entsprechenden Ressourcen ausgestattet sowie für die Perspektive der heterogenen Betroffenengruppen von Antisemitismus sensibilisiert werden. Dazu gehören auch Nachbesserungen zum Schutz von Betroffenen von Feindeslisten der antisemitischen Coronaleugner*innen-Bewegung und extrem rechter Netzwerke im §126a StGB. Personen, deren persönliche Daten auf „Feindeslisten“ stehen, müssen sofort und vollumfänglich durch die Strafverfolgungsbehörden darüber informiert werden, welche Daten von ihnen gesammelt und wo sie verbreitet wurden. Nur so können die Betroffenen ihre Gefährdung objektiv einschätzen und selbst entscheiden, welche Schutzmaßnahmen sie ergreifen wollen. Betroffene müssen an die fachspezifischen, unabhängigen Beratungsstellen vermittelt werden. Nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Fälle von Rechtsextremismus und Antisemitismus in den Strafverfolgungsbehörden ist dieser Verweis zwingend notwendig. Strafverfolgungsbehörden müssen von Amts wegen eine Auskunftssperre im Melderegister veranlassen, wenn „Feindeslisten“ etwa bei Durchsuchungen gefunden werden. Dieses Vorgehen zum Schutz von Betroffenen sieht §51 Bundesmeldegesetz zwar ohnehin vor, wird aber in der Praxis nur selten umgesetzt. Für einen Schutz von Betroffenen von antisemitischen Bedrohungen und Feindeslisten von Coronaleugner und extrem rechten Netzwerken bedarf es daher der Erweiterungen und Ergänzungen von §51 Bundesmeldegesetz und des neugeschaffen 126a StGB: Gemäß § 51 Bundesmeldegesetz (BMG) kann die Meldebehörde nicht nur auf Antrag, sondern auch von Amts wegen eine Auskunftssperre im Melderegister eintragen. Dies spielt allerdings in der alltäglichen Praxis beim Schutz von Betroffenen von antisemitischen Bedrohungen und Hass bislang kaum eine Rolle. Grund hierfür dürfte sein, dass es bislang keine internen Regelungen zur regelmäßigen Information der Meldebehörden über das Vorhandensein von Bedrohungen für Leben, Gesundheit, persönliche Freiheit o.ä. schutzwürdige Interessen von Personen im Zuständigkeitsbereich der Meldebehörde gibt. Hier bedarf es dringend einer klareren Regelung sowie einer Bund-Länder-übergreifenden Verständigung in der Justizminister*innen- Konferenz und der Innenminister*innen-Konferenz. Darüber hinaus sollte §51 BMG ergänzt werden dahingehend, dass eine Sperrung der Meldeadresse ab Antragstellung durch die Betroffenen vorgenommen wird – und nicht erst am Ende eines monatelangen Prüfprozesses. Insbesondere in Fällen, in denen Betroffene von hybrid organisierten antisemitischen und rechten Netzwerken etwa wie dem NSU 2.0 und Nordkreuz bedroht werden, bei denen rechtsextreme Polizeibeamte durch Polizeidatenbanken Zugriff auf geschützte Informationen haben, ist eine sofortige Sperrung dringend notwendig.
- Bestandteil einer Nationalen Strategie gegen Antisemitismus muss auch die Einrichtung einer unabhängigen Polizeibeschwerdestelle auf der Ebene der Bundespolizeien und unabhängiger Polizeibeschwerdestellen in allen statt 11 wie derzeit nur in 7 von 16 Bundesländern für Betroffene von polizeilichen Fehlverhalten sein.[5] Viele Betroffene von antisemitischen Straf- und Gewalttaten sowie Überlebende des antisemitischen Attentats auf die Synagoge in Halle (Saale) an Yom Kippur haben ihre Kritik an polizeilichen Fehlverhalten sowie ihre Erfahrungen institutionellen und individuellen Antisemitismus von Polizeibeamt*innen öffentlich geäußert. Ihre Erwartung ist, dass sie nicht in einen leeren Raum sprechen, sondern dass Polizeiführungen und Innenminister*innen die Kritik ernst nehmen, dass Fehlverhalten zu Konsequenzen führt – für die Institution Polizei als Ganzes ebenso wie für individuell beteiligte Beamte.[6] Dies wäre ein wichtiger Schritt, um das bei vielen Betroffenen antisemitischer Gewalt erheblich beschädigte Vertrauen in die Strafverfolgungsbehörden – etwa durch die Netzwerke von rechtsextremen Polizisten und Elitesoldaten wie Nordkreuz–wiederherzustellen. Aktuelle von den jeweiligen Länder-Innenministern in Auftrag gegebene Bestandsaufnahmen zu Antisemitismus und Rassismus in der Polizei – wie etwa der „Bericht der Sonderkommission zu institutionellem Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Landespolizei Sachsen-Anhalt“[7] vom März 2021 oder der Abschlussbericht der vom hessischen Innenministerium in Auftrag gegebene Expert*innen-Kommission „Polizei in einer pluralistischen Gesellschaft“ im Juli 2021 bestätigen die Erfahrungen von Betroffenen von antisemitischen Straf- und Gewalttaten und der fachspezifischen Opferberatungsstellen: Noch immer wird lediglich eine Spitze des bedrohlichen Eisbergs von Antisemitismus, Shoa-Leugnung und NS-Verherrlichung sowie Rassismus im Kontext von Polizei öffentlich bekannt. Um das Ausmaß des Problems zu vermessen sowie wirksame Gegenmaßnahmen einzuleiten, bedarf es dringend unabhängiger Studien zum Ausmaß von Antisemitismus und Rassismus in den Polizeien der Länder und des Bundes sowie unabhängige Beschwerdemechanismen für die Betroffenen. Dies insbesondere, weil Antisemitismus, Shoa-Leugnung und NS-Verherrlichung die vorherrschenden Ideologien sind, die in rechtsextremen Chatgruppen von Polizist*innen verbreitet und geteilt werden[8]. Dazu gehört auch eine Einigung auf eine bundesweit verbindliche Arbeitsdefinition von institutionellem und strukturellem Antisemitismus als eine Querschnittsaufgabe, die Bestandteil einer Nationalen Strategie sein muss, damit es einen Ausgangspunkt für Fortbildungen, Studien etc. in den Bereichen Polizei, Justiz, Bildung etc. gibt.
- Das antisemitisch motivierte Attentat auf die Synagoge in Halle (Saale) an Yom Kippur sowie der nachfolgende Polizeieinsatz und die Kritik der Überlebenden an dem Einsatz müssen ebenso wie die rechtsterroristisch und rassistisch motivierte Mord- und Anschlagsserie des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) verpflichtend in der Ausbildung für Staatsanwält*innen und Richter*innen sowie Polizeianwärter*innen behandelt und im Rahmen des Nationalen Strategie gegen Antisemitismus und für das jüdische Leben als Pflichtmodul in den Lehrplänen juristischer Fakultäten und Polizeihochschulen ebenso wie eine Auseinandersetzung mit institutionellem Antisemitismus und Rassismus verankert werden. Dies ist auch notwendig, um bei allen angehenden Staatsanwält*innen und Richter*innen sowie Polizist*innen sowohl das notwendige Wissen um die Schutzbedarfe jüdischer Institutionen, Gemeindehäuser und Synagogen sowie Friedhöfe als auch um die heterogenen und multiperspektivischen Alltagserfahrungen von Antisemitismus-Betroffenen und den daraus resultierenden Schutzbedarfen zu verankern. Eine verpflichtende Verankerung mit der Auseinandersetzung mit der NSU-Mord- und Anschlagsserie in der Ausbildung soll auch dafür Sorge tragen, dass Polizeibeamte und Staatsanwält*innen über das notwendige Wissen über antisemitische, rassistische und rechtsterroristische Botschaftstaten verfügen, die auf Bekennerschreiben – wie beim NSU – verzichten. Denn die Tat ist Träger der Botschaft: sowohl für die angegriffenen Communities als auch für die Sympathisant*innen der Täter*innen. Im übrigen wird darauf verwiesen, dass das NSU-Kerntrio und seine Unterstützer*innen u.a. die Synagoge in der Rykestraße in Berlin ausgespäht und eine Liste von mehr als 200 Einrichtungen jüdischer Gemeinden als potenzielle Anschlagsziele angelegt hatte.[9] Die Verherrlichung der nationalsozialistischen Shoa und mörderischer Antisemitismus und deren intersektionale Verschränkung mit mörderischem Rassismus bildeten die ideologische Grundlage des NSU-Netzwerks und seiner Gewalttaten und vieler weiterer rechtsterroristischer, antisemitischer Gewaltstraftaten und Attentate.
- In Umsetzung von Empfehlungen des ersten NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag der 17. WP hatte der Bundestag auf Initiative des Bundesjustizministeriums einem Zusatz in Abs. 2 Satz 2 von §46 StGB zugestimmt, der die Strafzumessung regelt. In dem Zusatz, der nunmehr in Kraft ist, heißt es, „(…) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht: die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende. (…).“ Sechs Jahre nach Einführung der Reform ist das Bild in Bezug auf die Anwendungspraxis von §46 StGB Abs. 2 Satz 2 sowohl durch Staatsanwaltschaften als auch Gerichte sehr uneinheitlich. Immer wieder sind die Beratungsstellen bei der Begleitung von Betroffenen antisemitischer Gewalttaten in Strafprozessen damit konfrontiert, dass weder Staatsanwält*innen noch Richter*innen trotz eindeutiger Hinweise auf Antisemitismus als Tatmotiv die Regelungen des §46 Abs. 2 Satz 2 StGB zur Anwendung bringen. Da die gerichtliche Anerkennung und Feststellung eines antisemitischen Tatmotivs erhebliche Auswirkungen hat – u.a. auf die Verarbeitung der Tat und der Tatfolgen durch die Betroffenen sowie deren Möglichkeit, einen erfolgreichen Antrag auf Gewährung einer Billigkeitsentschädigung für Opfer extremistischer Gewalt durch das Bundesamt für Justiz zu stellen, ist eine bundesweite wissenschaftliche Studie zur Wirksamkeit der Reform des §46 Abs. 2 Satz 2 StGB dringend notwendig, um dann entsprechend auch durch die unter 9.) empfohlenen verpflichtenden Fortbildungs- und Ausbildungsmodule für Abhilfe zu sorgen. Dies gilt auch vor dem Hintergrund, dass im Rahmen einer Nationalen Strategie gegen Antisemitismus sichergestellt werden muss, dass die Perspektive der Betroffenen von Antisemitismus bei der strafrechtlichen Ahndung durch die Strafverfolgungsbehörden adäquat berücksichtigt wird.
- Ohne eine präzise Erfassung des Ausmaßes von antisemitischen Gewalt- und Straftaten sind weder effektive Strafverfolgung noch Prävention möglich. Trotz der Reformen bei der polizeilichen Erfassung von so genannter „politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) ist die Erfassungslücke zum Ausmaß antisemitischer und rechter Gewalt erheblich. Während die Opferberatungsstellen in acht Bundesländern für das Jahr 2020 mindestens 1.322 rechte Gewalttaten erfasst haben, geht das BKA nach Meldungen der Landeskriminalämter für 16 Bundesländer lediglich von 813 PMK Rechts Gewalttaten aus. Eine Nationale Strategie gegen Antisemitismus muss dafür Sorge tragen, dass ausdrückliche Ermittlungs- und Dokumentationspflichten in der RiStBV verankert werden, die Ermittlungsbehörden verpflichten, bei Verdachtsfällen eventuellen antisemitischen Tathintergründen nachzugehen und diese gegebenenfalls aktiv auszuschließen. Befragungen der Betroffenen durch die ermittelnden Beamt*innen müssen, wie auch in der EU-Opferschutzrichtlinie gefordert, so durchgeführt werden, dass sekundäre Traumatisierungen nach Möglichkeit vermieden werden. Zudem braucht es eine unabhängige Studie zum Ausmaß und den Ursachsen der Diskrepanz zwischen den Statistiken der Opferberatungsstellen, des Verbundes von RIAS und den PMK Jahresbilanzen des BKA sowie eine unabhängige wissenschaftliche Studie zur Anwendung des reformierten PMK Erfassungskriterienkatalogs seit 1/2017 durch die 16 Länderpolizeien und eine Veröffentlichung des bislang als „VS NfD – Verschlusssache nur für den Dienstgebrauch“ eingestuften vollständigen Kriterienkatalogs.
[1] Vgl. Abschlussbericht des Beauftragten der Bundesregierung für die Anliegen von Opfern und Hinterbliebenen terroristischer Straftaten im Inland, Dr. Edgar Franke vom 2.11.2021: https://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Fachinformationen/2021_Abschlussbericht_Opferbeauftragter_Zusammenfassung.pdf?__blob=publicationFile&v=3
[2] s.o.
[3] vgl. Schlussworte der Überlebenden im Halle-Prozess. Dokumentation auf der Website des VBRG e.V.: https://verband-brg.de/dokumentation-der-schlussworte-im-halle-prozess-hoert-den-ueberlebenden-zu/
[4] Zum Wortlaut des Gesetzentwurfs „Aufenthaltsrecht für Opfer rechter Gewalt“ BT-Drs. 19/6197: https://dserver.bundestag.de/btd/19/061/1906197.pdf
[5] vgl. Überblick zu Beschwerdemechanismen beim Mediendienst Integration: Rechtsextreme in den Sicherheitsbehörden, https://mediendienst-integration.de/artikel/rechtsextreme-in-sicherheitsbehoerden.html
[6] vgl. Rabbi Jeremy Borovitz, Dr. Gideon Botsch, Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk, Landespolizeidirektor Karl-Albert Grewe und Antje Arndt, Mobile Opferberatung in: Open Lecture 3 und Podcast #22 „Vor Ort“ des VBRG: Antisemitismus und Rassismus als Problem der Strafverfolgungsbehörden, https://verband-brg.de/folge-22-vor-ort-gegen-rassismus-antisemitismus-und-rechte-gewalt-die-podcastserie-von-nsu-watch-und-vbrg-e-v/
[7] vgl. „Bericht der Sonderkommission zu institutionellem Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Landespolizei Sachsen-Anhalt“ https://mi.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/Politik_und_Verwaltung/MI/MI/2._Aktuelles/20210228_Bericht_Sonderkommission_Druckversion.pdf
[8] vgl. Stabstelle Rechtsextremistische Tendenzen in der Polizei NRW, Bericht 4.3.201, S. 73ff; https://www.im.nrw/system/files/media/document/file/berichtstrechtsband2_1kl.pdf
[9] Vgl. (K)Eine gespaltene Wahrnehmung: Antisemitismus und der NSU; https://www.nsu-watch.info/2018/09/keine-gespaltene-wahrnehmung-antisemitismus-und-der-nsu/
Demokratiefördergesetz als Notwendigkeit zum Ausbau von unabhängiges Monitoring, Beratungs- und Bildungsangeboten:
Vier Empfehlungen im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Jugend und Frauen
- Eine dauerhafte Absicherung der Arbeit von unabhängigen; zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen wie den fachspezifischen Opferberatungsstellen im VBRG e.V., den Community-basierten Beratungsstellen von OFEK e.V., des Bundesverbandes der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus e.V., der im Kompetenznetzwerk Antisemitismus zusammengeschlossenen Träger und der Mobilen Beratungsteams und der Antidiskriminierungsberatung ist ein wichtiges Zeichen der Solidarität des Staates mit den Betroffenen von Antisemitismus. Im Rahmen einer Nationalen Strategie gegen Antisemitismus muss dafür Sorge getragen werden, dass durch ein Demokratiefördergesetz die wichtige Arbeit der zivilgesellschaftlichen Träger und Beratungsstellen und ihrer Kooperationspartner*innen im Bund und den Ländern dauerhaft abgesichert sind – dies gilt auch für communitybasierten, zivilgesellschaftlichen Träger von Empowermentangeboten für Betroffene von Antisemitismus sowie von Bildungsangeboten. Eine nationale Strategie muss auf die vielfältigen Facetten der Bedrohung durch Antisemitismus und antisemitische Gewalt für jüdisches Leben in Deutschland mit multiperspektivischen Ansätzen und Maßnahmen reagieren.
- Der flächendeckende Auf- und Ausbau der Beratungsstellen für Betroffene antisemitischer Gewalt und Diskriminierung in allen Bundesländern sowie eine Absicherung durch Bundesmittel für alle unabhängigen Opferberatungsstellen muss im Rahmen einer Nationalen Strategie gegen Antisemitismus als deren integraler Bestandteil gewährleistet werden. Noch immer sind die im VBRG e.V. organisierten Opferberatungsstellen u.a. in den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern und Hessen nicht mit einer Finanzierung ausgestattet, die eine flächendeckende, aufsuchende, pro-aktive und professionelle Beratung für alle Betroffenen antisemitischer Gewalt sowie den Aus- und Aufbau stärkerer Kooperationsnetzwerke mit unterschiedlichsten Akteur*innen jüdischer Gemeinden und Communities ermöglichen würde. Dies gilt auch für die communitybasierten Beratungsstellen von OFEK e.V. und anderen zivilgesellschaftlichen Trägern. Dementsprechend wird hier eine dauerhafte Aufstockung an Bundes- und Landesmitteln benötigt. Darüber hinaus besteht immer und anhaltend die Gefahr, dass die Opferberatungsstellen als parteiliche Interessensvertreter*innen von Betroffenen rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt nach Landtagswahlen in Ostdeutschland, bei denen die AfD entweder als Koalitionspartner an einer Landesregierung beteiligt wird oder eine Minderheitenregierung duldet, ihre jeweilige Finanzierung durch das jeweilige Bundesland verlieren. Als Zeichen solidarischer staatlicher Unterstützung für Betroffene antisemitischer Gewalt ist eine dauerhafte, abgesicherte Finanzierung der Beratungsarbeit der Opferberatungsstellen aus Bundesmitteln dringend notwendig.
- Darüber hinaus benötigen sowohl die communitybasierten Dokumentations- und Meldestellen zu Antisemitismus im Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus RIAS e.V. als auch die fachspezifischen unabhängigen Opferberatungsstellen im VBRG e.V. in allen Bundesländern entsprechende finanzielle Ressourcen, um ein unabhängiges Monitoring zum Ausmaß antisemitischer Straf- und Gewalttaten sowie zu Vorfällen unterhalb der Strafbarkeitsgrenze weiter auf- und auszubauen. Denn in der Praxis ist das unabhängige Monitoring durch die zivilgesellschaftlichen Träger – auch aufgrund mangelnden Vertrauens in die Strafverfolgungsbehörden – ein unersetzliches Instrument, um das reale Ausmaß von Antisemitismus und antisemitischen Straf- und Gewalttaten sichtbar zu machen und damit Politik, Wissenschaft, Verwaltungen, Medien und Zivilgesellschaft sowie Strafverfolgungsbehörden wichtige Ausgangsinformationen zu entsprechenden Handlungsbedarfen und erforderlichen Maßnahmen zur Verfügung zu stellen.
- Notfallfonds für die Beratung und Begleitung von Betroffenen antisemitischer Attentate und adäquate Erhöhung der Ressourcen der jeweiligen Opferberatungsstellen. Die Verletzten, Überlebenden, Zeug*innen und Angehörigen der Betroffenen antisemitischen Attentate benötigen mittel- und langfristige unabhängige und professionelle, fachspezifische Begleitungs- und Beratungsangebote vor Ort bei der Bewältigung des Erlebten und der Angriffsfolgen. Hierfür bedarf es eines Notfallfonds, den das BMFSFJ im Bedarfsfall kurzfristig den jeweiligen fachspezifischen Opferberatungsstellen zur Verfügung stellt, um eine kurzfristig adäquate Beratungsstruktur nach einem antisemitischen Attentat zu gewährleisten sowie eine unkomplizierte Regelung zur Erhöhung der personellen Ressourcen der jeweiligen Opferberatungsstellen zur mittel- und langfristigen Begleitung der Betroffenen antisemitischer Attentate.